ImPulsTanz mit „Wiener Tanzmoderne“– eine ungemein sensitive Damengesellschaft, 25.7.2021
Österreicher? Sie stehen bei den Wiener Festwochen oder ImPulsTanz nicht im Mittelpunkt, spielen nur eine bescheidene Nebenrolle. Doch einmal aus dem Hut gezaubert – in dem von Andrea Amort initiierten Programm ‚Kosmos Wiener Tanzmoderne‘ hat sich eine ungemein sensitive Damengesellschaft im MuTh-Theater bestens zu präsentieren verstanden.
Wiener Moderne? Bezieht sich auf die Tänzerinnen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, welche sich dem Ausdruckstanz des Expressionismus hingegeben hatten. Sieben Darstellerinnen haben jetzt starken Charakter in ‚Reenactmen‘ gezeigt. Soll in etwa heißen: Solopiecen von Rosalia Chladek (1905 bis 1995, sie hat in Wien mit einer gewissen Nachhaltigkeit gewirkt) oder Gertrud Bodenwieser, Hanna Berger, Gertrud Kraus werden nach tradierten Aufzeichnungen nachgestaltet. Doch die jeweiligen Interpretinnen lassen auch ihre eigenen Emotionen, Ideen einfließen, verschmelzen die heutige Körpersprache mit jener der historischen Ausdruckstänzerinnen.
Acht Programmpunkte, acht interessante, extrem expressiv vorgetragene Solostudien: Eva-Maria Schaller als Jeanne d‘Arc oder im Wasser dahin treibende, sanft schwebende ‚Unbekannte aus der Seine‘ – Katharina Senk und ihr intellektueller ‚Tanz mit dem Stab‘ – Farah Deen als ‚Urban Luzifer‘ teuflisch grimassierend – Katharina Illnar mit einem ‚Totengeleite‘ – Cora Kartman und ihre Recherche zum Bewegungsmaterial von Gertrud Bodenwieser – und Eva-Maria Kraft (‘Blending‘), Loulou Omer (‚Reenacting Gertrud Kraus‘). Und in mehreren Stücken begleitete Elnaz Behkam als einfühlsame Pianistin.
Diese hier so starken Tänzerinnen, welche sich nicht gerade oft vor einem Publikum präsentieren dürfen, sie alle haben mit ihrer sorgfältig ausgearbeiteter Körpersprache, feinen Nuancierungen, ihren hingebungsvoll eingesetzten Ausdrucksmöglichkeiten voll zu überzeugen vermocht. Wie es sich für damals gehört hat: barfuß in ihre Rollen schlüpfend. Und eigentlich – solche Begabungen müssten im internationalen Netzwerker-Kulturbetrieb der Stadt mit weit mehr sensiblem künstlerischen Gespür zur Erarbeitung aktueller eigener oder kollektiver Schöpfungen hingeführt werden.
Meinhard Rüdenauer