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80 Jahre Glyndebourne Festival – DER ROSENKAVALIER

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80 Jahre Glyndebourne Festival

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1934 von John Christie und seiner Gattin Audrey Mildmay, einer Opernsängerin gegründet, wird das Festival nach George Christie (ab 1962), nun seit 2000 in dritter Generation von Gus Christie geleitet. Näheres über die Geschichte und Gegenwart des inzwischen so renommierten Festivals, das, man staune, ohne staatliche Subventionen auskommt, unter > http://glyndebourne.com 

sil-ros  Richard Strauss – “DER ROSENKAVALIER” - 15.06.2014 

Über Richard Jones‘ slapstick-gespickte Zuckerbäcker-Inszenierung wurde ja bereits ausführlich geschrieben. Wenn man sich auf diese Art der Interpretation einlässt, kann man einigen Spaß haben (u. a. über den Polizeikommissar im Look des berühmten Monty-Python-Komikers John Cleese, was die Engländer besonders erheitert). Während Baron Ochs im 2. Akt bei der Auseinandersetzung mit Octavian mit dem Speisemesser ein bissel herumfuchtelt, piekst ihn der aufmüpfige Knabe mit Genuss mit dem langen Stiel der silbernen Rose in den Hintern…. – Eher störend empfand ich die dauernde szenische Enge (Paul Steinberg), die einzig beim Rosenkavalier-Auftritt im Faninal-Palais etwas geweitet wird (es stünde also durchaus mehr Raum zur Verfügung).

Aber man staune! Hat man doch tatsächlich die Kostüm- und Frisurenabteilung (Nicky Gillibrand) dazu gebracht (nach der energischen Intervention durch Dame Kiri möglicherweise), ihren bösen, bösen Missgriff bei der Einkleidung des Octavian zu korrigieren.*) Mit nunmehr leicht nach hinten geraffter Haarpracht und leichten Korrekturen an den Kostümen erscheint Tara Erraught als hübscher, bubenhafter und sehr leidenschaftlicher gräflicher Jüngling, der sich auch in den Mädchenkleidern (aber was für welchen…) zu bewegen weiß. Tara Erraughts lyrischer Mezzo entwickelt sich stetig. Besonders die schon immer vorhandene leuchtende Höhe kommt hier wunderbar zum Tragen, aber auch Mittellage und Tiefe wachsen langsam nach. Zudem hatte sie die kräftigste der drei Damenstimmen. Sicherlich wird Tara Erraught den Octavian nicht gleich an großen Häusern singen, aber es war doch ein sehr wichtiges, erfreuliches, gute Auspizien aufzeigendes Rollendebut. – Neben ihr die extrem zierliche Teodora Gheorghiu als ganz entzückende, streitbare Sophie. Die schnell entflammte Verliebtheit wurde von den beiden Protagonistinnen ganz köstlich gespielt und gesungen, ja, die Gheorghiu hat sogar ein bisschen vom heutzutage so seltenen Höhensilber. Als ich von Kate Royals geplanter Marschallin las, dachte ich, da müsse sich ihr barockgeschulter Sopran aber stark entwickelt haben. Nun, die lyrischen Bögen spann sie wunderschön, während bei den etwas temperamentvolleren Einsätzen der Höhenglanz fehlte. Sehr hübsch die „Venus im Bade“ zu Beginn (die Figur dazu hat sie ja); ihre Kostümierung zeigte sie in der Folge als „Zuckerpüppchen“, was sogar einigen Engländern etwas zu viel des Guten erschien. Das läuft konträr zum Hoheitsvollen, was von dieser Marschallin ja auch ausgehen sollte. - Diesen drei Damen stand Lars Woldt als Baron Ochs entgegen, der zunächst mit seiner robusten Stimmkraft etwas erschreckte, sich dann aber mehr und mehr seiner sängerischen Umgebung anpasste. Woldt hat die rechte Stimm‘ dazu, mogelt sich ab und zu über einige tricky Stellen geschickt hinweg und ist als Darsteller in jeder Minute überzeugend. - Michael Kraus stand mit einem beinahe Mandryka-Bariton als Faninal seinen Mann und Gwynne Howell, der alte Bass-Recke, durfte sich als Notar relativ ausgiebig durch die Szenerie bewegen. Gut Helene Schneidermann als Annina, äußerst mäßig Christopher Gillet als Valzacchi, ebenso die nervtötende Leitmetzerin (wie leider meistens) von Miranda Keys. - Einen besonderen Glanzpunkt setzte Andrej Dunaev mit seiner strahlend vorgetragenen Sänger-Arie. Ich erlauschte Pausengespräche, wo über die Herkunft dieses tollen Tenors gerätselt wurde. Dunaev stammt aus Sibirien und war am Bolschoi-Gastspiel Eugen Onegin in Paris als Lenski beteiligt (mit Kwiecien, Monogarova) – http://www.amazon.com/Eugene-Onegin-Makvala-Kasrashvili/dp/B001UHLPG0

Große Erwartungen setzte ich in die Begegnung mit Robin Ticciati, den musikalischen Leiter des Glyndebourne Festivals und hier Dirigent des London Philharmonic Orchestra (plus Glyndebourne Chor). Diese Erwartungen wurden nicht so ganz erfüllt. Nach überraschenderweise etwas gewuselten Einsätzen zu Beginn (LPO!?) ging es für einen jungen, wie man meinen könnte temperamentvollen Dirigenten in recht gemäßigten Tempi durch die gesamte Aufführung. Sicherlich gibt es Stellen, bei denen Besinnliches angesagt ist, wie etwa der Marschallinnen-Monolog, aber wenn er zu zerdehnt wird, kann’s leicht einmal langweilig werden. Freilich gab Ticciati seinen Sängerinnen schön Raum für blühende Bögen und schöne Steigerungen zu den jeweiligen Höhepunkten, aber da sind ja auch etwas forschere Sachen, die man sich doch etwas flotter und mit etwas mehr Pfiff gewünscht hätte (Ochs‘ Rausschmeißer). Allerdings ist die Akustik des Theaters erstaunlich mulmig, woran man sich erst gewöhnen muss. Der Orchesterklang und gerade das Strauss’sche Blühen kann sich nicht richtig frei aus dem tiefen Orchestergraben heraus entfalten.

Resümee: Die Reise nach East Sussex hat sich nach 18 Jahren Absenz wieder einmal gelohnt. 1996 waren wir das erste Mal dort, zu Strauss‘ „Arabella“ mit Adrienne Pieczonka und Wolfgang Brendel. Jetzt lockte uns wiederum eine Strauss-Oper dort hin, verbunden mit dem Interesse an jungen Stimmen (Erraught, Gheorghiu). 

Dorothea Zweipfennig, München

 

 Luftbild © freeflightbrighton.co.uk    

*) Wir warten noch auf ein aktuelles Foto

 

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