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WIEN / Kunsthistorisches Museum:
SAMMELLUST
Die Galerie Erzherzog Leopold Wilhelms
Intermezzo 06
Vom 17. Juni 2014 bis zum 28. September 2014
Ein „Gründervater“ des Hauses
Als Erzherzog Leopold Wilhelm vor 400 Jahren, am 16. Jänner 1614, in Graz geboren wurde, war er der vierte Sohn und das siebente Kind von Kaiser Ferdinand III. und seiner Gattin Maria Anna von Bayern. Seine Chancen, innerhalb der Familie eine Rolle zu spielen, waren äußerst gering – obwohl er es im Rahmen seiner kirchlichen Karriere zu mehreren Bischofsämtern brachte und im Dreißigjährigen Krieg kurzfristig als kaiserlicher Feldherr wirkte. Dennoch ist er einer der „Gründerväter“ des Kunsthistorischen Museums – keiner sammelte Kunst wie er. Mehr als 2000 Werke des Hauses gehen auf ihn zurück. Grund genug, ihm eine Ausstellung zu widmen.
Von Heiner Wesemann
David Teniers d. J.: Erzherzog Leopold Wilhelm, um 1652
Erzherzog Leopold Wilhelm Religion spielte für ihn vor allem eine Rolle, wenn er Gemälde religiösen Inhalts oder kirchliche Devotionalien erwarb: Dennoch war für Leopold Wilhelm wie für viele „jüngere“ Söhne des Hauses Habsburg die Laufbahn innerhalb der katholischen Kirche vorgesehen. Erste Bischofsämter in Passau und Straßburg gab man schon dem Elfjährigen, kurz vor seinem Tod wurde er noch Bischof von Breslau. Die geistlichen Weihen empfing er nie – falls man ihn doch noch für die Nachfolge gebraucht hätte. Doch er war ein loyaler Diener seines Vaters, seines Bruders und sorgte am Ende noch dafür, dass niemand seinem minderjährigen Neffen Leopold I. die Krone streitig machte. Der Ehrgeiz von Leopold Wilhelm richtete sich auch nicht auf militärische Ehren, und an seine Zeit als Feldherr im Dreißigjährigen Krieg dachte er später ungern zurück. Er fand seine Aufgabe, als der spanische Vetter, der Habsburger Philipp IV., ihn 1646 mit der Verwaltung der Spanischen Niederlande beauftragte.
Tizian: Kirschenmadonna, um 1516/18
Umschlagplatz Niederlande Als Verwalter hatte es Erzherzog Leopold Wilhelm (dem die Spanier immer über die Schulter schauten) in den Niederlanden schwer, in seiner Eigenschaft als Kunstfreund fand er sich nicht nur in seinem Regierungssitz in Brüssel, sondern vor allem in Antwerpen und in Lille, wie im Paradies. Dort florierte der Kunstmarkt, hier gab es Neues, das ununterbrochen erzeugt wurde, und Altes zu erwerben. Tatsächlich wurde auch das Unglück der Anderen zum Glück des Sammlers: Wilde Zeiten in England, Cromwell ließ den König und Adelige köpfen, deren Familien verkauften deren Kunstsammlungen über die Niederlande, Leopold Wilhelm schlug zu. Dabei übernahm er sich finanziell, aber wann hätte das einen Sammler je gestört? Tatsächlich musste er angesichts seiner Schulden befürchten, dass man ihn nicht aus den Niederlanden würde ausreisen lassen… Denn er liebte alles – italienische und niederländische Gemälde, Tapisserien, antike Büsten, Kunstkammerstücke.
Peter Paul Rubens: Beweinung Christi, 1614 datiert
Die Ausbeute Als Leopold Wilhelm 1656 nach neunjähriger Abwesenheit nach Wien zurückging, fand er in den oberen Stockwerken der Stallburg Raum für seine mitgebrachten Schätze. Die Katalogisierung ergab 1397 Gemälde, 343 Zeichnungen, 543 Skulpturen, Kleinplastiken, Kunstkammerstücke. Unter den Gemälden befinden sich Glanzstücke des heutigen Kunsthistorischen Museums, etwa das „Laura“-Bildnis von Giorgione oder der „Jacopo Strada“ des Tizian, ebenso dessen „Kirschenmadonna“ oder die „Beweinung Christi“ von Rubens. 70 der heute in der Kunstkammer befindlichen Stücke gehen nachweislich auf Leopold Wilhelm zurück. Manche der von ihm erworbenen Werke, die lange Zeit in Habsburgischem Familienbesitz blieben, sind dennoch nicht mehr in Wien, waren sie doch zur Ausschmückung von Schlössern nach Böhmen und Ungarn geschickt worden und sind nicht mehr zurückgekehrt. Auch Napoleon hat sich großzügig bedient. Außerdem war es damals noch üblich, manche Werke gegen Objekte aus anderen Sammlungen einzutauschen.
David Teniers d. J.: Erzherzog Leopold Wilhelm in seiner Galerie in Brüssel, um 1650
Der stolze Sammler Ein Mann des 17. Jahrhundert (Leopold Wilhelm starb 1662 erst 48jährig in Wien) stellte sein Licht nicht unter den Scheffel. Der Erzherzog wurde so oft gemalt und bildlich dargestellt wie kaum ein Habsburger, und das ging zweifellos auf eigene Initiative zurück. Das berühmteste Bild, das von ihm existiert, wurde von seinem Hofmaler David Teniers geschaffen und zeigt den Erzherzog inmitten seiner Galerie in Brüssel. (Es ist nur eines von den damals berühmten „Galerie-Bildern“, wo Sammler sich innerhalb ihrer Werke präsentierten.) Tatsächlich kann man viele der fünfstöckig (!) gehängten Gemälde heute noch identifizieren, obwohl Teniers einfach aus Platzgründen an der originalen Größe der Werke herumgetrickst hat.
Die Ausstellung Die Ausstellung, die das Kunsthistorische Museum nun dem hoch geschätzten Erzherzog Wilhelm widmet (für Direktorin Sabine Haag war es eine Herzensangelegenheit, ihn zu seinem 400. Geburtstag zu würdigen), versucht nun in etwa das Teniers-Bild andeutungsweise nachzustellen – Bild für Bild, übereinander, eng aneinander an der Wand, was nicht mehr existiert, als „Schatten“ hingehaucht. Andere Werke aus seinem Besitz, die nach wie vor im ganzen Haus verstreut sind, werden gekennzeichnet. Im zentralen Ausstellungsraum findet man eine hochelegante Auswahl von Gemälden (darunter er selbst in ganzer Gestalt, auch als Büste), Plastiken, eine Tapisserie, zwei edle Bücher, Münzen und Medaillen sowie exquisite Kunstkammerstücken, nicht zu viel und nicht zu wenig, um einen Eindruck zu vermitteln, was dieser ganz besondere Mann der Familie Habsburg zusammen getragen hat.
Bis 28. September 2014, täglich 10 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr
Katalog