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KÖLN: LES ENFANTS TERRIBLES von Philip Glass Premiere

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KÖLN: LES ENFANTS TERRIBLES von Philip Glass              Premiere am 25.Juni 2014

 Kürzlich wurde von Düsseldorf/Duisburg, Dortmund und Bonn die Einrichtung „Junge Opern Rhein-Ruhr“ initiiert und mit einer Uraufführung gestartet. Auch für die nächste Spielzeit ist ein Auftragswerk vorgesehen. Vermutlich wendet sich Jörn Arneckes „Ronja Räubertochter“ nach Astrid Lindgren an Zuschauer vor allem so um die 10 Jahre. Auf gleiche Weise ist über ein Jahrzehnt lang die Kölner Kinderoper verfahren, Schrittmacher auf der Erweiterung des Opernrepertoires für adoleszentes Publikum. Bevor im Rahmen der Komplettsanierung der Theatergebäude am Offenbach-Platz auch neue (unterirdische) Räumlichkeiten für die Kinderoper geschaffen werden, welche über die Möglichkeiten im derzeit benutzten südstädtischen „Alten Pfandhaus“ fraglos hinausgehen, ist man für die aktuelle Produktion von Philip Glass‘ „Les enfants terribles“ in die Studiobühne gezogen, einst Mensa der Universität, aber schon seit langem Produktionsstätte von engagiertem Sprechtheater. Die Glass-Oper wird für Jugendliche ab 15 Jahren empfohlen, vielleicht etwas gewagt. Immerhin geht es um die inzestuöse Liebe zwischen den Geschwistern Elisabeth und Paul. Aber gut, es gibt ja auch Wagners „Walküre“.

 Die Story basiert auf einer Erzählung von Jean Cocteau, mit welcher der Komponist einen Zyklus 1996 abrundete (nach „Orphée 1991 und „La Belle et la Bête“ 1994). Wie der Originaltext ist auch das Libretto von Susan Marshall in französischer Sprache verfasst. Sinnvollerweise werden bei der Kölner Aufführung Übertitel geboten. Wäre eine Eindeutschung des Textes vorstellbar?

 „Les enfants terribles“ ist als „Tanzoper“ konzipiert und wurde so von Susan Marshall (sie arbeitet auch als Choreografin) zur Premiere gebracht. Die Konzeption dieser Arbeit ist seltsamerweise nicht schriftlich überliefert, wie im Zusammenhang mit einer Hamburger Inszenierung 2011 am Forum der Universität zu lesen war. Die Regisseurin Kerstin Steeb stellte den Sängerinterpreten von Elisabeth/Paul ein Tanzpaar gegenüber, um den Eindruck einer „Gegenwelt“ zu verstärken. Auch wer diese Arbeit nicht kennt und jetzt nur die Kölner Aufführung sah, dürfte für eine choreografisch geprägte Deutung gewisse Zweifel anmelden. ANNA HORN zielt lieber auf intensives Kammerspiel mit expressiver Körpersprache. Das gelingt umso überzeugender, als mit der Australierin ERIKA SIMONS und dem Brasilianer MARCELO DE SOUZA FELIX (Mitglieder des Opernstudios) Rollenvertreter zur Verfügung stehen, wie sie idealer nicht zu denken sind. Gesanglich ausgezeichnet, schauspielerisch Klasse und von enormer erotischer Körperausstrahlung.

Die Rollen sind fraglos äußerst dankbar, äußerst schwer sind andererseits aber auch die Gefühle zweier junger Menschen zu vermitteln, die sich mit Träumen und zerrissenen Gedanken von ihrer Umwelt abnabeln, um nach eigenen, leicht abstrusen Regeln zu leben und zu lieben. Ein Freund (Gérard) wird in ihr emotionales Schwanken ebenso hineingezogen wie später auch die reifere Agathe, die sich in Paul verliebt wie er in sie. Elisabeth, die eine kurze Ehe hinter sich gebracht hat, hintertreibt diese Leidenschaft mit Lügen. Paul stirbt zum Schluss an Gift, sie selber erschießt sich.

 Anfangs ist die Bühne von LENA THELEN, ein Zimmerinterieur, mit weißen Tüchern bedeckt, Unschuld scheint über der Szene zu liegen. Der entblößte Raum wird dann immer stärker zu einer morbiden Rumpelkammer, was die Kostüme THOMAS RODEBUTHs unterstreichen. Anna Horn, bietet spannendes, konzentriertes, kribbeln machendes, teilweise wirklich bestürzendes Theater. Etwas plakativ eingesetzt wirkt allerdings der Schauspieler RENATO SCHUCH als retrospektiver Erzähler (= Gérard). Die vielen, oft sehr zappeligen Projektionen mit Darstellern der jugendlichen Schauspielergruppe „Rheinische Rebellen“ bieten keine vertiefenden Aussagen. Neben Erika Simons und Marcelo de Souza Felix singen und agieren überzeugend LUCAS VANZELLI (Gérard), auch er Brasilianer, und vor allem ADRIANA BASTIDAS GAMBOA (Agathe), die wiederum aus Kolumbien stammt. Sie ist vom Opernstudio längst ins „große“ Ensemble gewechselt und besticht auch jetzt mit fülliger Mezzostimme und Bühnenpräsenz.

 Die minimal-typische Musik von Glass wirkt zwar nicht mehr ganz heutig, besetzt aber noch immer viele Klangreize, selbst wenn drei Pianisten (TONI GEIGER, DONGJUN KIM und CHRISTOPHER STÖBER sind auf der Szene verteilt) hinter der Wirkung eines Orchesters zurückbleiben müssen. RAINER MÜHLBACH koordiniert alle Interpreten sicher, mehr lässt sich über einen Dirigenten dieses Werkes kaum sagen. „Les enfants terribles“ kommt in Kürze übrigens auch an der Komischen Oper Berlin heraus (Premiere: 2.7.)

 Christoph Zimmermann

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