Saalansicht Foto: Wesemann
WIEN / Unteres Belvedere:
SILVER AGE
RUSSISCHE KUNST IN WIEN UM 1900
Vom 27. Juni bis zum 28. September 2014
Die Russen sind da
Präsident Putin kam nur zu einem umstrittenen Kurzbesuch, aber die Russen im Belvedere bleiben länger und sind unumstitten willkommen: Agnes Husslein-Arco hat eine Ausstellung zu bieten, die zwar retrospektiv, aber doch historisch ebenso interessant wie brisant ist. Obwohl sie an der Modernität gerade noch vorbeischrammt – das „Silver Age“ der russischen Kunst um 1900, das hier gezeigt wird, war eine Epoche uneingeschränkter Schönheit.
Von Heiner Wesemann
Secession 1901, 1908 Als die Wiener Secession 1901 rasch, rasch eine Ausstellung „skandinavischer“ Kunst mit einem eigenen Russland-Saal einschob, war das gewissermaßen eine Verlegenheitslösung, weil man mit der intendierten Beethoven-Ausstellung nicht fertig geworden war. Damals schon beeindruckten die russischen Zeitgenossen. Und noch viel mehr, als man ihnen 1908 eine eigene Ausstellung widmete, die größte „ausländische“ in der jungen Secession. Man fühlte sich allerdings mit den russischen Kollegen eng verbunden und verwandt, ihr Symbolismus hatte mit dem Jugendstil österreichischer Prägung vieles gemeinsam, er nährte sich überhaupt von der großen europäischen Kunst und in seinen Landschafts- und Genrebildern stark von den Franzosen.
Boris Kustodijew: Porträt seiner Ehefrau
Foto: Belvedere / Russisches Museum
Begeistert eingekauft Einige Werke wurden damals schon für die eben gegründete Moderne Galerie (deren Besitztümer sich heute im Belvedere befinden) erworben. Etwa das Familienbild von Boris M. Kustodijew, das wie eine klassische Tschechow-Szene wirkt – eine Familie am Balkon, quasi ein Monat auf dem Lande… Von Kustodijew ist auch jenes wunderschöne Porträt seiner Ehefrau, das man aus dem Russischen Museum entliehen hat und das auch den bemerkenswerten Katalog der Ausstellung ziert. Lassen hier noch die Impressionisten grüßen, so ist die „Sauna“ von Elena Luksch-Makowskaja (ebenfalls in Wiener Besitz) ein Werk, das sich gänzlich an der Formensprache der Secession orientiert. Es ist auch gelungen, für die Wiener Ausstellung jene Majolikafigur von Michail A. Wrubel zu finden, die in Gustav Klimts Atelier stand, den Gott der Liebe zeigt und in ihren dekorativen Elementen ganz eng an den Jugendstil anschließt.
Majolikafigur von Michail A. Wrubel aus dem Besitz von Gustav Klimt
Foto: Wesemann
Von beiden Seiten betrachtet Während die Russische Avantgarde heute eine weltweit bekannte und beachtete Kunstströmung ist, sind die Russen der „Silver Age“-Epoche eher vergessen, man kennt die damals formierten Gruppen wie „Welt der Kunst“ (Mir Iskusstwa) oder „Blaue Rose“ (Golubaja Roza) im Ausland kaum mehr. Hier hat Gastkurator Konstantin Akinsha gewirkt, während das Belvedere mit Alfred Weidinger als Kurator nicht nur einen Klimt-Spezialisten beigesteuert hat, sondern auch für die Aufnahme paralleler Österreicher (Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, Emil Orlik, Ludwig Heinrich Jungnickel oder des Deutschen Wenzel Hablik) in das Programm der Ausstellung sorgte. Sie fügen sich zu den großen russischen Namen von damals wie Michail A. Wrubel, Konstantin A. Korowin, Nicholas K. Roerich oder Konstantin A. Somow, um nur wenige zu nennen. Von Korowin stammt ein fast zehn Meter breites Riesengemälde der russischen Taiga, das den ersten Ausstellungssaal beherrscht.
Kostümentwürfe von Léon S. Bakst Fotos: Belvedere
Schwerpunkt „Ballets Russes“ Wenn sich russische Künstler der eigenen teils „märchenhaften“ Geschichte und ihrer Folklore besannen, so fand dies in Ausstattungen für das „Ballets Russes“ von Sergei Djagilew besonderen Ausdruck (wobei deren Haupttänzer Vaslav Nijinsky eine besondere „Wiener Geschichte“ hatte und hier auch 1920 ein halbes Jahr lang im Nervensanatorium Steinhof verbrachte – später brach seine Geisteskrankheit voll aus). Vor allem Léon S. Bakst, seinerseits Mitglied der „Welt der Kunst“-Gruppe, schuf hier Bedeutendes, das seinen Namen in der Theater- und Ballettgeschichte verankert hat: seine „Exotica“, teils als Entwürfe, teils auch als ganze Kostüme (auf Puppen) zu sehen, spiegeln den außerordentlichen optischen Reiz wider, der – neben den Choreographien und der Großartigkeit der Tänzer – zweifellos nicht unbedeutend zur Wirkung dieser Stücke beigetragen haben. Legenden bis heute, im Belvedere gewissermaßen sinnlich erfahrbar.
Foto: Belvedere
Historischer Hintergrund Nicht nur schöne Bilder, auch harte Realität gibt es zu sehen, und sei es nur mit Hilfe einer „Datenwand“, die sehr geschickt aufgemacht ist, und russischen Propagandaplakaten, die den Klassenkampf teils witzig, teils brutal vertraten.
Foto: Wesemann
Unteres Belvedere: Siver Age.
Bis 28. September 2014, täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 21 Uhr