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STUTTGART/ Ballett: MARIA EICHWALD UND FILIP BARANKIEWICZ- zwei schwerwiegende Abschiede

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Stuttgarter Ballett MARIA EICHWALD + FILIP BARANKIEWICZ –

Zwei schwerwiegende Abschiede (13. und 19.7.2014

 Nach dem Wechsel Evan McKies zum National Ballet of Canada hat die Stuttgarter Compagnie nun innerhalb einer Saison zwei weitere Verluste Erster Solisten zu verkraften.

Der Abschied von Maria Eichwald  und  Filip Barankiewicz bedeutet darüber hinaus eine Zäsur im Ensemble, das ebenso wie das Publikum diese beiden Künstler trotz allen hoffnungsvollen Nachwuchses vermissen wird.

 Maria Eichwald GISELLE 13.7.14_DSC3458

Schlußvorhang für Maria Eichwald (als Giselle am 13.7.) Copyright: Roman Novitzky

 Maria Eichwald war nach einigen Jahren beim Bayerischen Staatsballett 2004 nach Stuttgart gewechselt, um wie viele Tänzer um die 30 Jahre noch einmal neue Erfahrungen zu sammeln und an ihren bereits in München einstudierten Cranko-Partien weiter  zu arbeiten. Insofern bildete sie eine Ausnahme in der Personalpolitik Reid Andersons, als er zur Identitätswahrung sonst auf eigens aus der Cranko-Schule aufgebauten Nachwuchs setzt. Doch die in Kasachstan geborene Erste Solistin konnten die Stuttgarter dringend gebrauchen, weil sie mit ihrer ausgefeilten Spitzentechnik und klassischen Reinheit eine Lücke im damals bei den Damen nicht so gut aufgestellten Ensemble ausfüllte. Somit bedeuteten Eichwalds Auftritte ganz besondere Höhepunkte an spielerisch leicht beherrschter Balance, sei es als Dornröschen, wo sie im langen einbeinigen Spitzenstand des Rosen-Adagio-Finales trotz höchster Konzentration noch für alle vier um sie werbenden Prinzen ein Lächeln übrig hatte, als anmutige Odette und stolze Odile, als schwebende „Sylphide“ oder als Giselle, mit der sie vor 10 Jahren ihren offiziellen Stuttgarter Einstand feierte und nun auch am 13. Juli mit einer beseelten Gestaltung den Stuttgartern Lebewohl sagte. Außerdem beeindruckte sie mit ihren in sich ruhenden, durchdachten Interpretationen der Neumeier’schen „Kameliendame“, der Katharina in „Der Widerspenstigen Zähmung“ oder der Tatjana in „Onegin“. Ihre Lust auf Modernes stillte sie mit bemerkenswert psychologischen Studien der Lulu, Blanche in „Endstation Sehnsucht“ und Olympia in „Der Sandmann“. Abgerundet wurde ihr Repertoire durch bestechend präzis zur Wirkung gebrachte abstraktere neoklassische Ballette und jüngst sogar durch die Uraufführung eines Nachwuchs-Choreographen. Größter Respekt gilt ihrer Willenskraft und ihrem Durchhalte-Vermögen, die sie im schon fortgeschrittenen Ballerinen-Alter über eine mehr als 2jährige Verletzungspause bewahrt hat und ihren Rollen-Verkörperungen dadurch seither eine zusätzliche Dimension an Tiefe und Menschlichkeit hinzugewonnen hat.

Sie wird weiterhin tanzen, aber nur noch Projekte, wo sie sich nach ausgiebiger Vorbereitung auf eine Partie nach der anderen konzentrieren kann, ua. demnächst an der Mailänder Scala. Außerdem lässt ihre choreologische Ausbildung darauf hoffen, dass sie vielleicht eines Tages in die Position der im Prinzip unersetzbaren Kapazität von Georgette Tsinguirides rücken und damit doch wieder in Stuttgart sesshaft werden wird.

Filip Barankiewicz ROMEO 19.07.14_DSC3656
Schlußvorhang für Filip Barankiewicz (als Romeo am 19.7.). Copyright: Roman Novitzky

 Filip Barankiewicz verkörpert mit seiner 18jährigen Zugehörigkeit zum Stuttgarter Ballett quasi die gesamte noch andauernde Aera Reid Andersons, ist er doch 1996 in das durch viel Verjüngung wesentlich neu aufgebaute Ensemble gekommen und hatte sich nach einigen Jahren im Corps de ballet, ausgelöst durch in höchstem Maße einschlagend erfolgreiche Debuts als Colas in „La fille mal gardée“ und Basilio“ in „Don Quijote“, in Einjahres-Schritten zum Ersten Solisten hoch gearbeitet. Die Kombination einer exorbitanten, die nicht allzu große Stuttgarter Bühne manchmal sprengenden Sprungtechnik mit Herz und sonniger Ausstrahlung machte ihn schnell zu einem Publikums-Favoriten. Mit dem Petrucchio in „Der Widerspenstigen Zähmung“ eroberte sich der als Sohn eines Tänzers in Warschau geborene Barankiewicz eine Partie, in der er seither als Ideal-Inkarnation die führende Position unter dessen Interpreten einnahm und damit auch weltweit gastierte. Überhaupt waren es die großen klassischen Rollen des fast gesamten Stuttgarter Repertoires wie auch Charakterpartien ernster und komischer Natur, die er mit seiner verblüffenden Technik schnell,  viel Einfühlsamkeit und Charme ausfüllte und von Mal zu Mal reifen ließ. Keiner drehte so schnell, gleichmäßig und akkurat wie er, bei keinem wirkten die doppelten und dreifachen Tours en l’air so leicht. Nach einigen Uraufführungen in den ersten Jahren sind neue Stücke in letzter Zeit weitgehend an ihm vorbei gegangen, eine Ausnahme blieb der erst zu Beginn dieses Jahres einstudierte Meister in Demis Volpis „Krabat“. Zweifellos erfüllte er mit seinem auffallend ausgeprägt schönen Profil und seinem schlanken drahtigen Körper auch handlungslose Kreationen von van Manen, Kylian, Elo, Bigonzetti, Robbins usw.

Als Coach hat er bereits viel im Ballettsaal mit jungen Kollegen gearbeitet und ihnen wertvolle Hilfe bei der Einstudierung der großen Partien gegeben sowie ein Stück weit auch den Stuttgarter Geist vermittelt. Weil ihm für diese künftige Tätigkeit, die er der Sicherheit eines Angebotes als Pädagoge in der Cranko-Schule vorzog, viel Freiraum auch für diesbezügliche Gast-Tätigkeiten bei anderen Compagnien (Warschau, Prag, demnächst wieder Helsinki und dann auf Einladung von Sue Jin Kang beim National Ballett Korea)) gewährt wurde, war er in der zu Ende gehenden/gegangenen Saison nur noch wenige Male auf der Bühne zu erleben. Als Romeo verabschiedete er sich am 19. Juli mit einem Ballett, in dem er bereits als Mercutio und anfangs auch noch als äußerst präsenter Benvolio aufgetreten war, die Tanzschuhe wird er aber nicht an den Nagel hängen. Zwischen der Coach-Tätigkeit möchte er sich fit für weitere Gast-Auftritte als Tänzer halten, denn bereits im Herbst ist er als Petrucchio in der Karlsruher Premiere der Cranko-Choreographie vorgesehen.

 Beide auch international gefragte und bei vielen bedeutenden Galas vertretene Künstler wurden nach ihren letzten Abenden mit stehenden Ovationen und vielen Blumen von dies- und jenseits der Bühne entsprechend geehrt. Durch ihre herausragenden Leistungen und ihre einprägsame Persönlichkeit ist ihnen der Eingang in die Geschichte des Stuttgarter Balletts sicher.

                                                                                                                      Udo Klebes

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