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SALZBURG: IL TROVATORE

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Salzburger Festspiele: “IL TROVATORE” – 12.8. 2014

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Anna Netrebko. Foto: SalzburgerFestspiele/ Forster

Der durchlöcherte “Trovatore“mit den wandernden Bildern und zwei grandiosen Sängern

Es gibt kein Lob, das für Anna Netrebko als Leonora ausreicht. Dass diese Künstlerin vor nicht allzu langer Zeit noch Norina und Adina gesungen hat, ist kaum fassbar. Das ist doch eine fabelhafte Verdi-Stimme! Die erste Voraussetzung: der unsägliche Wohlklang, rund und weich, mit neuerdings unglaublich voluminöser, satter Tiefe und Mittellage und dazu eine derart aufleuchtende Höhe von becircender Strahlkraft, alles in Kantilenen eingebettet, die auch im höchsten Affekt nicht verlassen warden. Sie spielt ein Vollblutweib von noblem Äußerem und ebensolchen Gehaben, sie liebt ihren Manrico mit Überzeugung und Leidenschaft, gedenkt in berührender Verklärung seiner, nachdem sie ihn tot wähnt, lässt euch spüren, dass Graf Luna ihr leid tut, weil sie ihn nicht erhören kann, steigert sich koloraturfreudig-hochdramatisch in die Selbstaufgabe durch  Gifteinnahme hinein, lässt sich tatsächlich von Luna noch küssen, als er ihr Manricos Freigabe gewährt hat, und singt sich in ihren Liebestod hinein mit einer Stimmschönheit in Form endlos scheinender piano-Phrasen von betörender Innigkeit und unheimlicher Tragfähigkeit – rundum eine packende Rollengestaltung, wie man sich nur noch möglichst viele weitere im großen italienischen Fach wünschen kann.

Plácido Domingo, der stimmlich wohl betörendste und sensibelste Manrico des letzten halben Jahrhunderts, ist nun ein ebenso aufregender Conte di Luna. Conte, ja, unübersehbar, nobel in Erscheinung und Gestus. Aber innerlich glüht er. Das hört man vom ersten Ton an. “L’amorosa fiamma m’arde ogni fibra”- kein Zweifel. Er ist nie der Böse, sondern nur verzweifelt, weil er dieses Prachtweib von Leonora nicht erobern kann. Da ist eine unheimliche Kraft zu spüren unf zu hören – Liebes- und Leidenskraft. Anhörens von des Sängers bassbaritonaler Tiefendimension musste ich erst dreimal hinschauen, ob das wirklich Domingo sei. Aber er war es. Sein Stimmvolumen verblüffte den ganzen Abend. Keine Überraschung, aber wieder einmal ein Erlebnis, wie bei ihm gewohnt, die, wie er aus einer Opernfigur einen ganzen Menschen macht. Dabei spielt die Stimme, auch im Baritonfach, einfach mit. Sie strömt, sie attackiert, sie explodiert. Dass ein so feurig Liebender in Erwartung der Liebeserfüllung sich in “il balen del suo sorriso” in Form verführerischer piano-Phrasen verliert, ist ja ganz natürlich. Auch muss man gesehen haben, wie dieser Luna dieser Leonora gegenüber kniet und ihr tief in die Augen schaut, oder wie er der Sterbenden fest die eine Hand hält (und Manrico die andere) und wie nach ihrem Tod der Befehl, Manrico auf den Scheiterhaufen zu führen, ein hilfloser Verzweiflungsakt ist. Wenn Azucena ihm dann eröffnet, dass das sein Bruder war, kann er mit bebender Stimme nur noch sein “Quale orror!“ artikulieren und sich mit dem gruselerregenden Ausruf “E vivo ancor!” und geballten Fäusten gegen die Rückwand pressen und das schreckerfüllte Gesicht von einer Seite zur anderen drehen, als Suche er einen Ausweg aus diesem Dilemma. Grandios!

Aber Giuseppe Verdi hat mit dieser einer seiner größten Erfolgsopern nicht nur Angst Schrecken verbreiten wollen. “Il Trovatore” ist kein veristisches Musikdrama. Zündende melodische Einfälle charakterisieren ihn, federnde Rhythmen, packende Ensembles, wie die Szenenfolge das Ganze auf starken Kontrasten aufgebaut, sodass die Spannung nie abreißt – abreißen sollte. Doch was geschieht im Großen Salzburger Festspielhaus?  Daniele Gatti lässt die Musik knallen, tritt sie breit bis zum Geht-nicht-mehr, zerstört dem Grafen Luna seine schönste Kantilene, jagt den armen Manrico durch die Stretta, dass der nur mehr japsen kann, lässt jede der vielen von Verdi  so genial gesetzten Generalpausen zu Löchern werden, die das ganze Stück zerreißen. “Sei tu dal ciel disceso” – da ist für Leonora und danach fürs ganze anwesende Ensemble eine unheimlich spannende Atempause zu setzen, wenn der totgeglaubte Manrico plötzlich dasteht. Und nicht einmal Azucenas utopische Vostellungen “Ai nostri monti ritorneremo…” kann er so begleiten, dass die gequälte Seele sich darin geborgen fühlt.

Zwischen knallig und langweilig gab es wenige weitere Varianten. Und das immerhin mit den Wiener Philharmonikern im breiten Graben. Kein Wunder, dass es nach den einzelnen Szenen fast gar keinen und nach den großen Arien viel zu wenig Applaus gab. Die paar Bravo-Rufe, die der (nicht nur hier) fehlbesetzte Maestro am Schluss erhielt, verdankte er wohl Giuseppe Verdi. Der ist nicht so leicht umzubringen.

Jedenfalls hätten sich nicht nur die bereits erwähnten Starsänger eine bessere Begleitung verdient. Francesco Meli sang den Manrico mit kräftigem, hellem Tenor und viel Bemühen um die Lyrik, musste eine vom Dirigenten zu einem Geschwindmarsch ohne jegliche Spannung degradierte Stretta absolvieren und wurde auch in der Schlussszene zu Härten verurteilt, die ihr viel von ihrem menschlichen Reiz nahmen. Mit ihrer opulenten Tiefe und demensprechenden Nachdruck beeindruckte Marie Nicole Lemieux, weniger mit ihrem Vibrato in den höheren Lagen. Ein sehr seriöser, gut singender und deutlich artikulierender Ferrando war Riccardo Zanellato. Diana Haller als Leonoras mitfühlende Freundin Ines, Gerard Schneider als Ruiz und Bote sowie Raimunda Juzuitis als Alter Zigeuner waren erfreuliche Kleinrollenträger. Ernst Raffelsberger hatte die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor einstudiert, deren effektvolle Szenen durch die unsensible dirigentische Behandlung ebenfalls unter ihrem Wert geschlagen wurden.

Die in einer Bildergalerie mit verschiebbaren Kunstwerken stattfindende mittelalterliche Handlung war zumindest von ästhetischem Reiz und das Führungspersonal in moderner Kleidung, das sich immer wieder in die Personen hineinversetzt, von denen die Rede ist, und in deren Kleidung schlüpft, ist durchaus goutierbar. Regisseur und Bühnengestalter Alvis Hermanis hat sich in der Peronenführung wohl vor allem an die von seinen Darstellern mitgebrachten Fähigkeiten gehalten. Die Kostümbildnerin Eva Dessecker hat die Sänger vorteilhaft eingekleidet.

Die Frage bleibt offen. Warum dirigiert an so prominter Stelle statt Gatti nicht Marco Armiliato Verdi und Peter Schneider (Meistersinger 2013!) Wagner? Warum statt Eschenbach nicht Adam Fischer, Theodor Guschlbauer oder aus der jüngeren Generation Elisabeth Attl Mozart? Und ist Welser-Möst, der aus dem “Rosenkavalier” ein brillantes Symphoniekonzert statt einer köstlichen Musikkomödie gemacht hat, wirklich der Weisheit letzter Schluss…???

Es ist dort wie da beklagenswert, dass die Herren Intendanten Namen engagieren, die schon oft an ersten Häusern aufgezeichnet wurden, ohne zu erkunden, ob dahinter auch Qualität steckt.

Sieglinde Pfabigan

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