Image may be NSFW.
Clik here to view.
Foto: Agentur
Die Regisseurin Nadia Hristo präsentierte eine konservative, aber auch farbenprächtige und betont monumentale Inszenierung von Giuseppe Verdis Meisterwerk mit der fulminanten Venezia Festival Opera. So wurde die tragische Liebesgeschichte um die Sklavin Aida und den Feldherrn Radames durchaus lebendig. Riesige Pyramiden und Sphinxen schienen hier geheimnisvoll aus dem Boden gewachsen zu sein. Grüne Nillandschaften und prachtvolle historische Roben ergänzten sich stilvoll und opulent, verwöhnten das Auge. Die große Klarheit des kompositorischen Formwillens verband die Regisseurin dabei geschickt mit ihrem Inszenierungsstil, der trotz mancher Schwächen in der Personenführung beeindruckte. Inspiratorische und gestalterische Kräfte konnten sich im Bühnenbild von Rada Hadzhiyska durchsetzen, das aber insgesamt zu beengt zu sein schien. Die Gleichwertigkeit sämtlicher Teile dieser Oper betonte Nadia Hristo vor allem bei den Szenen großer Pracht- und Massenentfaltung. Diese Passagen steigerten sich dann im Laufe der Vorstellung noch ganz erheblich. Insbesondere die gewaltigen Auseinandersetzungen zwischen der von Elena Chavdarova-Isa mit voluminösem Mezzosopran dargestellten Prinzessin Amneris und der von Elena Baramova mit nicht minder strahlendem, leuchtkräftigem Sopran-Timbre verkörperten äthiopischen Sklavin Aida kamen beim Publikum bestens an.
Image may be NSFW.
Clik here to view.
Foto: Agentur
Die leitthematische Funktion des Aidamotivs oder des Charaktermotivs von Amneris arbeitete der umsichtige Dirigent Nayden Todorov mit Chor und Orchester der Venezia Festival Opera eindringlich heraus. Insbesondere die Einheit von Musik und Sprache stach so stark hervor. Kantabilität und Parlando-Zauber kamen dabei nicht zu kurz. Sehr gut getroffen wurden bei dieser gefeierten Aufführung aber auch die musikalischen Landschaftsbilder der Nilszene und das typisch ägyptische Kolorit, das vor allem der sorgfältig einstudierte Chor überzeugend erfasste. Das Gewaltige und Überdimensionale von Giuseppe Verdis Oper trat so beeindruckend hervor – eine Nähe zu Richard Wagner war hier nicht zu verleugnen. So gefiel diese Oper vor allem auch als Gesamtkunstwerk. Stoyan Daskalov gestaltete den ägyptischen Feldherrn Radames zudem mit glasklaren, strahlkräftigen Spitzentönen, deren Intensität bis zur Sterbeszene mit Aida nie nachließ. Selbst bei der extrem schwierigen Eröffnungsarie “Celeste Aida” wirkte seine Stimme trotz einer kleinen Intonationstrübung nicht kurzatmig. Er besaß zwar nicht den Mut, das letzte hohe B leise ausklingen zu lassen – denn in Verdis Partitur steht hier ein zweifaches Piano und dann “morendo”. Doch Stoyan Daskalov übertrieb hier nicht wie andere Tenöre, die diese Arie nur “brüllen”, obwohl seine Stimme zuletzt fast kippte. Das war einer der großen Vorzüge dieser Aufführung. Die einzelnen Szenen gingen somit nahtlos ineinander über. Der Saal im Gemach der Amneris, das Geschehen vor der Stadt Theben und die Szene am Ufer des Nils gefielen aufgrund der stimmungsvollen Darstellung. Eine Steigerung brachte dann die aufwühlende Szene im Königspalast, als Amneris bekannte, dass sie Radames noch immer liebt. Im Inneren des Vulkantempels erwartete Radames gefasst den Tod. Der schwungvoll dargebotene Triumphmarsch mit den stechend klaren “Aida-Trompeten” riss alle noch einmal aus dem Schockzustand des kommenden Todes. Das ging unter die Haut. Auch die Todesmystik des Schlussduetts von Aida und Radames konnte sich sehr stark entfalten und erfuhr eine ergreifende dynamische Steigerung, für die die Sänger beim Schlussbeifall frenetischen Applaus erhielten. Paukenwirbel grollten wie Gewitterwolken. Der sich emporhebende dramatische Atem gewann heroische Züge, die die Zuhörer ungemein fesselten. Elena Baramova machte die emotionale Zwiespältigkeit der Aida aber nicht nur in ihrer Arie aus dem ersten Akt deutlich. Die Sehnsucht nach der Heimat kam auch bei der feinnervigen Arie des Nilaktes plastisch zur Geltung. Da gewann ihre von Natur aus schlanke Stimme Klangfarbenreichtum und Ausdruckskraft. Deklamation und Arioso gefielen ebenso bei den betont lyrischen Szenen.
Mit sonorem Bass agierte ferner Ivaylo Dzhurov als Oberpriester Ramphis, der den Tod des Liebespaares nicht verhindern konnte. Stark war Alexander Krunev (Bariton) als verzweifelter äthiopischer König Amonasro und Vater Aidas, der sie vergeblich umzustimmen versuchte. Ebenfalls markant gestalteten Ivailo Yovchev als Bote und Emiliya Dzhurova (Sopran) als erste Priesterin ihre Rollen. Die eruptive Zerrissenheit der Amneris beherrschte vor allem den zweiten und vierten Akt mit robuster Wucht. Das exotische Kolorit verzauberte die Zuhörer bei den kunstvollen Ballett-Einlagen am Hof. Vieles erinnerte an Meyerbeer und Wagner. Monumentalität und feinnervige Harmonik wurden von der unverwechselbaren melodischen Inspiration Verdis in fließenden Kantilenen ergänzt, die der einfühlsame Dirigent Nayden Todorov mit dem Ensemble oftmals packend herausarbeitete. Es stellt sich natürlich die Frage, ob ein solcher Inszenierungsstil der Eigenart Verdis im Hinblick auf unsere heutige Zeit wirklich gerecht wird. Viele psychologische Fragen blieben jedenfalls offen, manchmal störte auch allzu viel Rampensteherei. Aber das Orchester der Venezia Festival Opera präsentierte immer wieder einen auffallend robusten und manchmal sogar rohen Klang, der Verdis Intention bei der grausamen Gerichtsszene durchaus entgegenkam.
Für den dritten Akt wünschte sich Verdi allerdings totale Nacht – ein Wunsch, den man bei dieser Inszenierung auch noch stärker hätte zur Geltung bringen können. Das Orchester gewann vor allem bei der gemeinsamen Sterbeszene von Aida und Radames besonderes Profil. Der Dirigent Nayden Todorov arbeitete die Flageoletts und Pizzicati der Streicher nuancenreich heraus und ließ auch die Flöten mit klanglicher Schönheit führen. Leidenschaftlich wuchsen hierbei die Stimmungsbilder mit den handelnden Personen über sich selbst hinaus. Bleibt zu hoffen, dass auch für den Nachlass Verdis noch mehr getan werden kann. Von finanziellen und ideellen Zuwendungen wie bei den Wagner-Stiftungen kann die Internationale Giuseppe-Verdi-Stiftung jedenfalls nur träumen.