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BAD CANNSTATT/Orgelsommer/ Spätgotische Stadtkirche: HANS JÜRGEN KAISER – unerschöpflicher Einfallsreichtum

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Hans-Jürgen Kaiser in der spätgotischen Stadtkirche Bad Cannstatt am 7.9.2014

UNERSCHÖPFLICHER EINFALLSREICHTUM

Der Organist Hans-Jürgen Kaiser gastierte in der Stadtkirche beim Orgelsommer/BAD CANNSTATT Hans-Jürgen Kaiser war seit 1989 Organist am Hohen Dom zu Fulda und ist für seine besonderen Orgelimprovisationen bekannt. Davon konnte man sich auch beim letzten Konzert der Reihe “Sommer! 8 X Orgel” ausgiebig überzeugen. Gleich zu Beginn fesselte seine konzentrierte Wiedergabe des Präludiums in E-Dur von Vincent Lübeck, wobei die elementare Kraft und der unerschöpfliche harmonische Einfallsreichtum besonders hervorstachen. Immer neue Themen wurden aufgebaut und kunstvoll variiert – was Kaiser bei seiner Wiedergabe glanzvoll unterstrich. Kraftvolle Modulationen korrespondierten hier sehr reizvoll mit großem Klangfarbenreichtum. Auch Robert Schumanns Fugen Nr. 1 und Nr. 2 aus den Fugen über B-A-C-H op. 60 besaßen in der Interpretation Hans-Jürgen Kaisers besonderen Feinschliff. Kaiser versäumte es auch nicht, den romantischen Zauber dieser Komposition zu betonen. Das kontrapunktische Gerüst wurde jedenfalls facettenreich herausgearbeitet. Die rhythmische Verwandtschaft mit den Fugen Bachs und Händels konnte man dabei gut nachvollziehen. Hier besaß Kaisers Wiedergabe besondere Qualitäten. Dies galt auch für die sequenzenreiche Duchführung und die eindrucksvolle Vergrößerung des Themas. Sphärenhaft leicht und nie oberflächlich kam dann die Sonate für Orgel C-Dur BWV 529 von Johann Sebastian Bach daher, wobei Kaiser die thematischen Zusammenhänge plastisch betonte. Dabei beeindruckte insbesondere die Klarheit der linearen Stimmführung, die Transparenz des polyphonen Satzes sowie die Objektivierung der Affekte. Das Prinzip des Fliehens und Wiedersuchens selbständiger thematischer Stimmen erwies sich auch bei den Intervallveränderungen als besonders aufschlussreich. Umspielungen, Triller und Repetitionen gewannen eine immer größere Intensität und Deutlichkeit. So entstanden vollendete künstlerische Miniaturen. Kanonische Strukturen konnte man gut nachvollziehen.

Hochinteressant war dann die Improvisation über Psalm 69 von Hans-Jürgen Kaiser, wobei eine Sprechstimme in das harmonisch aufwühlende Geschehen eingewoben wurde: “Gott, hilf mir; denn das Wasser geht mir bis an die Seele…” Perlende Läufe, Kaskaden und eruptive akustische Ausbrüche wurden von filigranen Arabesken und gewaltigen Cluster-Ballungen ergänzt. Da gewann die Komposition Kaisers schon fast sinfonische Dimensionen. Einen abrupten Kontrast hierzu bildete die feingliedrig interpretierte Sonate D-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach, wobei zuweilen die Intimität zarter Stimmungsschilderung sogar noch subtiler hätte herausgearbeitet werden können. Die aufrührenden Leidenschaften des Sturm und Drangs kamen aber nicht zu kurz. Brillante Passagen machten sich bemerkbar, die geist- und temperamentsprühend waren. Auch heroische Aufschwünge gewannen Kontur. Zuletzt gefiel noch Hans-Jürgen Kaisers stürmisch-kraftvolle Wiedergabe der Variationen Allegro vivace aus Charles-Marie Widors Orgelsinfonie Nr. 5 in f-Moll op. 42,1. Die klassizistischen Akzente und thematischen Überschneidungen besaßen jedenfalls enorme impulsive Wirkungskraft. 1995 erhielt er eine Professur im Fach Orgelimprovisation an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz.  

Alexander Walther

 

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