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MECKLENBURG-VORPOMMERN: GREIFSWALD FEIERT CASPAR DAVID FRIEDRICH

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Mecklenburg-Vorpommern: Greifswald feiert Caspar David Friedrich, 08.09.2014

von Ursula Wiegand

 Mecklenburg-Vorpommern feiert in diesem Jahr die Romantik. Auf den ersten Blick wirkt das wie Eulen nach Athen tragen, besitzt man diese dort doch in Hülle und Fülle, sei es in traditionsreichen Städten, in Schlössern und Herrenhäusern oder an der Ostseeküste, wo Sonne, Wind und Wellen besondere Bilder formen und ihr eigenes Lied singen. 

 

Greifswald, Caspar-David-Friedrich-Denkmal, Claus Görtz, 2010
Greifswald, Caspar-David-Friedrich-Denkmal, Claus Görtz, 2010. Foto: Ursula Wiegand

Doch eines hat das gesamte Bundesland in diesem Jahr beflügelt: der 240. Geburtstag von Caspar David Friedrich, geboren am 5. September 1774 in der Hanse- und Universitätsstadt Greifswald.

Denn mehr als jeder andere vermittelt er in seinen Zeichnungen und Bildern das romantische Flair der deutschen (seinerzeit schwedischen) Ostseeregion. Mit einer Romantik-Woche vom 30. August bis 6. September hat sich Greifswald bei seinem berühmten Sohn bedankt.

Caspar David Friedrich, Holzschnitt von Christian Friedrich
Caspar David Friedrich, Holzschnitt von Christian Friedrich. Foto: Ursula Wiegand

Das Caspar-David-Friedrich-Zentrum in der Langen Straße, wo früher sein durch Brand zerstörtes Geburtshaus stand, feiert mit und hat in den frisch restaurierten Räumen das Familienkabinett mit der Ausstellung „Die Künstler in der Familie Friedrich“ eröffnet (noch bis 02.11.). Und die lässt staunen.

Friedrichs Geschwister und Nachkommen sowie die Verwandten seiner Frau waren fast alle handwerklich und künstlerisch begabt, wie ein Stammbaum im Wandbreite darlegt. Caspar Davids Bruder, der Tischler Christian Friedrich, hat ihn mit einem Holzschnitt, angefertigt nach seiner Zeichnung, porträtiert.

Caspar David Friedrichs Rügen-Zeichnungen
Caspar David Friedrichs Rügen-Zeichnungen. Foto: Ursula Wiegand

Außerdem sind in der Ausstellung Caspar Davids frühe Rügen-Impressionen zu sehen, die ihn bereits als Landschaftsmaler ausweisen. Dass aber Friedrich, das sechste von 10 Kindern, überhaupt freischaffender Künstler werden konnte, war dem Vater Adolph Gottlieb Friedrich (1730–1809) zu verdanken. Als Kerzenmacher und Seifensieder verdiente er offenbar gut genug, um die Ausbildung des Hochbegabten in Kopenhagen und Dresden zu finanzieren. Im Keller sind noch die originalen Gerätschaften zu sehen.

Greifswald, Markt, Motiv von Caspar David Friedrich
Greifswald, Markt, Motiv von Caspar David Friedrich. Foto: Ursula Wiegand

Erst als 43-Jähriger hat Caspar David, der in Dresden lebte und malte, die 25-jährige Christiane Caroline Bommer geheiratet. Mit ihr ist er nach Greifswald gereist, um sie seiner Familie vorzustellen und umgekehrt. Aus dem Haus Markt 10, in dem sein Bruder Heinrich wohnte, hat er die Seinen auf diesem Marktplatz gemalt.

Heutzutage ist dieses Haus eine Filiale der Sparkasse, und im ersten Stock hängen Caspars Davids bekannteste Bilder (als Kopien). Dort ist man freundlich und lässt mich drinnen von der Stelle fotografieren, wo einst Caspar David stand. Die Sicht auf den Dom St. Nikolai ist fast genau so wie vor rund 200 Jahren, doch anders als der Maler schaue ich nicht auf einen ruhigen Platz mit bildwirksam arrangierten Angehörigen, sondern auf den lebhaften Frischemarkt, der dort dreimal wöchentlich abgehalten wird. 

Greifswald, das Pommersche Landesmuseum
Greifswald, das Pommersche Landesmuseum. Foto: Ursula Wiegand

Caspar David Friedrichs weltbekanntes Aquarell gehört zu den Schätzen des Pommerschen Landesmuseums, einem strahlend weißen klassizistischen Bau, errichtet auf dem Grund eines ehemaligen, um 1250 gegründeten Franziskanerklosters.

Im Zuge der Reformation übernahm die Stadt die Klostergebäude und erbaute 1795 auf den Fundamenten der Klosterkirche die Stadtschule, nun umfunktioniert als Gemäldegalerie. Ein weiterer Gebäudeteil, das 1845 errichtete Graue Kloster, diente als Armen- und Altenheim.

Greifswald, Pommersches Landesmuseum, Verbindungsgang
Greifswald, Pommersches Landesmuseum, Verbindungsgang. Foto: Ursula Wiegand

Sunder-Plassmann Architekten, die hier von 1996-2005 tätig waren, haben die drei historischen Einzelbauten saniert und diese durch eine multifunktionale Museumsstraße, einen lichten Gang aus Glas und Stahl, miteinander verbunden, eine auch optisch überzeugende Lösung.

Caspar David Friedrich, Der Greifswalder Marktplatz, 1818
Caspar David Friedrich, Der Greifswalder Marktplatz, 1818. Foto: Ursula Wiegand

Zur Feier von Caspar David Friedrichs Geburtstag hat die Kunsthistorikerin Dr. Birte Frenssen das lichtempfindliche Original „Der Greifswalder Marktplatz“ aus dem Depot geholt und erklärt das „who is who“. Ersetzt wird es ansonsten durch eine sehr gute Kopie mit  ausführlichen Erläuterungen. Für Enttäuschung ist also kaum Anlass, besitzt das Museum doch sieben Ölgemälde, die weit mehr als das Aquarell Caspar Davids Faible für das Licht erkennen lassen.

Klosterruine Eldena von 1199
Klosterruine Eldena von 1199. Foto: Ursula Wiegand

Neben den Kreidefelsen auf der Insel Rügen hatte Caspar David auch ein Lieblingsmotiv in seiner Heimat: die Klosterruine Eldena nahe Greifswald. Immer wieder malte er sie in unterschiedlichem Umfeld und hat sie in den 1830er Jahren sogar ins Riesengebirge versetzt.

Caspar David Friedrich, Ruine Eldena im Riesengebirge, 1830-34
Caspar David Friedrich, Ruine Eldena im Riesengebirge, 1830-34

Selbstverständlich galt Caspar David Friedrichs Interesse auch dem gotischen Dom St. Nikolai, einem imposanten Backsteinbau aus dem 13. Jahrhundert, der seine Taufkirche war. An der damaligen Umgestaltung des Innenraums hat er mitgewirkt.

Blick auf Greifswald  mit St.-Marien-Kirche und Rathaus
Blick auf Greifswald mit St.-Marien-Kirche und Rathaus. Foto: Ursula Wiegand

Aber ist er jemals die 262 Turmstufen bis zur Aussichtsplattform hochgestiegen, um seine Geburtsstadt aus der Vogelperspektive zu betrachten? Wenn nicht, hat er etwas versäumt, denn der Blick von dort oben auf das leuchtend rote Rathaus aus dem 13. Jahrhundert mit den barockisierten Giebelseiten, auf den Marktplatz und die St.-Marien-Kirche bis zum Greifswalder Bodden ist echt malerisch. 

Greifswald, Dom St. Nikolai
Dom St. Nikolai. Foto: Ursula Wiegand

Drunten, vor dem Dom, wird man in Kürze 25 Jahre deutsche Wiedervereinigung begehen. Aber nicht am 9. November, dem Tag des Mauerfalls. „Wir feiern dieses Geschehen am 31. Oktober, waren doch die gewaltigen Oktober-Demonstrationen die Auslöser für das Ende der DDR-Diktatur. An diesem Tag werden wir ein Schwert zu Flugscharen umschmieden und hoffen, dass Veränderungen auch in anderen Ländern künftig friedlich vonstatten gehen,“ sagt Pfarrer Matthias Gürtler. Vermutlich ein frommer Wunsch.

Andere Wünsche lassen sich leichter erfüllen. Im nächsten Jahr gibt es, ähnlich wie in den Vorjahren, wieder „1 Tag mit Caspar David Friedrich“, kombiniert mit einem Stadtfest in Kostümen und einem historischen  Jahrmarkt. Das alles aber nicht am 5. September, Caspar Davids Geburtstag, sondern schon am 29. August 2015.

Generelle Infos unter www.auf-nach-mv.de und www.natuerlich-romantisch.de, zu Greifswald unter www.stadtmarketing-greifswald.de . Das Pommersche Landesmuseum ist von Dienstag bis Sonntag ab 10 Uhr geöffnet (www.pommersches-landesmuseum.de), das Caspar-David-Friedrich-Zentrum an den gleichen Tagen, aber ab 11 Uhr (www.caspar-david-friedrich-gesellschaft.de)

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