WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
SCHÖN SCHÖN SCHÖN von Franz Wittenbrink
Premiere: 11. September 2014
Besucht wurde die Generalprobe
„Ihre Schweißperlen sind die Abschiedtränen von Ihren Fettpolstern!“
Ja, so ist es wohl? Denn wenn man das nicht glaubte, wer würde all die Fitness-Trainings-Etablissements stürmen auf der Suche nach der verlorenen Jugend und der Straffheit von Haut und Muskeln?
Damit hat Franz Wittenbrink für einen seiner bekannten „Liederabende“ ein absolut aktuelles Thema gewählt, bei dem gelacht werden darf (denn die tragischen Aspekte spart man aus – oder lacht auch darüber). Musikstück auf Musikstück fügt sich fast zu einer Geschichte, mit ein paar wenigen Dialogpassagen. Daraus ergibt sich, dass Susi und ihr Strizzi-Bruder, der von den Damen angeschmachtete „Herr Ferdinand“, ein Fitness-Studio betreiben, mit allem, was dazu gehört – Übungen diverser Art (mit oder ohne Riesenball), Shakra-Meditation und vermutlich sehr intime Massagen, dargeboten vom umschwärmten Chef. Und alles ziemlich teuer, keine Frage. Private Zores tauchen auf, als eine versetzte Freundin aus Paris plötzlich da steht, außerdem gibt es einen Putzmann bzw. einen Vertreter der allerneuesten Mittelchen – und im übrigen die Stammgäste-Damen.
Und ungefähr eine gute halbe Stunde lang lässt sich das Schönheits-Drama, die Schönheits-Komödie bestens ausbreiten, wozu sich Wittenbrink zu teils bekannten Melodien von Peter Ahorner passend freche Texte schreiben ließ.
Dann allerdings gibt es offenbar keine Ideen mehr zum Thema, die Texte wenden sich den ewigen Beziehungsgeschichten zu, Männer wie Frauen gleich unzufrieden mit dem anderen Geschlecht. Da wird’s allzu banal, die Sache ist nur noch halb so lustig. Schade, dass sich zur anfänglich witzigen und sehr treffenden Veräppelung des Zeitgeistes nicht mehr finden ließ. So geht dem Abend von seinem furiosen Aufgangspunkt inhaltlich leider zu früh die Luft aus.
Immerhin, es gibt eine Karacho-Pointe vor dem Ende (wo dann ein Sarg auf die Bühne kommt – auch nicht unbedingt das, was hier passt, und das allgemeine Wohlgefühl eines lachenden Publikums will man ja nicht wirklich stören?). Aber jedenfalls taucht da jene Erfindung auf, die, gäbe es sie in der Realität, Milliarden machen würde (so wie das nicht existente Mittel gegen Glatze): eine Weste, die man anzieht und die ohne weitere Mühe die überflüssigen Kilo wegdampft… Das wäre etwas! Dazu jodelt Marika Lichter den Frühlingsstimmenwalzer mit geradezu orgiastischem Ergebnis, fühlt sich herrlich – und bricht tot zusammen. Da kann man nur noch rasch ein Finale darauf pfropfen… Und nach knappen eineinhalb Stunden ist alles zu Ende.
Dass man trotzdem zufrieden ist, liegt an der schlechtweg brillanten Besetzung, die die Josefstadt da für Wittenbrink, der auch inszeniert hat, aufbietet – jede der fünf Damen, jeder der beiden Herren ist nicht nur ein Schauspieler, der auch singt, sondern absolut perfekt im Entertainment-Business unterwegs.
Foto: Barbara Zeininger
Dazu ist jede, jeder ein köstlicher Typ für sich, und wenn man etwas bedauert, dann bloß, dass die herrlichen Damen Ruth Brauer-Kvam (die ist die klapperdürre, irre komische Susi, die den Laden schupft) und Sona MacDonald (auch so dürr, dass sie keine Fitness braucht, hier vor allem unglückliche Ehefrau) mit ihren Nummern fast zu kurz kommen. Isabel Weicken und Marika Lichter sind Variationen fülligerer, sinnlicher, urkomischer, souveräner Weiblichkeit, und Ann Mandrella mit französischem Zungenschlag steht keiner Kollegin nach.
Köstlich, wenn Martin Niedermair – ein Mann unter so vielen Frauen, das strengt an – außer einem fabelhaften Bariton noch überraschend köstliches Falsett hören lässt, und ebenso köstlich, wie Ljubiša Lupo Grujčić seinerseits männliche Klagen über Frauen loslässt, ja geradezu auf die Bühne verströmt.
Das alles ist so gut, dass es ruhig ein bisserl mehr hätte sein dürfen.
Renate Wagner