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WIEN / Belvedere: DEKADENZ

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WIEN / Unteres Belvedere: 
DEKADENZ. Positionen des österreichischen Symbolismus
Vom 21. Juni 2013 bis zum 13. Oktober 2013 

Richard Wagner als logischer Höhepunkt

Das Belvedere ist jenes Wiener Museum, in das die Touristen in Scharen kommen, um Klimts „Kuss“ zu sehen. Man kann die Epoche, die im allerweitesten Sinn rund um das „Fin de Siècle“ anzusetzen ist, unter vielen Aspekten betrachten. Im Unteren Belvedere wendet man sich nun dem österreichischen Symbolismus zu, der in alle Richtungen ausufert, von der Genialität bis zum Kratzen am Kitsch, und der sich unter den Augen der Betrachter geradezu opulent ergießt.

Von Heiner Wesemann

Mit Schwind begann’s?    Man kann die Anfänge des  Symbolismus schon in den Siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts feststellen, als die Ästhetik des Verfalls reizvoll wurde. Aber man findet in der Ausstellung etwa auch die „Schifferin“, die Moritz von Schwind 1851 malte. So wie sie da in ihrem Nachen steht, auf glitzerndem Wasser, unter dräuenden Wolken, scheint sie eine berufende Führerin in die Welt des Unbewussten, auch Magischen, die hier beschworen wird. Freud ging in die menschliche Seele, die Philosophen fragten nach dem Jenseits, die Kunst gab ihre Antworten. Das Belvedere hat diesmal nicht gespart, zu rund 40 eigenen Werken gibt es die doppelte Anzahl von Leihgaben. So fällt die Ausstellung sowohl in den Künstlernamen wie in den Gesichtspunkten reichlich aus.

Faszinosum Frau    Weibliche Nacktheit ist ein ewiges Thema der Kunst, sie irrlichtert hier in jeder Form herum – ob Eduard Veith die Damen des „Jungbrunnen“ in einer Mischung aus Historismus und Präraffaelismus hinzaubert, ob Bronica Koller-Pinell eine junge nackte Frau mit fragendem Blick vor den Betrachter setzt. Oder ob Klimts Judith, die mit laszivem Lächeln den Kopf des Holofernes hält, oder „die Sünde“ des Franz von Stuck die Femme fatale  mit der ihnen eigenen Dualität von Erotik und Gefahr verkörpern. Immerhin gibt die Ausstellung auch der Heiligen Elisabeth Raum (Wilhelm List legt sie aufs Totenbett) im Spannungsfeld zwischen Heiliger und Hure, auch Mutter und Kind (darunter in einer ganz ungewöhnlichen Schiele-Darstellung) sind zu finden, aber Symbolfigur des Unternehmens ist der „Rote Engel“, den Karl Mediz (oft vor allem als Gatte der bedeutenden Emilie Mediz-Pelikan erwähnt!) 1902 gemalt hat, gewählt worden: nackt unter schwarzem Haar, ein verführerischer schräger Blick aus einem grell geschminkten Auge (und doch hat das Gesicht männliche Züge), die Brüste haltend, unter breit gespannten roten Flügeln… besser kann man den Symbolismus und die Atmosphäre dieser Ausstellung kaum charakterisieren. Übrigens ist der virtuos in türkis-blau gehaltene „Engel am Brunnen“ von Mediz auf seine Art nicht weniger eindrucksvoll.

 

Große Namen, große Bilder    Wie immer in den Belvedere-Ausstellungen geht es Agnes Husslein-Arco (sie hat außerdem den exzentrisch-attraktiven Katalog, dem nur ein Künstlerverzeichnis fehlt, zusammen mit Alfred Weidinger gestaltet) um Bewusstseinserweiterung. Man ist zu leicht bereit, eine Epoche auf ihre Signal-Namen zu reduzieren, und man vergisst gerne auf jene, die in der zweiten Reihe der Beachtung stehen und doch bemerkenswerte Beiträge zur Symbolismus-Debatte lieferten, etwa Eduard Veith, Wilhelm Bernatzik oder Wilhelm List. Schwerpunkte der Ausstellung liegen bei Porträts, Landschaften (Giovanni Segantini umschlingt Menschen mit Natur), Absurdem (Alptraumhaftes von Kubin), Mythologischem (Max Klingers „Urteil des Paris“ zieht sich monumental über eine ganze Wand, der „Orpheus“ des Franz von Stuck ist geradezu „mondän“ – beide Werke beeindrucken auch mit ihren kunstvoll gestalteten Rahmen). Apropos monumental: „Die Seelen des Acheron“ von Adolf Hirémy-Hirschl wogen ganz gewaltig…Der Rausch der Körper, der sich entfaltet, bezieht sich auch auf zahlreiche Skulpturen (die allerdings nicht immer optimal beschriftet sind). Man hat ein sinnliches Fest des Schauens zelebriert.

Natürlich Wagner    Die Idee des „Gesamtkunstwerks“ ist damals durch viele Köpfe gegeistert (man denke an die Kunsthandwerks-Schiene des Jugendstils, die so wichtig genommen wurde wie die klassischen großen Künste der Malerei und Plastik), aber niemand hat sie in seiner Person dermaßen symbolisiert wie Richard Wagner, dem der letzte  Raum gewidmet ist. Es ist zwar nicht seine Musik, die leise durch die Räume rieselt (sondern von Robin Minard), aber zumindest sieht man wieder einmal Hans Makarts Todesverkündigung, eine strahlende Brünnhilde, die in sich alles zu vereinigen scheint, was Frauen an Edlem und Gefährlichem zuzuschreiben ist.

 

„Dekadenz – Positionen des österreichischen Symbolismus“
Bis 13. Oktober 2013. Unteres Belvedere,
Täglich 10–18 Uhr, Mittwoch 10–21 Uhr.
Katalog: Herausgegeben von Agnes Husslein-Arco & Alfred Weidinger, 312 Seiten

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