WIEN / Belvedere / Orangerie:
GIRONCOLI: CONTEXT
Andre | Bacon | Barney | Beuys | Bourgeois | Brus | Klauke | Nauman | Schwarzkogler | West
Vom 12. Juli 2013 bis zum 27. Oktober 2013
Gironcoli und die anderen
In der Orangerie im Unteren Belvedere ist – nicht zum ersten Mal – eine Mischung aus Skulptur und Performance eingezogen. Im Zentrum findet sich das Werk des österreichischen Bildhauers Bruno Gironcoli (1936-2010), aber er steht nicht allein, sondern bildet den Ausgangspunkt für eine Umschau der künstlerischen Positionen ihm verwandter Zeitgenossen. „Gironcoli: Context“ lautet solcherart der stimmige Titel der Schau. Dabei hat das Belvedere an großen Namen – sowohl österreichische wie internationale – nicht gespart. Von Beuys bis Bacon, von Brus bis Schwarzkogler kann man in der Orangerie und teils auch im Kammergarten (wo drei Monumental-Skulpturen von Gironcoli aufgestellt wurden, Paraphrasen zu Samuel Becketts „Murphy“) quasi durch die Topstars der Moderne wandern.
Von Heiner Wesemann
Bruno Gironcoli Gironcoli, geboren in Kärnten, studierte in Innsbruck und Wien, empfing in Paris starke Einflüsse durch das Werk von Alberto Giacometti und fand schon als Dreißigjähriger Beachtung durch seine Werke, die sich damals auch ungewöhnlicher Materialen bedienten. An der Bildhauerschule der Wiener Akademie wurde er Nachfolger Wotrubas. 2003 vertrat er Österreich bei der Biennale in Venedig, 2004 wurde ein ihm gewidmetes Museum in Schloß Herberstein eröffnet. Im Belvedere wendet man sich nun dem Frühwerk des Künstlers aus den sechziger und siebziger Jahren zu. Die Kuratoren konstatieren in seinem Werk die Konstanten „Verletzung – Folter“, „Angst – Sexualität“, „Ritual – Obsession“, „Fetisch – Geschlecht“, „Vater – Mutter – Kind“.
Körperpositionen Konfrontiert mit den Installationen, Gemälden, Fotos und Skulpturen von Zeitgenossen schreitet der Besucher durch die enigmatische Welt der modernen Kunst, die grundsätzlich mehr Rätsel aufzulösen gibt als glatte Antworten bereit hat. Besonders stark wirken dabei Werke, die sich mit dem Thema des menschlichen Körpers auseinandersetzen – etwa die „Arched Figure“ der einzigen Dame, die man beigezogen hat, Louise Bourgois, die einen sich wölbenden Körper – eine Studie der Hysterie – des Kopfes beraubt und damit geradezu archetypisch gemacht hat. Oder Francis Bacons „Study for Portrait of Henrietta Moraes“, ein Gemälde, in dem er die Dame (seine damalige Muse) innerhalb eines Stuhls geradezu in ihre Körperlichkeit zerfließen lässt… Zu diesem Thema leistet auch Jürgen Klauke Schmerzliches.
Mensch und Tier „zerlegt“ Ob Rudolf Schwarzkogler, mit dem sich Gironcoli im engen Austausch befand, ob Günter Brus – die Österreicher haben Menschen in Aktionen oder auch Fotoserien „zerlegt“. Erkennbarer werden die Tierfiguren, die sich in Bruce Naumans „Hanging Carousel“ drehen – die geschundene Kreatur, die in der gewählten Auswahl meist im Mittelpunkt der Betrachtung steht.
Die Abstraktion – spielerisch? Eines der eindrucksvollsten Ausstellungsstücke stammt von Gironcoli selbst – so groß wie ein Mensch, so „golden“, dass es an seine Goldschmiedzeit erinnert, so rätselhaft wie das meiste von ihm: Die „Figur, auf einem Punkt stehend“ (eine Leihgabe aus dem Grazer Joanneum) wird jeden Besucher zu anderen Assoziationen anregen. Dass „Mutter Vater“ zu einer riesigen Maschinerie wird, kann man nur mit Interesse betrachten. Ebenfalls nicht aufzuschlüssen: Die so genannten „Passstücke“ von Franz West, die keine reale Deutung vertragen. Und die „Europastäbe“ des Joseph Beuys…? Für Gironcoli immerhin ein starker Einfluss. „Reflexionsprozesse“ wollte Agnes Husslein-Arco anregen. Kein Zweifel, das gelingt.
Orangerie im Unteren Belvedere
Bis 27.Oktober 2013
Tägl. 10–18 Uhr, Mi. 10–21 Uhr.