Ab 3. Oktober 2014 in den österreichischen Kinos
HÜTER DER ERINNERUNG – THE GIVER
The Giver / USA / 2014
Regie: Phillip Noyce
Mit: Jeff Bridges, Meryl Streep, Brenton Thwaites, Katie Holmes, Alexander Skarsgard u.a.
Wie oft noch? Zukunftsvisionen gab es immer, Orwells „1984“ hat die „Big Brother Watches You“-Gesellschaft paradigmatisch aufgestellt. Es scheint, dass alles, was seither zu dem Thema produziert wurde, schwache Variationen oder Aufgüsse waren. Vor allem junge Menschen in totalitären Zukunftsgesellschaften, die von „bösen“ Erwachsenen eisern zusammen gehalten werden, wehren sich dann natürlich, ob in den „Tributen von Panem“, ob in „Divergent“, und jetzt wieder in „The Giver“, erneut auf einem Jugendroman, diesmal von Lois Lowry, basierend (der allerdings schon gut 20 Jahre alt ist). Fast dieselbe Geschichte wie immer.
Welch eine schöne neue Welt, allerdings in ödem Schwarz-Weiß vorgeführt: Alles ist perfekt, alles ist geregelt, keine Konflikte zu befürchten, der Einzelne muss sich um gar nichts kümmern, das Werkel funktioniert, wenn jeder nur tut, was man ihm sagt und jeden Morgen brav seine Glücksinjektion nimmt.
Eine „große Mutter“ (alias „Chief Elder“, meist als Hologramm erscheinend), diesmal von keiner Geringeren als Meryl Streep gespielt (die dann interessant wird, wenn sie in Frage gestellt wird und aus ihrer Rolle fällt), strömt großartige Milde über die Menschenwesen, die jeglicher Verantwortung, aber auch Entscheidung enthoben sind. Brave Eltern schicken brave Kinder zu kollektiven Versammlungen, wo ihnen ihr Schicksal (bzw. Nicht-Schicksal) zugewiesen wird…
Abgeschnitten von der einstigen menschlichen Vergangenheit „hält“ sich die Gesellschaft nur ein Mitglied, das aus welchen Gründen auch immer, in einer Bibliothek hausend, einstiges Wissen bewahren darf – aber bloß nicht weitergeben! Allerdings ist der derzeitige „Giver“, gespielt von einem entsprechend „abweichenden“ Jeff Bridges, nicht mehr der Jüngste. Man teilt ihm Jonas zu (der 25jährigen, farblosen Australier Brenton Thwaites), von dem man hofft, er werde als „Empfänger der Erinnerungen“ durch das, was er erfährt und letztlich auch erlebt, nicht verführt.
Mitnichten – natürlich tut sich für Jonas, der unter den weißen, trüben Gespenstern seiner Realität lebt, eine bunte, neue Welt auf, auch wenn Schmerz, Leid und Krieg (gibt es alles nicht mehr) ihn entsprechend verwirren. Aber es gehört, wie man weiß, zum echten Menschsein.
Was jetzt? Bekommt Jonas seine Altersgenossen dazu, sich gegen ihre perfekte Welt, in die sie sich so brav integriert haben, aufzulehnen und mit ihm zu fliehen? Mal sehen…Diese “Dystopia Serie” (Dystopia als die negative, dunkle Seite von Utopie) ist auf mehrere Buch-Bände angelegt. Gebe der Himmel (oder der Kassenrapport), dass einem hier die Fortsetzung erspart bleibt.
Erstaunlich nur, dass ein Regisseur wie Phillip Noyce, dem ruhige Filme wie „Der stille Amerikaner“ im Grunde ebenso spannend gelangen wie laute Filme („Salt“), hier so gar nichts zustande gebracht hat, was einen fesseln könnte.
Renate Wagner