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WIEN / Kammeroper: EUGEN ONEGIN

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Onegin Szene 
Foto: Barbara Zeininger

WIEN / Kammeroper des Theaters an der Wien :
EUGEN ONEGIN von Peter Iljitsch Tschaikowski
Premiere: 2. Oktober 2014 

Da hat das Theater an der Wien als erste Premiere im großen Haus Tschaikowskis „Zauberin“ präsentiert, ein wenig bekanntes Werk das Komponisten, was für ein Haus mit der  Konzeption, nicht den Mainstream zu bedienen, eine durchaus einsichtige Programmwahl war. Dass man nun in der Mini-Dependance, der Kammeroper, eine der in jeder Hinsicht ganz „großen“ Opern Tschaikowskis, nämlich den „Eugen Onegin“, in einer geschrumpften, eingedampften, Listeners’ Digest-Fassung bietet, ist eine Entscheidung, die sich den ganzen Abend lang nicht erschließt.

Eindreiviertel pausenlose Stunden werden angekündigt, also ungefähr die halbe Spielzeit des Originals, das Personal auf fünf Personen reduziert, die rund um einen Esstisch so tun, als spielten sie Szenen des Stücks. Soll eigentlich bewiesen werden, dass alles andere, was Tschaikowski über die Arien und Szenen dieser Figuren hinaus geschrieben hat, überflüssig ist? Dass man aus der konzentrierten Fassung eine Erkenntnis gewinnt, und sei es nur eine psychologische bezüglich der Figuren, erledigt sich durch die Besetzung: Denn die Sänger wären ja nicht alle Mitglieder des „Jungen Ensembles“ des Hauses, wenn sie schon mit besonderer darstellerischer und gesanglicher Erfahrung und Reife prunken könnten… Also warum?

Wenn man sich diesen Mini-Onegin schon einbildet, dann könnte man zugestehen, dass Regisseur Ted Huffman ein Konzept gefunden hat (wenn auch keinen Sinn dafür, was er tut). Da agieren sie also rund um einen Tisch (Ausstattung: Samal Blak, der die Damen in Empire-Kleider, die Herren entsprechend der Zeit kleidete – der Nostalgie-Effekt griff), und die Grundidee besteht in der Einführung einer zusätzlichen stummen Figur (schmal, geschmeidig, ältlich: Thomas Engel), der immer auf der Bühne sein muss. Er hat nicht nur Umbau-, sondern auch Anteilnahme-Verpflichtung, das heißt, er räumt Sessel hin und her,  zündet auch mal einen Leuchter an, muss beim „Ball“ mittanzen, darf ausgerechnet bei der Polonaise den Boden fegen (!), sprüht auch gelegentlich einmal Schnee (poetisch?), öffnet Türen für die Protagonisten und Fächer, um Tischtücher hin- und herzuschaffen, schaut stets sehr betroffen und berührt drein – und stört durch Dauerpräsenz doch.

Aber wobei stört er? Bei der durch und durch langweiligen Zusammenstoppelung der Gesangsszenen, zu denen man eben nur Tatjana und Olga, Onegin und Lenski braucht, Gremin darf schon vorher beim Ball und beim Duell assistierend dabei sein (weil sonst niemand da ist). Wäre dies eine der gekürzten Fassungen, die der ORF zu seiner Schande früher von Staatsopern-Aufzeichnungen geboten hat, dann ließe man sich dergleichen mit Netrebko und Co. gefallen. Hier geht es darum, fünf jungen Sängern fünf große Rollen zu ermöglichen. Wenn dies als Selbstzweck ausreicht, so sei es denn.

Der Amerikaner Tobias Greenhalgh steht als Onegin jung, bemüht, aber etwas unsicher herum, kompensiert dies jedoch mit seinem wirklich schönen Bariton. Das klingt nach Zukunft. Auch die Olga der Polin Natalia Kawalek-Plewniak lässt viel versprechendes Mezzo-Material hören.

Viktorija Bakan aus Litauen hat eine große, manchmal schön leuchtende, manchmal schrille Stimme zu bieten, was bedeutet, dass sie diese noch nicht immer bändigen kann. Noch schlimmer ist das bei dem an sich großen, schönen und metallischen Tenor des Weißrussen Vladimir Dmitruk und dem Baß des Österreichers Christoph Seidl zu beobachten: Da wird noch ohne weitere Gesangskultur einfach darauf los geschmettert, aber Material allein reicht eben nicht.

Überfordert diesmal auch das Wiener KammerOrchester, die Polonaise holperte und polterte kläglich, und auch sonst war es unter der Leitung von Peter Valentovic nicht unbedingt ein akustisches Vergnügen. Das Publikum fand das natürlich gar nicht, es klatschte heftig.

Renate Wagner

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