Oper als Dialog der Kulturen im Theater Duisburg: „Gegen die Wand“ von Ludger Vollmer (Vorstellung: 5. 10. 2014)
Günes Gürle als Cahit bot auch schauspielerisch eine eindrucksvolle Leistung (Foto: Hans Jörg Michel)
Im Theater Duisburg brachte die Deutsche Oper am Rhein die Oper „Gegen die Wand“ des Berliner Komponisten Ludger Vollmer zur Aufführung, über dessen Werke „Border“ und „Lola rennt“ ich im Online-Merker bereits berichtet habe. Für die Oper Gegen die Wand, die nach dem gleichnamigen Film von Fatih Akin entstand und im Jahr 2008 in Bremen uraufgeführt wurde, erhielt der Komponist den „Europäischen Toleranzpreis“ des Kulturforums Europa.
Die Oper, deren Libretto vom Komponisten nach einer Idee von Dorotty Szalma stammt und die in Duisburg mit deutschen und türkischen Übertiteln gezeigt wurde, erzählt auf dramatische Art und Weise die Geschichte der jungen Deutschtürken Sibel und Cahit, die im Spannungsfeld zwischen Familientraditionen und den Verlockungen moderner Lebensformen auf der Suche nach ihrer Identität sind. Sibel geht mit Cahit eine Scheinehe ein, um der Konvention ihrer Familie zu entfliehen und stürzt sich lebenshungrig in zahllose Affären. Cahit hingegen spürt, dass er sich in seine Ehefrau verliebt hat und erschlägt im Affekt einen ihrer früheren Geliebten. Sibel verspricht Cahit, auf ihn zu warten, solange er im Gefängnis sitzt, doch das gelingt ihr nicht. Sie beginnt in Istanbul ein neues Leben. Als Cahit aus dem Gefängnis entlassen wird, zieht er gleichfalls nach Istanbul, um Sibel zu treffen.
„Gegen die Wand“ ist die erste Oper in deutscher und türkischer Sprache, die neben klassischen Orchesterinstrumenten auch traditionelle türkische Instrumente wie Kaval und Saz verwendet und daraus eine energiegeladene und gefühlvolle Klangsprache gewinnt, die von den Duisburger Philharmonikern unter der Leitung von Wen-Pin Chien eindrucksvoll wiedergegeben wurde.
Gregor Horres inszenierte das Werk sehr realistisch mit oftmals recht drastischen Szenen (beispielsweise die Vergewaltigung Sibels), wobei der Einbau von Rappern und Breakdancern für zusätzlichen Schwung sorgte. Auf der Bühne, deren Gestaltung Jan Bammes oblag, war als einziges Requisit ein eisernes Bett, das symbolisch für den Ablauf des Geschehens angesehen werden kann. Die zeitgemäßen Kostüme entwarf Yvonne Forster, für die kreative Lichtgestaltung sorgte Volker Weinhart.
Ausgezeichnet besetzt waren die beiden Hauptrollen: Cahit wurde von dem türkischen Bassbariton Günes Gürle gespielt, der im Jahr 2004 in Wien den Belvedere-Gesangswettbewerb gewann. Er spielte den erst abweisenden, später jedoch verliebten Ehemann ausdrucksstark und verlieh seiner Rolle auch stimmlich die dazu notwendigen Konturen. Ihm ebenbürtig die junge, in Frankfurt am Main geborene Mezzosopranistin Şirin Kiliç als Sibel. Sie spielte und sang die diversen Facetten ihrer Rolle mit eindrucksvoller Leidenschaft und eroberte nicht nur die Herzen vieler Männer, sondern auch des Publikums.
Ihren Bruder Yilmaz Güner stellte der Tenor Tansel Akzeybek ebenfalls sehr eindrucksvoll dar. Ausgefeilt die schauspielerische Leistung des schwedischen Tenors Conny Thimander, der als Barkeeper Niko Cahit so lange bis aufs Blut reizt, bis er von ihm im Affekt getötet wird. Als Hochzeitssänger konnte der türkische Bariton Melih Tepretmez stimmlich voll überzeugen. Für die gute Ensembleleistung sorgten in kleineren Rollen auch der bulgarische Bass Michail Milanov als Sibels Vater Yunus Güner und die deutsche Sopranistin Elisabeth Selle als Sibels Cousine Selma, in deren Hotel in Istanbul Sibel Arbeit findet.
Stimmkräftig und in einigen Szenen auch tänzerisch agierte der Chor (Leitung: Gerhard Michalski), der sich aus Studentinnen und Studenten der Robert Schumann-Hochschule und aus Mitgliedern des Extrachors der Deutschen Oper am Rhein zusammensetzte.
Das Publikum, das auch mit Zwischenbeifall nicht geizte, applaudierte am Schluss allen Mitwirkenden minutenlang, wobei die Phonstärke für die Sänger der beiden Hauptrollen, für die Rapper und Breakdancer sowie für den Dirigenten und sein Orchester noch zunahm.
Udo Pacolt
PS: Am Tag der Aufführung in Duisburg wurde im Teletext eines deutschen Senders gemeldet, dass Ludger Vollmer mit dem Weimar-Preis 2014 gewürdigt wurde – mit der Begründung , dass er zu den produktivsten und anerkanntesten deutschen Opernkomponisten zählt. Als bekanntestes Werk von Vollmer wurde seine Oper „Gegen die Wand“ genannt.