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WIEN/ Volksoper: ONKEL PRÄSIDENT von Friedrich Cerha. Österreichische Erstaufführung

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WIEN 11.10. 2014– Volksoper – ONKEL PRÄSIDENT (Österr. Erstaufführung)

(Heinrich Schramm-Schiessl)


Copyright: Wiener Volksoper

 Friedrich Cerha zählt gemeinsam mit Gottfried von Einem und vielleicht noch Olga Neuwirth zu den bedeutendsten und international renommiertesten österreichischen Komponisten ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen Opern „Baal“ (Salzburg 1981), „Der Rattenfänger“ (Graz 1987) und „Der Riese von Steinfeld“ (Wien 2002) hat er durchaus große Premierenerfolge gefeiert, zumal sowohl bei „Baal“ (Theo Adam) als auch beim „Riesen“ (Thomas Hampson und die damals am Beginn ihrer Karriere stehende Diana Damrau) international bedeutende Protagonisten mitwirkten. Nachhaltigkeit in den Spielplänen konnte jedoch keines dieser Werke erreichen und so bleibt sein siebenteiliger Orchesterzyklus „Spiegel“ sein bedeutenstes Werk.

Obwohl er eigentlich keine Oper mehr schreiben wollte, ließ er sich dann doch überreden, die „musikalische Farce in einem Vorspiel, einem Akt und Epilog“ „Onkel Präsident“ zu komponieren. Das 1925 uraufgeführte Bühnenstück „Eins, zwei, drei“ von Franz Molnar, auf dem das Libretto von Peter Wolf und Friedrich Cerha basiert, werden wahrscheinlich wenige kennen, dafür aber den ebenfalls auf diesem Stück basierenden, 1961 entstandenen gleichnamigen Film des genialen Billy Wilder, der die Handlung in das Nachkriegs-Berlin vor dem Mauerbau verlegt und den „Kalten Krieg“ als Hauptelement der Handlung nimmt.

 Natürlich verknappen die Autoren die Geschichte und schaffen zudem eine Rahmenhandlung, in der sich der Präsident – gerade auf Urlaub im tirolerischen Seefeld – mit einem Komponisten – möglicherweise Cerha selbst – über die Oper unterhält und man zu dem Schluss kommt, dass es keine guten Libretti für eine Komödie gibt. So erklärt sich der Präsident bereit, dem Komponisten seine Erlebnisse an seinem letzten Arbeitstag vor dem Urlaub zu erzählen, womit die eigentliche Handlung beginnt. Die Tochter eines amerikanischen Konzernbosses ist beim  Präsidenten der Europafiliale zu Gast und verliebt sich in einen – sagen wir – gesellschaftskritischen Fahrradboten. Da der Präsident meint, dass sein Boß damit nicht einvetstanden sein wird und andererseits das Mädchen von dem Burschen nicht lassen will, wird dieser kurzerhand „umgepolt“, indem er aussehensmäßig entsprechend gestylt, mit einen adeligen Namen – der zuvor einem verarmten Grafen abgekauft wird –  versehen und kurzerhand zum Generaldirektor ernannt wird.

 Die Musik Cerhas ist durchwegs tonal und von Bläsern und Schlagzeug dominiert. Wirklich lyrische Passagen gibt es sehr wenige, am interessantesten ist wahrscheinlich das Zwischenspiel zum Epilog. Dazwischen gibt es immer wieder Brüche in Form von Dialogen mit dem Dirigenten, wobei z.B. einmal der Fahrradbote reklamiert, endlich seine Arie zu singen und ein anderes Mal der Präsident den Dirigenten mahnt, zu laut zu sein. Die Gesangspassagen sind natürlich über weite Strecken rezitativisch, aber es gibt auch zahlreiche ariose Stellen.

 Die Produktion selbst – eine Koporoduktion mit dem Münchner Gärtnerplatz-Theater, wo 2013 die Uraufführung stattfand – kann man durchaus als gelungen bezeichnen. Regisseur Josef Ernst Köpplinger versuchte die Handlung möglichst turbulent auf die Bühne zu stellen. Die Personenführung war gut. Das Bühnenbild von Johannes Leiacker ist funktional und athmosphärisch gut, die Kostüme von Marie-Luise Walek zeitgemäß.

 Bei den Sängern dominierte Renatus Meszar, der schon die Uraufführung gesungen hat, in der Titelrolle. Er verfügt über einen nicht uninterssanten Bariton, aber zur wirklichen Beurteilung müßte man ihn in einer „klassischen“ Rolle hören. Als Figur beherrschte er die Bühne. Ihm am nächsten kam Walter Fink als Komponist, der seinen sonoren Baß diesmal etwas zurücknahm, was ihn wesentlich besser klingen  ließ, als man es sonst von ihm gewohnt ist. Julia Koci als Melody Moneymaker wirkte für mich etwas zu soubrettenhaft. Ich bin mir nicht ganz klar, ob das so gewollt war, aber ich glaube, dass eine etwas lyrischere Stimme für diese Rolle besser geeignet wäre. Darstellerisch konnte auch sie gefallen. Den Fahrradboten Josef Povolny sang David Sitka. Sein Tenor klingt in der Mittellage recht annehmbar, in der Höhe wird er etwas eng. Darstellerisch blieb er für meine Begriffe etwas zu blass. Die drei Sekretärinnen – Martina Dorak, Elvira Soukop und Renate Pitscheider sangen und spielten gut, ebenso wie Stefan Cerny – die zweite Uraufführungsbesetzung – als Büroleiter Dr. Fleiß. Thomas Sigwald war ein durchaus schrulliger Graf. Den übrigen Mitwirkenden gebührt ein Pauschallob.

 Das Orchester unter Alfred Eschwé war gut einstudiert und klang trotz der oft großen Lautstärke durchaus differenziert.

 Am Ende gab es den erwarteten Jubel, denn einerseits wird in der Volksoper immer gejubelt und andererseits ist Friedrich Cerha ein Liebling des musikalischen Establishments.

 Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Publikum. Dieses war zum Teil ziemlich undiszipliniert und lachte an allen möglichen und unmöglichen Stellen lauthals. Das ist aber im heutigen Theater offenbar üblich, im Sprechtheater ärgert mich das schon seit Jahren. Ich wurde aber den ganzen Abend über das Gefühl nicht los, dass manche Leute durchaus instruiert waren, wann sie lachen sollten.

 Heinrich Schramm-Schiessl

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