STAATSOPER WIEN – ARIADNE AUF NAXOS am 18. Oktober 2014 (Premiere 19. Dezember 2012)
Peter Matic, Daniela Fally. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn
Besser geht’s nicht!
In Zeiten der sozialen Netzwerke kann man schon beim Nachhausefahren in der U-Bahn den eben erlebten Opernabend ausführlich reflektieren. Und so las ich bereits 20 Minuten nach Vorstellungsende in einem Facebook-Posting von Marcus Haimerl (seines Zeichens administrativer und künstlerischer Direktor der Wiener Richard Wagner Gesellschaft) seinen Kommentar zum Bild vom Schlussvorhang in der Staatsoper, auf dem sich das gesamte Ensemble rund um Christian Thielemann verbeugte: “Nach einer vollkommen perfekten Ariadne auf Naxos“. Und das war es in der Tat! Noch nie habe ich dieses Werk von Richard Strauss in einer so makellosen, aufwühlenden und witzigen Wiedergabe gehört, wie bei dieser Repertoireserie der Wiener Staatsoper. Hauptverantwortlich dafür dürfte sicherlich der bereits erwähnte Darling des Wiener Staatsopernpublikums Christian Thielemann am Pult des Wiener Staatsopernorchesters gewesen sein. Interessant, dass der bereits 1987 hier debütierende Deutsche in diesen 27 Jahren keine szenische Aufführung einer Strauss-Oper geleitet hatte (einzig der dritte Akt des Rosenkavaliers beim Jubiläumskonzert findet sich in den Annalen). Begonnen hatte Thielemann am Ring mit Cosi fan tutte, dann folgten La Traviata und Le nozze die Figaro und sonst nur noch Werke von Richard Wagner.
Ich selbst bin ja nicht gerade ein uneingeschränkter Anhänger des Dirigentenstars, seine Beethoven-Symphonien im Musikverein waren einst eine Qual für mich. Aber was er aus dieser “Ariadne” machte, war schlichtweg bewundernswert. Das Stück ist ja nicht der Nummer-1-Hit von Strauss, aber in dieser Interpretation saß man gebannt auf seinem Sitz, ließ sich auch durch touristische Gepflogenheiten wie dem Ausziehen von Schuhen oder Gequatsche der Nachbarn nicht irritieren und lauschte begeistert der wunderbaren Partitur, hörte alle offenen und versteckten Musikzitate aus anderen Strauss-Opern, die man so noch nie gehört hatte, erlebte Philharmoniker in Höchstform, alle Soli kamen lupenrein und mit Bravour! Perfekte Dynamik, Wiener Walzer-Klänge mit dem gewissen Etwas, beim Parlando schien Thielemann fast nur Zuhörer zu sein, spielerisch leicht floss alles dahin. Nur beim dramatischen Finale packte er dann richtig zu, Chapeau!
Und auch die Sängerriege passte sich diesem Top-Niveau kongenial an. Auch wenn man anfangs um Sophie Koch in der Rolle des Komponisten ein wenig Angst haben musste. Schrill und intonationsunsicher kamen die ersten Phrasen, aber diese Mezzo-Partie ist schon wirklich hoch notiert, sodass die sonst so verlässliche und überzeugende Französin eine etwas längere Anlaufzeit benötigte. Aber das sollte der einzige Makel bleiben. Als Musiklehrer ließ Jochen Schmeckenbecher seinen wunderbar timbrierten Bariton strömen, dass es eine Freude war und Daniela Fally bewies, dass die Zerbinetta bei ihr immer noch in den allerbesten Händen liegt. Dazu eine weitgehend lyrische, aber nicht minder berührende Soile Isokoski in der Titelpartie und das Phänomen Johan Botha als Tenor/Bacchus. Bei ihm klingt diese Mörderpartie wie das leichteste der Welt! Immer noch ein wahrer Sir auf der Bühne ist auch Peter Matic, der als Haushofmeister den richtigen, überheblichen Tonfall im Haus des Neureichen fand.
Auch die kleineren Rollen hielten auf diesem Weltklasseniveau mit: Norbert Ernst als Tanzmeister in einer feinen Charakterstudie, Adam Plachetka, Carlos Osuna, Jongmin Park und Benjamin Bruns als komödiantische Gespielen Zerbinettas sowie die drei Nymphen Valentina Nafornita, Rachel Frenkel und Olga Bezsmertna. Noch ein Wort zur Inszenierung des Teams Bechtolf/Glittenberg aus dem Jahr 2012: Damals landete die Staatsoper nicht den allergrößten Hit, mit Ausnahme einiger störender Mätzchen wie etwa die tretrollerfahrenden Komödianten oder die Schirmeinlage a la “Singing in the rain” bewehrt sich aber das Konzept im Repertoirealltag durchaus. Langer enthusiastischer Applaus, der schon zur Pause Orkanstärke erreicht hatte, solche Ovationen gab es selbst bei Premieren schon lange nicht! Thielemann (der übrigens Fally nach ihrer Arie begeistert vom Pult aus applaudiert hatte) holte am Ende sogar den Konzertmeister der Philharmoniker auf die Bühne, eine nur selten gesehene Geste!
Ernst Kopica