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GRAZ Giacomo Puccini TOSCA Premiere 18.10.2014

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Oper Graz 
Giacomo Puccini   “TOSCA”
Premiere  18.10.2014

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Andrea Danková und Demos Flemotovos

 

Tosca ohne Stars und ohne Sterne

 

Intendantin mit Ablaufdatum Elisabeth Sobotka prüfte, ehe sie zur Riesenbühne am Bodensee wechselt, noch einmal das Ensemble der Oper Graz und deren neue Gäste auf dessen bzw deren Tauglichkeit im ureigensten Repertoire des gängigen Operntheaters und zu diesem zählt der als Musikkrimi verschrieene Reißer Puccinis ja seit über hundert Jahren. Damals, 1900, erlebte er seine triumphale Uraufführung in Rom. Und das Ergebnis, dem Stück neue Aspekte abzugewinnen, war ein durchaus interessantes, und die damit verbundenen Risken konnten auch Spannung erzeugen.

Es war der wenig sakrale Raum der, werkseitig als St.Andrea della Valle in Rom ausgewiesen, beim Bühnenbildner Alfred Peter zu einer Art frühchristlicher Gruft mutierte, Dass er unbedingt Begeisterung hervorgerufen hätte, war nicht der Fall. Der Verschlag mit dem Abgang in die Kapelle der Attavanti ähnelte eher einem Kartoffelkeller, ein Zitat aus Dantes Göttlicher Komödie ziert in Riesenlettern die Wand: “Per me si va nell´eterno dolore” – “Durch mich geht´s ein zur endlosen Qual”, sollte doch wohl keine Anspielung auf  die oft endlose Qual von Deutungen im heutigen Regietheater sein. Nein, so einen Vorwurf hat sich der Regisseur diesmal nicht verdient.

Andrea Danková und Wilfried Zelinka

Andrea Danková und Wilfried Zelinka

Im zweiten Akt verdichtete sich die Handlung in einem räumlich extrem minimalisierten und schmucklosen Verhörzimmer Scarpias. Gerade ein Schreibtisch für den Polizeichef und zwei Sitzgelegenheiten haben Platz. Dass der königliche Beamte sein Frühstückstablett samt Obstmesser zeitweilig in einem Schreibtischfach versteckt, ist immerhin ein köstliches Detail.

In dieser komprimierten Athmosphäre steigert sich die Handlung bis zum Mord. Zuletzt lädt Tosca Scarpia in einer aufmunternden Geste zur Umarmung ein und sticht zu.

Pausenlos geht es dann in den dritten Akt, der als eine Art Wunschtraumsequenz Toscas abläuft. In “Rückblenden” läuft dieser Traum ab, der sich in den wenigen Sekunden zwischen der Entdeckung des Mordes im Palazzo Farnese und dem Sprung Toscas aus dem Fenster von Scarpias Büro abspielt. Die Szene auf der Engelsburg ist Inhalt dieses Traumzustandes, in welchem sie die Rettung ihres Geliebten erträumt, Sterne gibt es keine mehr. Zu sehen sind nur mehr die Versatzstücke aus den beiden ersten Akten, vergeblich will Tosca die Zeit zurückdrehen, die dafür auch vorgesehene Metapher rückwärtsgehender Darsteller wirkt allerdings selbst auf diese kurze Dauer doch etwas unbeholfen und enervierend. Während all der Sequenzen wird in den Hintergrund mit unendlicher Langsamkeit der Sprung der betrogenen Sängerin projiziert und wer den französischen Film “Die Dinge des Lebens” mit ähnlich dargestellten Effekten gesehen hat, weiß, was der Regisseur zeigen wollte: Der in uns oft nur in Träumen vorhandene Wunsch, traumatische Erlebnisse rückgängig machen zu können. Alexander Schulin setzte als Regisseur die Idee verständlich im Sinne des Stücks um.

Nicht starbesetzt, aber mit grundsoliden Leistungen glänzte die Besetzung. An deren Spitze Demos Flemotomos schon optisch den freiheitsliebenden Künstler darstellte, der auch mit dem nötigen tenoralen Aplomb ausgestattet schmachtet oder gegen das Regime und das Schicksal ansingt, gut sitzende metallische Höhen inklusive. Jugendliche Schöheit und Eleganz zeigte Andrea Danková aus der Slowakischen Republik, auch ihre ganze Zerbrechlichkeit ebenso wie konsequenten Mut. Stimmlich kam sie nicht so sehr ins erblühen, zu sehr störte ein leichtes Tremolo die Gesangslinie, merkliche Zurückhaltung auch im Gebet und ein zittriges Messer-C im letzten Bild, dafür immerhin einigen dramatischen Impetus in der Auseinandersetztung mit Scarpia, das war die stimmliche Ausbeute ihres noch nicht ganz gelungenen Rollendebüts.

Auch Wilfried Zelinkas Rollendebüt überzeugte nur dann, wenn er abgefeimt und mies als schurkischer und sexgesteuerter Büttel des Regimes auftrat, dem großen, gefürchteten Polizeibeamten Roms blieb er, vor allem im ersten Akt, den erwarteten stimmlichen Nachdruck schuldig.

David McShane als spastischer Mesner und Konstantin Sfiris, das Grazer Urgestein als Spoletta und Sciarrone waren die einzigen, schon in früheren Inszenierungen tätig  gewesenen Ensemblemitglieder. Weitere Rollendebüts hatten Umut Tingür als Cesare Angelotti und Martin Fournier als fieser Spoletta, weiters auch als wunderschön singender Hirt Nazanin Ezazi. Tatsächlich stellte sie in der Traumsequenz die junge Tosca im hübschen Kostüm des Ersten Aktes als Rückerinnerung dar.

Dirk Kaftan zeichnete mit dem Grazer Philharmonischen Orchester nicht nur die grellen, dramatischen Effekte Puccinis nach, sondern ließ auch die feinen Anteile der Musik transparent erklingen.   

Das Grazer Publikum feierte am Schluss seine Künstler.

Fazit: Nach den vielen herkömmlichen Aufführungen in Wien mit der nun schon über fünf Jahrzehnte alten Regiearbeit von Margarita Wallmann immerhin eine interessante und sehenswert umgesetzte Variante.

 

Peter Skorepa
Alle Fotos:
Oper Graz/ Werner Kmetitsch

 

 

 

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