WEIMAR/ “Mon Ami” und Wielandgut Weimar-Tiefurt.: Don Giovanni aus der Nussschale erzählt. Vorstellungen in Weimar 24.8. -1.9. 2013
Foto: Lyric Opera Studio
Aus dem Dunkel kommend – Don Giovanni. Viele Gesichter hat der „Verführer aller Verführer“ mit den Jahren bekommen! Wer aber ist er wirklich? Damon Nestor Ploumis, der seit sechs Jahren das Lyric Opera Studio in Weimar betreibt, versucht die Geschichte aus der Nussschale zu erzählen.
Die beschränkten Mittel zwingen ihn auch ein wenig, denn ein Orchester steht ihm nicht zur Verfügung, dafür aber vielversprechende Nachwuchssänger aus, na ja, mindestens der halben Welt von Kanada bis Singapur. Die Musik liefert ein Flügel und eine E-Orgel, die zum Spinett wird.
Um so intensiver wirkt das Spiel der jungen Sänger und natürlich ihr Gesang.
So will es die Story: Don Giovanni, Marcelo Silva (Brasilien, USA) tötet den Vater seiner Geliebten Donna Anna, Sara Stejskal (USA). Wie oft hat er das schon getan! Neben der Leiche lässt er eine rätselhafte Karte zurück. Der Countdown läuft … Donna Anna verschweigt ihrem Bräutigam, Don Ottavio, David Tay (Singapur) ihr Verhältnis mit Don Giovanni. An der Leiche ihres Vaters schwört sie Vergeltung. Rache heißt fortan das Mantra ihres schlechten Gewissens.
So sieht es das Libretto vor: Donna Elvira, Alexandra Nowakowski (USA) eine „abgelegte“ Geliebte, stellt Don Giovanni zur Rede. Leporello, Constandinos Tsourakis (USA, Griechenland) sein Diener, führt ihr vor Augen, wie unbedeutend ihr persönlicher Schmerz ist, gemessen an der Unzahl gebrochener Herzen, die Don Giovannis Lebensweg pflastern.
So bestimmt es die Dramaturgie: Hochzeit von Zerlina, Laura Elligsen (Kanada) und Masetto, Dmitri Ribero (Russland, Kolumbien) . Vor Augen Donna Elviras und des Bräutigams verführt Don Giovanni – sein Image verlangt es – die Braut. Und spielt eine weitere seiner merkwürdigen Karten aus … In Donna Elvira und Masetto finden Donna Anna und Don Ottavio Verbündete für ihre Rache an Don Giovanni. Zerlina soll der Lockvogel sein. Die Freiheit feiert ihr Fest. In Verkleidung verschaffen sich die Rächer Zutritt und stellen Don Giovanni. Bereitwillig beugt er sein Haupt unter das Schwert, das Don Ottavio gegen ihn erhebt. Nun ist alles zu Ende! Lange hat er auf diesen Augenblick gewartet. Doch Hoffnung ist ein Witz ohne Pointe. Das Chaos, sein Weggefährte seit Jahrhunderten, schlägt über ihm zusammen. An Action lässt es die Regie nicht fehlen, unterstützt wird die Dramatik von einem sparsamen, aber präzisen Lichtdesign.
Der Morgen danach. Drei Karten sind noch übrig … Da beginnt die Stunde der Komödianten.
So braucht es das „Dramma giocoso“: Als Don Giovanni verkleidet soll Leporello, Constandinos Tsourakis Donna Elvira, Alexandra Nowakowski ablenken. Die Verwechslungskomödie nimmt ihren Lauf. Don Giovanni lockt Masetto, Dmitri Ribero in eine Falle. – Zwei Karten bleiben noch … Leporello fliegt auf. Knapp entkommt er den Rächern. Regisseur Ploumis verlangt von seinen Eleven immer vollen Körpereinsatz und die rackern auch mit deutlich sichtbarer Spielfreude.
Auf dem Friedhof. Die Stimme des toten Komturs, Il Commendatore – Fernando Araujo (Brasilien) erweist sich dem Publikum als Master of Horror. Don Giovanni bittet den Toten zu einem Abendmahl. Zum finalen, wie er hofft. Die Weichen für das Jüngste Gericht sind gestellt … Auf den Trümmern ihrer Beziehung fügen sich Donna Anna, verbissen in ihre Lebenslüge, und Don Ottavio, einen unausgesprochenen Verdacht in sich, in die sanften Schrecken, die ihre kalte Ehe für sie bereithält. Eine Karte hält Don Giovanni noch in der Hand.
Der letzte Trumpf … Don Giovanni erwartet seinen wahren Richter. Vergeblich beschwört ihn Donna Elvira, von seinem Vorhaben abzulassen. Zu viel aber ist schon gesagt, gedichtet, geschrieben über ihn. Jahrhunderte der Deutungen lassen keinen Spielraum. Auf dem Schienenstrang der Interpretationen treibt Don Giovanni seinem vorbestimmten Ende entgegen. Schon ruft ihn das Strafgericht auf die Anklagebank. Himmel und Hölle werfen den Motor des Untergangs an. Die letzte Karte ist gezückt.
Don Giovanni versenkt sich selbst in die Gruft. Marcelo Silva ist ein bulliger Don Giovanni, der allerdings auch die lyrisch-erotischen Töne beherrscht. Stimmgewaltig ist auch der Chor zum moralischen Resümee.
Eine kleine Bühne, ein Blick wie in eine Nussschale, damit zieht Damon Nestor Ploumis die Zuschauer in das Geschehen hinein und sie danken es den Sängern mit viel Applaus. Die Kostüme sind historisch und doch ist die Anmutung so frisch und heutig, so lebensnah in der Wiedergabe der Gefühle, dass der Abend vorüberfliegt.
Für den musikalischen Fluss sorgt Olaf Storbeck, mit seinem Dirigat gewährleistet er Takt und Temperament.
Die Spielorte sind das Kulturzentrum “Mon ami” und das Wielandgut Weimar-Tiefurt.
Thomas Janda
Besetzung:
Don Giovanni – Marcelo Silva (Brasilien, USA)
Leporello – Constandinos Tsourakis (USA, Griechenland)
Il Commendatore – Fernando Araujo (Brasilien)
Don Ottavio – David Tay (Singapur)
Masetto – Dmitri Ribero (Russland, Kolumbien)
Donna Anna – Sara Stejskal (USA)
Donna Elvira – Alexandra Nowakowski (USA)
Zerlina – Laura Elligsen (Kanada)