Dresden / Semperoper: RICHARD-STRAUSS-TAGE: „ROSENKAVALIER” – OHNE GESANG – 11.11.2014
Nicht nur die beiden Opern “Arabella” und „Daphne”, die durch ihre Uraufführung mit Dresden eng verbunden sind, werden bzw. wurden im Rahmen der Richard-Strauss-Tage aufgeführt, sondern auch eine Besonderheit, die “Rosenkavalier”-Musik, gespielt von der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Dazu wurde der Original-Stummfilm von Robert Wiene aus dem Filmarchiv Austria auf Großleinwand gezeigt – am Original-Ort und mit Luxus-Live-Musik-„Untermalung“ durch das Orchester, das Richard Strauss 1926 persönlich bei der Uraufführung dieser Musik geleitet hat.
Er stellte 15 Jahre nach der sensationellen Dresdner Uraufführung seiner „Rosenkavalier“-Oper die Partitur für den Film zur Verfügung. Er änderte und ergänzte nur wenig. „Mei Musik paßt zu allem“ meinte er.
Jetzt wurde die Sächsische Staatskapelle unter der Leitung von Frank Strobel, der bereits 2006 an gleicher Stelle die Uraufführung der rekonstruierten Fassung geleitet hatte, erneut zum exklusiven “Filmorchester” am historischen Ort.
Nach den beiden „Arabella“-Aufführungen am Abend zuvor und am 7.11. erforderte Strobels Interpretation ein Umdenken. Als vielseitiger Dirigent und Spezialist für Filmkonzerte setzte er auf herberen Klang und Lautstärke in turbulenten Szenen, u. a. bei Kampf und Sieg des Heeres, das der Feldmarschall befehligt, oder wenn die Dramatik in „privateren“ Szenen dem Höhepunkt zustrebt. Die Kapelle folgte ihm, so wie sie Thielemanns sensiblem Nachspüren der musikalischen Intentionen am Abend zuvor gefolgt war und diese in hoher und höchster Klangqualität realisiert hatte. Thielemann nahm das Orchester zugunsten der Sänger stark zurück, was bei der „Untermalung“ des Stummfilms eigentlich nicht nötig zu sein scheint, da es keine Sänger gibt. Das Kompositionsgefüge des „Rosenkavaliers“ existiert auch ohne die Singstimmen weiter, aber die gesanglichen Linien gibt es dennoch. In einigen Fällen wurden damals sogar Teile der Vokalpartien auf die Instrumente übertragen. Weniger an Lautstärke hätte – wie Thielemann in seinen beiden “Arabella”-Aufführungen bewies, ein vieles mehr an Durchsichtigkeit, Ausdruck und Gestaltung bringen können.
Da der als Illustration zur Musik gezeigte, legendäre „Rosenkavalier“-Stummfilm nach dem Libretto von Hugo von Hofmannsthal im Original nicht mehr ganz vollständig existiert, wurde der Schluss aus der Musik und Standbildern rekonstruiert. Die Handlung ist, wie auch von Hofmannsthal, der eigentlich die Vorgeschichte dargestellt wissen wollte, gefordert, gegenüber der Oper stark abgewandelt und auf damalige cineastische Aspekte zugeschnitten. Die Ausstattung des Filmes reicht von aufwändig gearbeiteten, opulenten Kostümen und hochherrschaftlichen Schlossfluchten mit entsprechendem Interieur aus der Zeit Maria Theresias bis zum einfachen Landleben, verbunden mit großangelegten Massenszenen beim Maskenfest in den Heckengärten von Schloss Schönbrunn und bei der Darstellung des (barocken) Heeres des Feldmarschalls bis zu (beinahe) Schlachtenszenen, wobei jeweils das Typische eines Umfeldes genau erfasst ist und mitunter auch manche Augenweide bietet.
Den Feldmarschall gibt es im Stummfilm tatsächlich. Er befehligt ein großes Heer und liebt seine Frau, die Feldmarschallin, die sich unverstanden fühlt. Es gibt humorige Szenen und solche, die damals bestimmt auf die Tränendrüsen drückten. Herr von Faninal wird übertrieben komisch, ja schon grotesk, als seniler Trottel mit zerzauster Perücke dargestellt, der Hofmarschall nicht alt, sondern eher in den besten Jahren, und ziemlich gut aussehend. Einige Szenen, die gänzlich vom Opernlibretto abweichen, wurden hinzugefügt, wie das Leben auf dem Lande, wo die Adligen ein unbedarftes Vergnügen suchen, eine Theatervorstellung, um den Ochs bloßzustellen, das große Maskenfest mit Riesenbeteiligung und das von der Intrigantin eingefädelte „Treffen“ im Pavillon der Diana, das an „Die Hochzeit des Figaro“ erinnert und aus dem als Happy End schließlich gleich 3 glückliche Paare hervorgehen: die beiden Intriganten, Sophie und Oktavian sowie Feldmarschallin und Feldmarschall.
So kann man es auch sehen, aber die von Strauss bearbeitete und von der Staatskapelle live wiedergegebene originale „Rosenkavalier“-Musik in der interessanten Konstellation mit dem (rekonstruierten) „originalen“ Stummfilm war ein besonderes „Schmankerl“ für Musikfreunde und Cineasten gleichermaßen.
Die Sänger wurden fast ausschließlich durch Schauspieler ersetzt. Nur einer kam von der Opernbühne: Michael Bohnen, der damals als Ideal-Besetzung des Ochs von Lerchenau galt und an dessen großem schauspielerischem und komischem Talent man sich ergötzen konnte.
Ingrid Gerk