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PARIS : „LE BAL DES VAMPIRES“ im Théâtre Mogador – 12.11.2014

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Le Bal Des Vampires

Le Bal Des Vampires (Copyright Brinkhoff/Mögenburg)

 

PARIS : „LE BAL DES VAMPIRES“ im Théâtre Mogador – 12.11.2014

 

Nach sechstausend Vorstellungen in Wien und aller Welt, nun in Paris

 Seit der Première 1997 im Raimund Theater in Wien ist Roman Polanskis Musical „Tanz der Vampire“ (nach seinem gleichnamigen Film) einer der größten Erfolge der europäischen Musical-Geschichte geworden. Der Produzent Thomas Drozda der VBW (Vereinigte Bühnen Wien) verkündete stolz bei der Première in Paris, dass inzwischen über sieben Millionen Zuschauer bei seinen Vampiren „angebissen haben“: 6.622 Vorstellungen in zwölf Ländern und elf Sprachen. Nun hofft der holländische Musical-Gigant Joop van den Ende auf einen „großen Coup“ in Paris und hat dafür das alte Mogador-Theater gekauft, nur einige hundert Meter entfernt von der großen Oper, dem Palais Garnier.

 Gespielt wird die Fassung, die 1997 und 2009 in Wien zu sehen war, nun aber auf Französisch und in einer durch Roman Polanski dem Pariser Geschmack angepassten Version. So wie Offenbach schon zu seiner Zeit ein feines Gespür für sein Publikum hatte, haben Polanski und seine Produzenten eine gute Nase für das, was heute gefällt. Sie bedienen dabei zugleich die Kinder und Jugendlichen (die zum Teil in Vampir-Verkleidung erscheinen) und die älteren Herren, die gern ein paar hübsche Hintern sehen. So bekam die Vampir-Geschichte noch einen Schuss Pariser „esprit“, mit jüdischem Selbstspott und vielen erotischen Anspielungen, die die Kinder (zum Glück) nicht begreifen. Denn vordergründig bleibt alles elegant im Rahmen des Schicklichen. Die Bühne von William Dudley ist so schön wie sein „Ring“ mit Peter Hall in Bayreuth oder wie sein Bühnenbild für das Musical „Sunday in the Park with George“ vor kurzem in Paris (siehe Merker-Heft 5/2013). Die 23 (!) Verwandlungen finden alle bei offener Bühne statt und sind ein spektakulärer Teil der Inszenierung. Kosten wurden keine gespart und Sue Blane zeichnete 230 historische Kostüme, in denen man auch noch singen, tanzen und vor allem frisches Blut trinken kann (drei Liter pro Vorstellung!). Größte Bewunderung haben wir für die fulminante Choreographie von Dennis Callahan, der in Wien für Harry Kupfer die Tänze des Musicals „Elisabeth“ choreographiert hat. Callahan schaffte den Spagat, einerseits historische Tänze zu imitieren – die Geschichte handelt ja von dem jährlichen Hofball der Vampire in einem transsilvanischen Schloss – und andererseits bei entsprechender Musik „den Teufel raus zu lassen“. Auch wer kein besonderes Interesse für „Unterhaltungsmusik“ hat, kennt zumindest eine Melodie aus diesem Musical. Denn der Komponist Jim Steinman benutzte für das Vampir-Liebesduo „Totale Finsternis“ einen Song, den er fünfzehn Jahre zuvor für Bonnie Tyler geschrieben hatte. „Total Eclipse Of The Heart“ stand Jahre lang oben auf den Hitlisten und wurde so eine der meist verkauften Platten des zwanzigsten Jahrhunderts. Aber was kann man heute über die Musik und über die Sänger sagen, wenn alles wörtlich mit Technik zugeschüttet wird?

Le Bal Des VampiresMogador Teatre Paris

Stéphan Métro als Graf Dracula mit Opfer(Copyright Brinkhoff/Mögenburg)

 Der Orchestergraben ist überdeckt, und man konnte nicht sehen wie viel Musiker dort saßen. Es schien als ob Michael Reed ein Phantom-Orchester dirigierte, das wir nur über Lautsprecher hören konnten. Vieles war offensichtlich vorher aufgenommen worden und kam nun als „Playback“ von hinten in den Saal. Auch der gesamte Abend war aufgenommen worden. So konnte bei der kleinsten Schwierigkeit auf der Bühne (wie plötzlich auftretende Nebengeräusche) alles weiter in Playback laufen – offensichtlich ohne, dass dies Jemanden auffiel oder störte. Das „Sound-Konzept“ von Thomas Strebel funktionierte perfekt. Nur für „Merker-Ohren“ war es verwirrend, nicht mehr verfolgen zu können, woher welche Töne kamen und wie die produziert wurden. Als Ute Lemper 1986 in diesem gleichen Theater ihren großen Durchbruch mit „Cabaret“ erlebte, wurde ihr Gesang lediglich durch ein Richtmikrophon von der Seitenbühne verstärkt. Jetzt trägt jeder Sänger, sogar jeder Chorist, ein eigenes Mikrophon auf der Stirn, das so empfindlich ist, dass die Sänger zum Beispiel nicht mehr durch die Nase atmen können (das hört man). Und wenn sich ein einziges solches Mikrophon in den wilden Tanzszenen verschiebt, kommt alles aus dem Gleichgewicht und muss sofort das „Playback“ eingestellt werden.

Was kann man unter solchen Umständen über die einzelne Sängerleistung sagen? Stéphane Métro ist in jeder Hinsicht ein großer „Graf von Krolock“ (Graf Dracula im Roman von Bram Stoker). Wie seinerzeit Karl der Grosse ist er mindestens zwei Köpfe größer als alle anderen, die ihn umgeben, womit er ganz selbstverständlich „die Bühne beherrscht“. Auch gesanglich strahlt er als Baryton eine natürliche Autorität aus und ist der Einzige, der auch mit Mikrophon noch mit Bruststimme singen kann. Sein Gegenspieler, David Alexis als „Professor Abrosius“, besticht durch eine perfekte Diktion auch in den schnellsten Passagen und hat ein wirkliches Talent als Mime. Das gilt auch für den Schauspieler Guillaume Geoffroy als Diener „Koukol“. Rafaëlle Cohen besitzt als unschuldige „Sarah“ nicht alle diese Qualitäten, hat aber dafür einen sehr schönen Hintern, den wir vier Mal ausgiebig bewundern können. Ihr tänzerisches Double – das leider nicht namentlich im Programmheft erwähnt wurde – war ohne Zweifel eines der größten Talente auf der Bühne. Man konnte gar nicht begreifen, warum eine so gute Tänzerin im Théâtre Mogador auftrat und nicht einige wenige Meter weiter im Palais Garnier.

Alles in allem ein makelloser Abend und ein neuer Versuch, mit der hier nicht so beliebten Gattung „Musical“ in Paris Fuß zu fassen. Wenn alles nach Wunsch verläuft, will man „bis zum Ende der Saison“ weiterspielen.

 

Waldemar Kamer, Paris

 

www.baldesvampires.fr bis zum „Frühling 2015“ im Théâtre Mogador (hinter dem Palais Garnier)

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