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Foto: Volkstheater /Lalo Jodlbauer
WIEN / Volkstheater:
JOSEF UND MARIA von Peter Turrini
Premiere: 19. November 2014,
besucht wurde die Voraufführung am 18. November 2014
Ja, die Zeit ändert viel, heißt es bei Nestroy, und wie die alten Römer so richtig bemerkten, ändern sich ja nicht nur die Zeiten, sondern wir mit ihnen. Haben wir wirklich „Josef und Maria“ je für ein gutes Stück gehalten, im Grunde für das beste, das Peter Turrini je geschrieben hat, damals 1980? Da war er etwa halb so alt wie heute, da die Republik und ihre Theater gehorsam seinen 70. Geburtstag feiern. Nun, sagen wir es offen: Das Wiedersehen mit „Josef und Maria“ als Bezirksvorstellung des Volkstheaters tut dem Stück nicht gut, wobei es ziemlich egal ist, dass Turrinis „Weihnachtsmärchen für Erwachsene“ in der Neufassung von 1999 gespielt wird.
Denn der Sozialkitsch springt uns frontal mit brutalem Würgegriff an – die arme alte Frau, die sich so um den Sohn sorgt und von der Schwiegertochter so schikaniert wird, aber sich immerhin damit zu trösten versucht, in ihren jungen Jahren ein umschwärmter Varieté-Star in Tirana gewesen zu sein. Und der arme alte „Kummerl“, der in roter Nostalgie zerrinnt, die Welt erklären möchte, gern Schauspieler geworden wäre und ein Nichts geblieben ist. Er, der Nachtwächter, gestrandet in der Konsumgesellschaft wie sie, die Putzfrau, die Einsamen in der Weihnachtsnacht im leeren Warenhaus. Bis sie, die bezugslos ihre Geschichten erzählen und Tango tanzen, gemeinsam – grenzpeinlich oder total peinlich – im Bett landen. Man hält es nicht aus.
Immerhin: Heinz Moog und Elisabeth Epp (bei der Uraufführung im Volkstheater 1980); Fritz Holzer und Hilde Sochor; Fritz Muliar und Julia Gschnitzer; Otto Schenk und Christine Ostermayer (zuletzt in der Josefstadt) – das waren die bisherigen Wiener Besetzungen, und da haben offenbar Schwergewichte über das Unmögliche hinweggespielt, mehr noch, es sogar plausibel gemacht.
Das gelingt nun nicht, wobei man konzedieren muss, dass eine Aufführung, die nach zwei Probenwochen die Hauptdarstellerin verliert (Ingrid Burkhard erlitt einen Unfall) und wo die Regisseurin selbst einspringt, unter fast unmöglichen Voraussetzungen antritt. Dennoch – Doris Weiner glaubt man zumindest noch in der wohl bewahrten Zartheit ihrer Erscheinung das ehemalige Revuegirl, das bei den Herren so viel Erfolg hatte, bevor ihre Existenz zum tragischen Muttertier zusammen schrumpfte.
Pavel Fieber hingegen ist ein Herr, der kann nie im Leben einen ehemaligen Genossen erspielen. Sein Deutsch ist für seine tschechische Herkunft fleckenlos akzentfrei – aber es ist Hochdeutsch, es kommt nicht aus der tiefen Wiener Genossen-Seele. Die Propaganda-Suada fehlt ihm genau so wie das Weinerliche. Er kann als Schüchterner die eine oder andere Pointe setzen, die hier vorgegebene Figur wird er nicht.
Das Bühnenbild, bescheidenerweise nicht im Kaufhaus selbst, sondern im Nebenkammerl (Bühne: Hans Kudlich / Kostüme: Erika Navas) ist schäbig und nicht immer praktisch. Aber wo dem Kritiker die Einsicht in das Gebotene fehlt, hat das Publikum wieder einmal „ja“ gesagt: Viel Lachen, viel Applaus.
Renate Wagner