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LONDON/ Live aus dem Royal Opera House London im UFA Kristallpalast Dresden: “L’ELISIR D’AMORE” MIT ITALIENISCHEM CHARME DER 1950er JAHRE

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Live aus dem Royal Opera House London im UFA Kristallpalast Dresden: “L’ELISIR D’AMORE” MIT ITALIENISCHEM CHARME DER 1950er JAHRE - 26.11. 2014

 Unbenannt
Lucy Crowe und Levente Molnár. Foto: Catherine Ashmore

Man pilgert so gern in Dresdens UFA Kristallpalast, weil noch nie eine Live-Übertragung aus dem Royal Opera House London enttäuscht hat, im Gegenteil, man verlässt das Kino immer enthusiastisch. Dieses Mal war es „L’Elisir d’amore“ mit sehr viel italienischem „Touch“. Nicht nur die Sprache war italienisch (das ist schon fast selbstverständlich), auch Dirigent und Chorleiter waren Italiener – und erst recht der Sänger des Nemorino – mit einer Glanzleistung!

 Auf der Bühne gibt es viel Stroh, in Ballen hoch aufgestapelt, auf denen sich Adina mit einer alten Matratze, Sonnenschirm und Bücherregal ihre kleine Welt eingerichtet hat und die Zehennägel lackiert, (1. Akt) oder wie in einer Großraumwirtschaft hin gemäht, soweit das Auge reicht (2. Akt) und eine typisch italienische, sehr bescheidene ländliche Gegend, wie sie in Italien häufig zu finden ist, mit herunter gekommener Trattoria und staubiger Landstraße.

 Adina trägt ein hübsches einfaches Kleidchen, die Dorffrauen die berühmte Kittelschürze und die Männer ärmliche „Arbeits“- oder „Freizeitkleidung“, obwohl sie nicht gerade arbeiten, sondern immer auf der Bühne sind, wenn es „Neuigkeiten“ zu erfahren, die Handlung zu kommentieren oder auch einzugreifen gilt – alles im „Charme“ der 1950er Jahre. Selbst bei der beabsichtigten Hochzeit von Adina und Belcore pflegt man „schlichte Eleganz“, fernab von Petticoat und feinen Nylonhandschuhen (im Sommer), an die sich nur noch die älteren Opernbesucher erinnern dürften. Für die Jugendlichen, die man so gern in der Oper haben möchte, ist diese Zeit genauso fremd und fern wie Romantik, Klassik oder Rokoko.

 Trotzdem passt alles zusammen und zur Oper. Diese „Liebesprobleme“ hat es schließlich zu allen Zeiten gegeben, in allen Jahrhunderten, nur die äußeren Konventionen waren anders. Da die Oper durchweg gut besetzt ist, nicht nur die beiden Hauptpartien, war man ohnehin „versöhnt“ mit Bühnenbild (Chantal Thomas), Regie und Kostümen (Laurent Pelly).

 Der Royal Opera Chorus (Chorleiter: Renato Balsadonna) sang so, wie man es sich im besten Sinne wünscht, und das Orchestra oft the Royal Opera House unter der Musikalischen Leitung des jungen, sehr vitalen Dirigenten Daniele Rustioni sorgte für eine besonders lebendige „Untermalung“ und Mitgestaltung. Durch die Leinwandadaption von Rhodri Huw, die am Anfang den mitreißenden Dirigenten vor „seinem“ Orchester zeigte, wurde man dann aber unweigerlich auf die Solisten gelenkt.

 Allen voran brillierte Vittorio Grigolo als Nemorino, der, stimmlich und darstellerisch in Hochform, die ganze Palette seines Könnens ausbreitete, von der besonders schönen Kantilene bis zur erschütternden Szene in seinen Liebesqualen, eine große Palette an Gefühlen in „echter“ seelischer Verzweiflung, wie man sie so intensiv später bei Verdi findet. Donizetti hat sie schon vorweggenommen, was durch Grigolo besonders deutlich wurde.

 Bei ihm verschmolzen Gesang und Darstellung. Er schöpfte seine Rolle nach allen Richtungen aus und steigerte sich so leidenschaftlich hinein, dass er sie voll mit Leben erfüllte. Er war nicht der „Dorftrottel“, sondern ein ehrlich Liebender, zutiefst verletzt und verzweifelt. Er spielte den Nemorino nicht nur, er war ein Nemorino voller Leidenschaft, bei dem aber auch der Humor nicht zu kurz kam – man denke nur an seine verrückte, große Heiterkeit auslösende Sexy-„Anmache“ a la Elvis Presley in (be-)trunkenem Zustand – und er brillierte in den schönen Duetten mit Lucy Crowe als Adina, die am Royal Opera House „Heimvorteil“ genießt.

 Sie wirkte etwas verhaltener, gab aber eine gewitzte, frische, jugendliche Gegenspielerin. Mit ihrem schlanken Sopran bewältigte sie die Koloraturen und mit ihrer körperlichen Agilität bildete sie immer einen besänftigenden Gegenpol zum überschäumenden Temperament Nemorinos, den sie wieder und wieder auf den Boden der Realität zurückbringen musste (und die Zuschauer auch).

 Als uriger und durchaus glaubhafter Dulcamara mit etwas „schmuddeligem“ Äußeren, wie es der Regisseur wollte, erschien Bryn Terfel als typischer Vertreter dieser Art von „Zeitgenosse“, selbstbewusst, schmeichlerisch und raffiniert und mit perfektem Gesang, der wie selbstverständlich über seine Lippen kam und eins war mit seinem Spiel – ein Kabinettstück an Mimik und Schläue zwischen Simplizität und Raffinesse.

 Es gab viele ausgezeichnete Gesangsleistungen, zu denen auch Levente Molnár  als Sergeant Belcore und Kiandra Howarth als Giannetta gehörten, heiter- fröhliche Szenen und neckische Einfälle, z. B. wenn die Landbevölkerung auf vielen Fahrrädern, einschließlich kultiger „Vespa“ über die Bühne fährt, Nemorino per Traktor ankommt oder vor Dulcamaras Mehrzweck-Transport-Vehikel mit viel „Brimborium“ der Pseudowissenschaften ein kleiner „Hund“ mit „Affenzahn“  quer über die Bühne hetzt und wieder entgegengesetzt, wenn Dulcamara abfährt (Dulcamara, der „Hundeschreck“), aber das Eindrucksvollste, dem sich niemand entziehen konnte, war doch Grigolos Gesang und Rollengestaltung, dessen ausdrucksstarke Mimik wahrscheinlich nur im Kino so gut zu sehen war. Das ist der Vorteil von Live-Übertragungen, bei denen man bequem vom Kinosessel aus mit bester Sicht von allen Plätzen sehen, hören und genießen kann. Die Stimmung war nicht nur auf der Bühne und im Opernhaus großartig, sie übertrug sich auch auf das Publikum im Kinosaal.

 Ingrid Gerk

 

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