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BERLIN/ Komische Oper: DON GIOVANNI – Knallbunte Freakshow… Premiere

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Berlin Komische Oper DON GIOVANNI Premiere, 30.11.2014

Herbert Fritsch‘ Inszenierung als knallbunte Freakshow in einer burlesken Kasperliade und musikalischem Mittelmaß festgefahren.

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Don Giovanni Günter Papendell mit Zerlina Alma Sadé und Masetto Philipp Meierhöfer… Foto: Monika Rittershaus

 Der Mythos des ewigen und gehörig scheiternden Verführers aus der Feder des genialen Duos da Ponte und Mozart hat schon viele Deutungen gesehen und auch überstanden. Er wird auch diese schräg-aktionistische Komödienversion aus den Versatzstücken des Bewegungstheaters überleben.

 Allein in der Komischen Oper Berlin hat es seit der Wiedereröffnung mit Giovanni 1966 in der Felsenstein Regie inklusive der jetzigen Premiere vier unterschiedliche Interpretationsansätze gegeben. 1987 war es Harry Kupfer, der Giovanni als Individualist im Fuchspelz sah, 2003 verpasste Andreas Homoki dem spanischen Draufgänger das Image eines kastrierten Grenzgängers. Nun also der vor allem von seinen Arbeiten an der Volksbühne bekannte Herbert Fritsch, der in seiner zweiten Opernregie überhaupt Don Giovanni als Promenadenmischung aus Riff Raff (Diener von Frank n furter in der Rocky Horror Picture Show) und Jack Napier alias Joker/Batman mit räudig strohgelber Langjahrperücke und rot geschminktem Mund vorführt, gewürzt mit einem Schuss Klaus Kinsky aus Nosferatu.

 An sich eine spannende, teils sogar spektakuläre Ästhetik, die das leading team unter Herbert Fritsch, der auch für das aus verschiebbaren und verschieden von hinten beleuchteten Spitzenvorhängen in schwarz-weiß gehaltene Bühnenbild verantwortlich zeichnet, geschaffen hat. Die Kostüme von Victoria Behr auch für den Chor wirken wie aus einem second hand shop aus Mexico City. Sie orientieren sich an den berühmten Calavera Catrinas, jenen Figuren also aus dem farbenprächtigen Volksfest zu Ehren der Toten. Weiß geschminkte Gesichter mit riesig vergrößerten Augen, großen Maschen, weit aufgerissene Münder, knallige Rüschen und enge Satinhosen. „Ich kämpfe gegen eine vorherrschende Theaterästhetik, die mir schon lange nichts mehr erzählt, die auf einem verquasten scheinintellektuellen Naturalismus beruht, gegen eine Ästhetik, die von Oberlehrern pfäffisch und bigott behauptet wird, mit dem man auf verbrecherische Weise Jugendlichen für den Rest ihres Lebens die Freude am Theater verdirbt, mit der man das fortzusetzen versucht, was man am Abend zuvor im TV und Kino gesehen hat, mit einer angeblichen politischen Haltung, bezugnehmend auf eine Aktualität und dabei heuchlerisch soziales Verständnis vortäuschend“, so der Regisseur vollmundig im Programmheft.

 Dieses Statement würde ja Lust machen zu sehen, wie es anders auch gehen könnte. Aber, ach, außer der wie schon gesagt mich durchaus ansprechenden Ästhetik nichts gewesen. Es gibt keine Interpretation, sondern nur die Oberfläche aus bekannten Versatzstücken der Arbeiten von Fritsch selbst zu sehen, wie etwa ein dramaturgisch sinnloses spastisches Herumgezucke von Chor und Figuren in hübscher Marionetten Manier, etwa wie manche Produktion des weiland Wiener Serapionstheaters, nur mit weniger Poesie. Die Figuren des dramma giocoso im Don Giovanni sind zwar hochgekocht und zappelig, bleiben aber dennoch Schablonen. Scherenschnitte eines Theaters, das Klamauk mit Ausdruck und kalkulierte Gags mit durchaus erwünschter Deftigkeit verwechselt.

 Das tapfer bemühte Ensemble der Komischen Oper singt in deutscher Sprache in einer neuen brauchbaren Textversion von Sabrina Zwach, die dem berlinerischen Genius loci Tribut zollt. Soll sein. Leider ist das Gesungene aber kaum verständlich, weil alle Rezitative in einem Geschwindigkeitsmarathon heruntergeraspelt werden, dass einem Hören und Sehen vergeht. Von der Besetzung sind nur Günter Papendell als Don Giovanni und Erika Roos als Donna Anna vokal bemerkenswert. Der Rest (Adrian Strooper als Don Ottavio, Alexey Antonov als Komtur, Nicole Chevalier als Donna Elvira, Philipp Meierhöfer als Massetto und Alma Sadé als Zerline) kommt über solides Mittelmaß nicht hinaus. Im Falle des Jens Larsen als Leporello (von Giovanni auch Mozarello genannt) kann man gar von einer eklatanten Fehlbesetzung sprechen. Eher bei Osmin und Sarastro zu Hause, poltert er rauh und heiser durch die Partitur, bei den Rezitativen kann die Zunge dem irrwitzigen Tempo nicht folgen. Vom musikalischen Konzept her gibt es auch so manche zumindest eigenartige Überraschung. Die Ouverture (oder zumindest Teile davon) gibt es nicht zu Beginn der Oper, sondern dramaturgisch völlig sinnentleert nach dem ersten Duett der Anna mit Ottavio zu hören. Auf das Schlussensemble wird ganz verzichtet. Henrik Nánási leitet den Chor und das Orchester der Komischen Oper zwar animiert und am Schluss dramatisch aufgeladen, bleibt aber über weite Strecken ohne klare interpretatorische Linie indifferent. In den Ensembles gibt es mancherlei Wackelkontakte zur Bühne.

 Als letztes Bild ist die Hand des Giovanni sichtbar, die zum Abschied noch frech winkt und von einer von oben erleuchteten Hand in den Abgrund geschoben wird (Michelangelo schau oba). Derselbe Giovanni steht auch am Ende des ersten Aktes allein vor geschlossenem Vorhang und stößt ein einsames Buh in den Publikumsraum. Dieses Buh, Jubel inkludiert, kommt als mehrfaches Echo nach Ende der Vorstellung auch dem Regisseur entgegen, der sich aus eben der Höllenritze, in der Giovanni verschwunden war, als deus ex machina zum Applaus hochfahren lässt.

 In der vollkommen ohne Requisiten auskommenden Aufführung gibt es aber auch weidlich witzige Momente, die durchaus gelungen sind und umso schmerzlicher vorführen, was man aus einem sinnlich-frechen giocoso-Ansatz zaubern hätte könne, ja wenn…Etwa das Ständchen mit einem pantomimisch hinreißenden Mandolinengezupfe Papendells oder der in Stierkampfmanier vollzogene Identitätswechsel von rotem und schwarzen Cape durch Don Giovanni und Leporello. Um leider sofort wieder auf Pradler Ritterspiel-Art abzudriften, etwa wenn Don Giovanni auf die Körpermitte des in das schwarze Cape gewickelten Massetto so lange mit Lärmschutz und Zischhintergundchor schießt, bis die letzte Kugel verschossen ist.. Oder Don Ottavio fünf Minuten lang seine Hand im vom Anna vorher malträtierten Schritt hat, während er seine Arie singt. Das ist doch auch auf die Dauer irgendwie langweilig, oder?

 Ingobert Waltenberger

 

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