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BERLIN/ Komische Oper. 3. SINFONIEKOZERT unter Roger Norrington/ Sebastian Knauer

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Berlin/ Komische Oper: Sinfoniekonzert 3 unter Sir Roger Norrington, 5.12.2014

Sebastian Knauer, Pianist, Foto Steven Haberland
Sebastian Knauer. Foto: Steven Haberland

Das ist seine, Sir Roger Norringtons, Musik. So der Eindruck beim „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1“ in d-Moll BWV 1052 von Johann Sebastian Bach unter seiner Leitung in der Komischen Oper.

An den Anfang hatte er jedoch die „Ouvertüre zur Oper Genoveva“  in c-Moll op. 81 von Robert Schumann gestellt, das bekannteste „Überbleibsel“ dieser 1847 komponierten Oper, die bei der Uraufführung 1850 im Gewandhaus zu Leipzig unter Schumanns Leitung nur eine mäßige Zustimmung fand. Das verhaltene Publikumsinteresse nahm ihm die Lust, eine weitere zu schaffen.

Die „Genoveva“, instrumentiert nach einem Drama von Friedrich Hebbel, fand auch danach kaum Resonanz auf den Opernbühnen, nur diese romantisch-farbenfrohe Ouvertüre wird mitunter gespielt, in diesem Haus zum ersten Mal. Norrington dirigiert das auf der Bühne sitzende Orchester der Komischen Oper mit sparsamen Gesten bis zum volumigen Ausklang.

Johann Sebastian Bach, das zeigt sich danach, ist für ihn – einer der wichtigsten Befürworter der historischen Aufführungspraxis – eine Herzensangelegenheit. Wir sehen den 80Jährigen nun sitzend, jedoch von Angesicht, während Sebastian Knauer mit dem Rücken zu den Zuhörern spielt. Mit flinken Fingern und sehr bachgemäß bringt er seinen Klavierpart, dem anzumerken ist, dass der wohl zunächst fürs Cembalo komponiert wurde.

Die Instrumentalisten, nun in kleinerer Besetzung, folgen jedem Wink und Fingerzeig Norringtons, der sich stets aufmerksam denen zuwendet, die gerade Akzente setzen sollen. Besonders schön arbeiten Norrington und Knauer das Adagio heraus. Mitunter lächelt der Maestro glücklich, wenn die Musiker genau so spielen, wie er es erwartet, und manchmal scheint er auch leise mitzusingen. Eine ganz wahrhaftige und anrührende Interpretation, mit herzlichem Beifall gefeiert und vom Pianisten mit einer Zugabe aus dem Konzert BWV 1053 belohnt.

Vor dem letzten Stück, Schumanns „Sinfonie Nr. 2 C-Dur“ op. 61, gibt Norrington eine kleine Einweisung und erklärt erst einmal die auffällig andere Aufstellung des wieder großen Orchesters.

Die 6 Kontrabässe stehen nun ganz oben, die Bläser sind zur Erzielung eines gleichgewichtigen Instrumentenklangs doppelt besetzt, so wie es zu Schumanns Zeiten üblich war. Auch erinnert er daran, dass damals ohne Vibrato gespielt wurde. Nach Norringtons Wunsch sollen wir diese Sinfonie so hören wie damals, bei der Uraufführung im November 1846 im Gewandhaus zu Leipzig, dirigiert von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Dass Schumann unter Depressionen litt, ist allgemein bekannt. Norrington spricht von einer gespaltenen Persönlichkeit, was auch in den ersten 3 Sätzen dieser Sinfonie deutlich würde. Auch macht er auf das Motiv B-A-C-H im 3. Satz aufmerksam. Darüber hinaus erinnert er daran, dass damals ohne Vibrato gespielt wurde.

Erst im letzten Satz, dem „Jubel-Finale“ in der optimistischen Tonart C-Dur, sei Schumann wieder eine Person, meint Norrington und singt uns leise die aus dem Beethoven-Zyklus „An die ferne Geliebte“ entlehnte Melodie von „Nimm sie hin denn, meine Lieder“ vor. Die seien an seine Frau Clara gerichtet und ein Dank für ihre Unterstützung während seiner Krankheit. „Diese Sinfonie ist eines der wichtigsten Werke des 19. Jahrhunderts,“ betont Norrington und setzt nun alles daran, den Zuhörern das zu beweisen.

Lebhaft dirigiert er, hat seine wachen Augen und intensiveren Gesten bei allen Instrumentengruppen. Auch dieses Stück mit seinem munteren Scherzo, dem ausdruckstarken Adagio und dem strahlenden Schluss liegt ihm spürbar am Herzen. Das Orchester – auch sonst ohne Fehl und Tadel – wächst über sich hinaus und erfüllt ihm jeden Wunsch.

Daher ist es Norrington, der sich nach dem letzten Ton vor den Musikern verbeugt, die Bläser nacheinander zum Aufstehen auffordert und allen mit charmantem Lächeln Beifall spendet. Ein wahrer Herr.

Wie bewundernswert sind doch diese großen Alten, die soviel von der Musik und vom Leben wissen und das so eindringlich vermitteln können! Kürzlich Nikolaus Harnoncourt im Konzerthaus, der am heutigen 6. Dezember seinen 85. Geburtstag feiert, gestern Sir Roger Norrington in der Komischen Oper. – Erneut ein unvergesslicher und mit langem Applaus bedachter Abend.   

Ursula Wiegand

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