Zum Hundertsten: Eine Kammeroper für Willy Brandt
Von Horst Schinzel
Im kommenden Dezember wäre Lübecks großer proletarischer Sohn Herbert Frahm -. der sich später den nom de guerre Willy Brandt gab- hundert Jahre alt geworden. Anlass für das Lübecker Theater, bei dem an der Trave wohl bekannten Autor und Regisseur Michael Wallner ein Theaterstück in Auftrag zu geben Der Leiter der Bühnenmusik Willy Daum hat dazu eine Art Kammeroper geschrieben – mit einer langen reinen Gesangspassage im Stil des Barocks. „Willy Brandt – die ersten 100 Jahre“ erlebte an diesem Freitag im Großen Haus eine begeistert aufgenommene Uraufführung.
Willy Brandt ist sicherlich für ein Theaterstück ein schwieriger Held. Wallner verschweigt nicht seine vielen negativen Seiten – seine Frauengeschichten, die fatale Neigung zum Alkohol, seine Depressionen, seine Probleme mit den Kindern. Der von seinem damaligen Minister Wischnewski überlieferte – und auch auf die Bühne gebrachte – Spruch „Willy, aufstehen, wir müssen regieren“ ist bezeichnend. Wallner zeigt einen zerrissenen Politiker in seiner Zeit – mit seinen Erfolgen –köstlich die Szene, wenn Brandt in Erfurt von DDR-Bürger n gefeiert wird -, seinen Niederlagen. Dafür muss das zehnköpfige Ensemble achtundzwanzig Rollen übernehmen. Der Opernchor – von Joseph Feigl einstudiert- stellt das Volk und die Zeitgenossen. Andreas Hutzel i s t Willy. Zwar hat er keinerlei Ähnlichkeit – und auch die Maske tut eben so wie bei den anderen Rollen nichts, um daran etwas zu ändern -, aber er hat viele Eigenheiten übernommen – etwa die Bewegungen, die knarzige Stimme. Seine dunklen Seiten zeigt überaus gelenkig Sara Wortmann als “die Dunkelheit“. Robert Brandt gibt eine köstliche Karikatur von Herbert Wehner mit ewig dampfender Pfeife. Susanne Höhne zeigt eine immer mehr sich entfernende Rut Brandt. Alle übrigen Darsteller treten in einer Vielzahl von Rollen überzeugend auf. -
Dass das Lübecker Schauspielensemble singen kann, hat es in der Vergangenheit vielfach bewiesen. Willy Daum mit seiner kleinen Combo gibt ihnen dazu vielfach Gelegenheit. Seine Musik ist eindringlich und macht schon so den Abend zu m Erlebnis. Mittelpunkt des minmalistischen Bühnenbilds von Heinz Hauser ist ein Drehstuhl. Die Kostüme von Tanja Liebermann entsprechen den Zeitverhältnissen. Im Publikum erfreulich viel junge Menschen. Gerade denen hat die Aufführung sehr gefallen.
Weitere Aufführungen
12. September, 19.30 Uhr, 22. September, 13. Oktober,18 Uhr, 19. Oktober , 19.30 Uhr