Festival „Winter in Schwetzingen“: „Fetonte“ von Niccolò Jommelli (Vorstellung: 19. 12. 2014)
Rinnat Moriah als Meeresgöttin Teti in barocker Kostümierung (Foto: Annemone Taake)
Szenenbild ohne Worte (Foto: Annemone Taake)
Wieder wartete das Festival „Winter in Schwetzingen“ mit einer selten gespielten Oper auf. Diesmal fiel die Wahl auf den neapolitanischen Komponisten Niccolò Jommelli, der genau vor 300 Jahren geboren wurde und im 18. Jahrhundert zu den Erfolgreichsten seiner Zunft zählte, führte er doch neue ästhetische Formen in die Oper ein. Seine 1768 komponierte und in Ludwigsburg uraufgeführte Oper „Fetonte“ war sein letztes für den Hof von Stuttgart geschaffenes Werk. 1988 kam es übrigens an der Mailänder Scala heraus.
Niccolò Jommelli (1714 – 1774) studierte in Neapel am Konservatorium San Onofrio, wo er stark von Hasse und später von Graun beeinflusst wurde. Er ging dann nach Rom, Bologna und Venedig und hielt sich 1749 auch in Wien auf. Auf dem Höhepunkt seines Ruhms wurde er 1753 von Herzog Karl Eugen an den Stuttgarter Hof berufen. „Durch die Auseinandersetzung mit dem deutschen, französischen und italienischen Stil, der Einführung von Chören, der rezitativischen und ariosen Brechung, ausgedehnten Gesangsszenen und der äußerst differenzierten Orchesterbehandlung gelang ihm eine Reform des vorherrschenden, nach Metastasio benannten <Metastasischen Operntyps>“, schreibt Reclams Opernführer.
Szenenbild. Foto: Annemone Taake)
Die dreiaktige Oper „Fetonte“, deren Libretto von Mattia Verazi nach den Metamorphosen von Ovid stammt und die im Rokokotheater von Schwetzingen in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln gezeigt wurde, fußt auf den antiken Mythos des Phaëton: Der Sohn des Sonnengottes Helios und der Göttin Klymene muss seine göttliche Herkunft beweisen, um als Herrscher anerkannt zu werden. Er bittet seinen Vater, einen Tag den Sonnenwagen lenken zu dürfen. Als er dabei Himmel und Erde in Brand setzt, weil ihm die Rösser durchgehen, wird er von Jupiter ins Meer gestürzt. Klymene folgt ihm nach.
Die Handlung der Oper ist allerdings verworrener und von Liebesgeschichten durchzogen. Climenes Reich ist an zwei Fronten bedroht: durch den ägyptischen König Epalo und den äthiopischen König Orcane, der in Climene verliebt ist. Epalo will sich mit Libia vermählen, der Tochter Meropes, dem Ehemann von Climene, die aber ihrem Stiefbruder Fetonte zugeneigt ist. Climene sucht Rat bei der Meeresgöttin Teti, es wird ein Orakel befragt, das eine Verbindung Libias mit dem Sohn eines Gottes prophezeit. Climene will nun Fetonte mit Libia vermählen, doch Epalo und Orcane bezweifeln Fetontes göttliche Herkunft und fordern Beweise. Der Schluss der Oper folgt der mythologischen Vorlage.
Die Inszenierung von Demis Volpi konnte nicht begeistern. Der Regisseur lässt das Werk in der heutigen Zeit spielen, wobei die Handlung wie eine von Spannungen geladene Party abzulaufen scheint und die Titelfigur während der ganzen Zeit wie besessen an einem Fluggestell bastelt. Die Bühnengestaltung und die Kostüme von Katharina Schlipf folgen dieser Vorgabe und sind ein buntes Gemisch. Barock ist lediglich das Gewand der Meeresgöttin Teti, deren große Arie von der israelischen Sopranistin Rinnat Moriah betörend schön gesungen wurde.
Eindrucksvoll auch die aus Trinidad stammenden Sopranistin Jeanine de Bique, die ihre Rolle als Climene mit starker Bühnenausstrahlung spielte. Sie bot sowohl darstellerisch wie stimmlich eine solide Leistung. Ihr ebenbürtig der italienische Countertenor Antonio Giovannini in der Titelrolle. Auch er konnte mit seiner in vielen Barockpartien gereiften Stimme überzeugen und riss das Publikum mit seinem Duett mit La Fortuna (ebenfalls von Rinnat Moriah gesungen) und seiner Cavatine zu Szenenapplaus hin.
So wenig das Publikum von der Inszenierung angetan war, so begeisterte zeigte es sich von der stimmlichen Qualität des gesamten Sängerensembles. Auch der zweite Countertenor des Abends, der Russe Artem Krutko, überzeugte als Epalo ebenso wie der südkoreanische Tenor Namwon Huh als Orcane. Die Mezzosopranistin Elisabeth Auerbach lieh der Rolle der Libia Liebreiz, aber auch Temperament, Philipp Mathmann war als Sonnengott Il Sole der dritte Countertenor des Abends. Ausgebildet zum Bariton, wurde vor einigen Jahren seine Begabung in Falsett entdeckt. Sein Solo war exzellent vorgetragen.
Das Philharmonische Orchester gab unter der Leitung von Felice Venanzoni, der auch am Hammerklavier spielte, die reizvolle und ausdrucksstarke Partitur des Komponisten nuancenreich und schwungvoll zum Besten.
Das Publikum belohnte das Sängerensemble für seine Leistungen am Schluss mit lang anhaltendem Beifall, dessen Phonstärke für den Dirigenten und das Orchester noch anschwoll. Für das Heidelberger Theater, das seit Jahren das Festival Winter in Schwetzingen durchführt, ein weiterer musikalisch großer Erfolg.
Udo Pacolt