Berlin/ Deutsche Oper Berlin (DOB): DER ROSENKAVALIER –MAGIE DER VERZAUBERUNG (20.12.2014)
Am Ende des 1.Aktes der jüngsten Berliner Rosenkavalier-Miniserie fiel der Vorhang und das Publikum verharrte Sekunden-lang in totaler Stille. Dann setzte erst der große Jubel ein und zuletzt gab es sogar „standing ovations“. Diese „Magie der Verzauberung“ stellt sich nur ein, wenn eine Vorstellung den Rang des Außergewöhnlichen erreicht. Und der „Rosenkavalier“ von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal in der DOB entsprach durchaus diesem Kriterium. Die „Komödie für Musik in 3 Akten“ öffnete den Blick in die seelischen Abgründe, in die Angst vor dem Altern, vor dem Ende einer Beziehung – kurzum der Humor war nur vordergründig. Und die „Wienerische Farce“ wandelte sich flugs zum echten Seelendrama, das der Stadt von Freud und Schnitzler voll gerecht wird.
Die Hauptverantwortung dafür hatten 3 mitwirkende Künstler – der hinreißende Dirigent David Runnicles, die phänomenale Elina Garanca in der Titelrolle und Michaela Kaune als feinnervige Marschallin. Dazu kam eine großartige Inszenierung von Götz Friedrich (Bühne + Kostüme. Gottfried Pilz + Isabel Ines Glathar) aus dem Jahr 1993. Sie siedelt das Stück nicht zur Zeit von Maria Theresia an sondern um 1910 – dem Jahr der Uraufführung des „Rosenkavalier“ –an. Und es reduziert die Rokkoko-Fassade auf das Wesentliche – auf das Drama des Endes einer unerlaubten großen Leidenschaft zwischen einem 17jährigen „Cousin“ und einer zumindest doppelt so alten verheirateten Aristokratin. Und auf den „Neubeginn“ einer „Liebe auf den 1.Blick“, deren Ende man nur ahnen kann. Der Octavian von Elina Garanca ist jedenfalls epochal. Die lettische Mezzo-Sopranistin ist als junger Liebhaber ebenso glaubhaft wie als „ Mariandl“. Sie singt den schwierigen Schluss des 1. Aktes ohne jede Mühe in der Höhe; bei der Rosenüberreichung betört sie mit ihrer sinnlichen Mittellage und als „Mariandl“ sitzt ihr der Schalk im Nacken. Und im Terzett und im Schluss-Duett schöpft sie erst recht vokal aus dem Vollen. Da können die Partnerinnen nicht mehr mithalten. Die in Hamburg geborene Michaela Kaune ist eine extrem lyrische Marschallin – wie einst etwa Lisa della Casa. Sie ist im 1. Akt großartig. Für das Terzett ( das David Runnicles mit dem Orchester der DOB sehr dramatisch anlegte) fehlt ihr der große Atem und die Steigerung zum Final-Höhepinkt. Aber insgesamt – Hut ab! Leider kann auch die Sophie nicht wirklich mithalten.
Die Einspringerin Eun Yae You aus Korea hat einfach zu wenig Material für den „Rosenkavalier“. Immerhin liefert sie eine innige Rosenüberreichung und ein „silbriges“ Schluss-Duett. Der Ochs von Albert Pesendorfer ist fast zu jung. Und so fehlt dem Oberösterreicher auch für das große Finale im 2.Akt die „Humor-Pranke“. Aber mit der Tessitura (extrem hoch und tief) kommt er gut zurecht. Auf der Strecke bleibt der „aufgeblasene, schlechte Kerl“ und auch den Erotomanen nimmt man ihm nicht wirklich ab. Dennoch – ein Bass-Bariton mit Zukunft-Potential. Wunderbar hingegen der Faninal des Markus Brück, ausgezeichnet Fionnuala McCarthy als Faninal-Freundin Marianne Leitmetzerin. Endlich einmal ein toller Auftakt des 2. Aktes! Positiv fällt auch noch Dana Beth Miller als Annina auf. In jedem Fall: eine außergewöhnliche Vorstellung!
Peter Dusek