WIEN / Theater an der Wien:
CINQ-MARS von Charles Gounod
Konzertante Aufführung
27. Jänner 2015
Nicht nur Theaterstücke gehen auf Tournee, sondern seit langem schon Konzertproduktionen. Vordringlich jene barocken Opern, die es schwer auf Bühnen schaffen, aber ein immer größeres Publikum alter Musik finden. Dann Abende, die rund um einen Star zusammen gestellt werden (wie jüngst mit Joyce DiDonato). Oder auch Raritäten, denn glücklicherweise existiert auch dafür ein Publikum, das sich bei jedem unbekanntem Werk sagt: Besser konzertant als nie. Und ebenso glücklicherweise ist das Theater an der Wien schon seit langem Anlaufstelle für solche Produktionen, unter denen sich auch Juwelen befinden.
„Cinq-Mars“ aus der Feder von Charles Gounod zählt bestimmt dazu. Mit „Faust“ und „Romeo et Juliette“ hat sich der französische Großmeister auf den Spielplänen gehalten, der Rest von dreißig Jahren Opernschaffen ist vergessen – in seiner Heimat bekommt man gelegentlich „Mireille“ zu hören, mehr ist nicht geblieben. Umso höher muss man schätzen, „Cinq-Mars“, das Drame lyrique von 1877, kennen zu lernen, das mit einem ziemlichen Aufwand an Personen und einer verwirrend tragischen Handlung auf den Zuhörer zukommt. Diese erstrahlt in Gounods prachtvoller Melodik geradezu und besticht vor allem durch bemerkenswerte stilistische Vielfalt – vom Pomp am Hof zu Versailles und schmetternder Jagdmusik über geballte Dramatik bis zu intimsten Liebesduetten. Man kann sich tatsächlich nicht satt hören.
Es handelt sich dabei übrigens um eine historische Geschichte – Cinq-Mars war ein Höfling des 17. Jahrhunderts, der nach der Teilnahme an einer Verschwörung hingerichtet wurde, wobei romantische Liebesverstrickungen ihn erst zu einem Roman- und schließlich zu einem Opernhelden machten.
Die Produktion mit dem Münchner Rundfunkorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks unter Ulf Schirmer, die auch noch in Versailles erwartet wird, sich also der Heimat des Komponisten (mehr noch, dem originalen Schauplatz der Geschichte!) stellt, kam nun auch in das sehr volle Theater an der Wien. Der Abend erntete nicht zuletzt deshalb so viel Jubel, weil es in der ganzen großen Besetzung nicht einen schwachen Punkt gab – und unter den durchwegs Guten noch besondere Höhepunkte zu bieten hatte.
Anders als in München übernahm Charles Castronovo wie vorgesehen den Titelpart, ein in allen Lagen geschmeidiger Tenor mit problemlosen Höhen, dort mit nur ganz geringem Qualitätsverlust.
Véronique Gens überragte nicht nur optisch alle ihre KollegInnen, sondern prunkte auch geradezu mit strahlenden Tönen. Marie Lenormand als Ninon de l’Enclos konnte, weil ihre Rolle nicht groß war, sich mit ihrem schönen Mezzo nicht ähnlich entfalten.
Tassis Christoyannis ließ einen nicht alltäglichen Bariton hören, eine ungewöhnlich schöne, kräftige Stimme mit warmem Timbre, die das Publikum umweglos einfing. Aber auch André Heyboer ließ einen überdurchschnittlichen Baß hören. Jacques-Greg Belobo, auch eine ausgezeichnete Baß-Stimme, war in einer kleineren Rolle eingesetzt, der Rest entsprach auf hohem Niveau.
Sehr viel verdienter Applaus für eine dankenswerte Begegnung.
Heiner Wesemann