Wiener Konzerthaus: JOSEPH CALLEJA – THE GOLDEN VOICE am 28. Jänner 2015
TENORISSIMO!!!
Joseph Calleja. Copyright: DECCA
Auf den Tag genau zwei Jahre nach seinem letzten Solo-Auftritt kehrte Startenor Joseph Calleja im Rahmen der „Great Voices“-Reihe wieder ins Wiener Konzerthaus zurück. Seine sofort wiedererkennbare Stimme mit diesem traumhaft schönen Timbre und der ausgezeichneten Technik machen ihn zum Rolls Royce unter den gegenwärtigen Startenören.
Auf der ersten Seite des Programmes heißt der Tenor sein Publikum persönlich Willkommen, erzählt von seiner Liebe zu Wien und was das Publikum von seinem Konzert erwarten darf. Eine schöne Geste.
Musikalisch unternahm Calleja eine musikalische Reise von Tschaikowsky über Gounod und Offenbach bis Verdi und Puccini.
Der erste Teil wurde mit Tschaikowsky’s Net, tol’ko tot, kto znal eröffnet mit dem Calleja den Zuhörern sofort seine außergewöhnlich zärtlich-lyrischen Fähigkeiten in Erinnerung rief. Dabei stellte man fest, dass sein leicht traurig anmutendes Timbre sich in idealer Weise mit der russischen Sprache und Musik vereinigt. Da darf man sich schon jetzt auf eine seiner zukünftigen Rollen, den Lenski in Eugen Onegin, freuen. Das Questa o quella aus Rigoletto (es muss ja nicht immer La donna e mobile sein) klang nach einem selbstbewussten und sehr potenten Herzog, dessen Interpret aber auch die nötige Flexibilität im Vortrag mitbrachte. So hätte man das gerne von einem anderen Tenor beim neuen Rigoletto in Wien im Dezember gehört. Aber man kann ja nicht alles haben.
Die Arie des Romeo aus Gounod’s Romeo et Juliette gelang nicht ganz so zufriedenstellend. Etwas kurzatmig im Vortrag wurden manche Phrasen nicht ausgereizt sondern eher zu kurz angedeutet. Schade, denn sein Timbre ist ideal für das Französische Fach. Hier ist eindeutig noch Luft nach oben. Viel besser gelang ihm da der „Kleinzack“ aus Offenbach’s Hoffmann’s Erzählungen. Hier schlüpfte er förmlich in die Titelrolle und spielte mit Mimik und Gestik die Arie mit. Dabei ist anzumerken, dass Calleja auch rein von seinem Auftreten her eine beachtliche Entwicklung durchgemacht hat. Er hat enorm an Persönlichkeit dazugewonnen, verströmt Charisma und tritt heute viel selbstbewusster vor sein Publikum als noch vor einigen Jahren. Das Publikum liebt ihn, und Calleja weiß das.
Seine stärksten Momente hatte der Sänger, der vor wenigen Tagen erst 37 Jahre alt geworden ist und trotzdem bereits in seinem 18. (!!!) Karrierejahr steht, mit Arien des Italienischen Faches. La dolcissima effigie aus Adriana Lecouvreur, E la solita storia del pastore aus L’Arlesiana und O figli, o figli miei! … Ah, la paterna mano aus Macbeth ließen einen Sänger auf allerhöchstem Niveau hören. Seine Technik ist ausgezeichnet, die Stimme spielt alle „Stückl’n“, die Höhen sind bombensicher, die Mittellage ist geschmeidig und breit, er wechselt mühelos vom kraftvollen Forte ins zarteste Piano, und seine Diminuendi macht ihm in dieser Qualität derzeit keiner nach.
Das Konzert fand seinen Höhepunkt bei E lucevan le stelle aus Puccini’s Tosca, einer Arie die Calleja als seine Lieblingsarie bezeichnet und die er eigentlich bei keinem Konzert auslässt. Und er sang sie auch diesmal wieder in Perfektion. Beim Diminuendo bei le belle forme discioglea dai veli hätte man die berühmte Stecknadel fallen hören können. Tosender Jubel nach der Arie, doch zu diesem Zeitpunkt hatte Calleja sein Publikum schon lange erobert.
Zwischendurch gab es auch „leichtere“ Kost, Lieder wie Vaghissima sembianza von Stefano Donaudy und Ideale von Francesco Paolo Tosti.
Als kleiner Nachteil erwies sich der Umstand, dass Frederic Chaslin das Brünner Philharmoniker Orchester nicht leiten konnte und ganz kurzfristig von Paolo Bressan ersetzt werden musste, wie Joseph Calleja während des Konzertes dem Publikum erzählte. Der aus Varese stammende Dirigent hat ganz gerne ordentlich aufgedreht, was der Polonaise aus Eugen Onegin oder der Ouvertüre zu Verdi’s La forza del destino ganz gut stand. Dass er manchmal sogar eine tragfähige Stimme wie die von Calleja etwas in Bedrängnis brachte unterstrich seine Tendenz zu manchmal übertriebener Opulenz und zeigt wohl, dass hier nicht mehr wirklich geprobt werden konnte und der Dirigent einfach nicht immer optimal auf den Tenor eingestellt war. Zu den Orchesternummern gehörten ferner noch die Ballettmusik aus Faust, die Barcarolle und das Intermezzo aus Manon Lescaut.
Am Ende des Konzertes wurde natürlich heftig und völlig zu recht gejubelt und auf dem Boden getrampelt. Dadurch erjubelte sich das Publikum mehrere Zugaben wie No puede ser, Mattinata und O sole mio. Der Andrang auf Autogramme, die Calleja im Foyer im Anschluss gab, war dementsprechend groß und man darf sich freuen, diesen außergewöhnlich begabten Tenor im Herbst wieder an der Wiener Staatsoper zu hören, wenn er den Rigoletto-Herzog singen wird.
Lukas Link