Philharmonie/ Musikfest Berlin: Auftaktkonzert mit Daniel Barenboim und Martha Argerich, 15.09.2013
Dieses Bild werde ich garantiert nicht vergessen. Nach Ludwig van Beethovens „Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15“setzen sich Martha Argerich und Daniel Barenboim an den Flügel und spielen vierhändig eine Zugabe, so als hätten sich zwei Geschwister erstmals nach langer Zeit getroffen und machten nun Hausmusik.
Daniel Barenboim und Martha Argerich spielen als Zugabe Schubert, Foto Holger Kettner
Zum Tatort dieser unerwarteten und berührenden Erlebnisses wird jedoch die total ausverkaufte Philharmonie. Dieses Konzert ist das letzte Großereignis beim diesjährigen, sehr erfolgreichen Musikfest Berlin.
Vor wenigen Minuten hat Martha Argerich zusammen mit Daniel Barenboim und der Staatskapelle Berlin jenes Beethoven-Konzert, mit dem der 25-Jährige 1795 in Wien als Komponist und Pianist reüssierte, eindrucksvoll zu Gehör gebracht und dafür lang anhaltenden Applaus erhalten. Nach der Draufgabe – ein Stück aus Franz Schuberts Klavierwerken zu 4 Händen- ernten nun beide stehende Ovationen.
Schon zuvor hat Frau Argerich, von der New York Times einst als „Königin der Löwen“ bezeichnet, überrascht und diesmal nicht mit der Pranke in die Tasten gehauen. Das durchaus auf Wirkung hin komponierte Werk legt die inzwischen 72-Jährige an diesem Abend eher gesanglich an, lässt die Läufe unaufgeregt perlen, und das nicht erst beim Largo, dem 2., gefühlvoll dargebotenen Satz.
Sie gibt sich nach anfänglicher Zurückhaltung gelöst, muss sich und uns ja nichts mehr beweisen. Schon das anfängliche „Allegro con brio“ besaß ein eher wärmendes Feuer. Erst beim „Rondo“ und dem anschließenden „Allegro scherzando“ brilliert sie, bringt temporeiche Triller und fein gestaltete Übergänge, wird aber niemals laut.
Zwei Geburtstagskinder kommen in diesem Konzert ebenfalls musikalisch zu Wort. Den Auftakt macht Witold Lutosławskis 15-minütiges „Mi-parti“ für Orchester. Nach einem Super-Pianissimo-Start überlässt Barenboim das Geschehen weitgehend der Staatskapelle, pointiert nur die späteren Fortissimo-Passagen, um dann wieder ganz leise zu schließen. Allerdings wirkt das Ganze eher wie ein Muss zum hundertsten Wiegenfest des in diesem Jahr entsprechend oft gespielten Lutosławski.
Doch zuletzt bei Verdi ist Barenboim wieder voll in seinem Element. Unterstützt vom großartigen Rundfunkchor Berlin – einstudiert von Simon Halsey – gratuliert er Giuseppe mit Herz und Bravour zum Zweihundertsten und ehrt ihn posthum mit dessen „Quattro pezzi sacri“, den heiligen vier Stücken, die Verdi im hohen Alter zusammen gestellt hatte.
Wunderbar zart leuchten die Soprane des oft prämierten Chors beim anfänglichen „Ave Maria“, das a capella durch den großen Saal schwebt. Bei anschließenden „Stabat Mater“ liefert Barenboim mit den Seinen jedoch starke Kontraste, macht daraus – ganz im Sinne Verdis – ein Stück große Oper.
Einen erneuten Kontrast bietet danach der Chor mit dem Marienlob (Laudi alla Virgine Maria), einem weiteren a capella Stück, gefolgt vom „Te Deum“, was Verdi gregorianisch beginnen lässt. Anschließend wird’s wieder heftig, wird zur Gottesverherrlichung mit Pauken und Trompeten. Barenboim bringt das zumeist knackig-knallig, malt in starken Farben. Aquarell ist – bis aufs „Misere nostri, Domine“ – kaum angesagt. Mit klarem Sopran intoniert zuletzt Evelin Novak Verdis Bitte um Milde, doch Barenboim und die Staatskapelle haben dieses „Te Deum“ eher zur Erlösungsgewissheit umgeformt. Verdi war diesbezüglich skeptischer. Ursula Wiegand (Das 2. Konzert heute Abend im Konzerthaus ist ebenfalls ausverkauft)