Mannheim: „DANIIL TRIFONOV + KREMERATA BALTICA“ 15.02.2015
Vor knapp einem Jahr erlebte ich Daniil Trifonov, den jungen, russischen Pianisten hier an gleicher Stelle in Begleitung des London S.O. mit dem „2. Klavierkonzert“ von Frédéric Chopin.
Nun gastierte der 24-Jährige inzwischen zum Superstar avancierte Künstler beim ProArte-Konzert im Rosengarten und hatte beide Chopin-Konzerte in der Bearbeitung für Streichorchester von Yevgeniy Sharlat im Gepäck. Begleitet wurde Trifonov vom hervorragenden Ensemble Kremerata Baltica.
Solist und Kammerorchester absolvierten am Faschings-Sonntag regelrecht ein Mammut-Programm: Daniil Trifonov spielte vor der Pause zunächst das bereits erwähnte „2. Klavierkonzert“ , erwies sich wiederum als exemplarischer Interpret des polnischen Meister-Komponisten und verblüffte mit solistischen Maßstäben der Superlative. Der junge Pianist begeistert bei Chopin nicht nur mit manueller Mühelosigkeit, grenzenloser Klangschönheit, wie wir es bisher von ihm kannten nein auch mit einer Emotionalität die staunen macht.
Man muss beim ersten Satz Maestoso nur die durchdringenden Oktaven hören oder die Inbrunst des subtilen Spiels, um die einsame Klasse dieses Interpreten zu erfassen. Das Larghetto verströmte den Atem eines besonnenen Könners. Viele Details sind zu bewundern, etwa die feine Phrasierung der makellosen Tastenläufe oder der blühende Gesangston.
Unglaublich die gezügelte Leidenschaft mit welch gefühlvoller Empfindsamkeit Trifonov dem Allegro Vivace begegnet und dennoch einen gerundeten, dynamischen Klavierklang zaubert.
Die hohe Schule des Begleitens demonstrierte das Kammerorchester Kremerata Baltica in zarten Tönungen eines reinen Streichorchesters. Faszinierend war die konzentrierte, virtuose, transparente Orchestrierung in seiner spielerisch leichten Art zu erleben.
Solistisch glänzte zunächst das exzellente Ensemble mit der „Kammer-Symphonie Nr. 1“ von Mieczyslaw Weinberg. Diesem polnischen Komponisten widerfuhr in den letzten 2 Jahren im Opernbereich eine wahre Renaissance, die UA von „Der Idiot“ in Mannheim, ebenso der Produktion in Oldenburg sowie „Die Passagierin“ in Karlsruhe und demnächst in Frankfurt.
Im symphonischen Bereich des viersätzigen Werkes bedient sich Weinberg einer impressionistischen Klangsprache. Das Ergebnis ist eine rhythmisch, harmonische, komplexe Musik, welche das vorzügliche Streichorchester sehr inspiriert musizierte und ungemein plastisch offerierte.
Nach der Pause erklang eine selten aufgeführte Miniatur von Henryk Mikolaj Górecki
„Drei Stücke im alten Stil“, in ihrer Melodik sehr den kanonischen Passagen der „Klagelieder-Symphonie“ verwandt.
Völlig unüblich im Konzertgeschehen spielte nun der Senkrechtstarter am Pianistenhimmel Trifonov nun Chopins „Klavierkonzert Nr. 1“. Kraftvoll profiliert der Solist den Kopfsatz Allegro maestoso, prägnant jedoch merklich gedämpft meißelt er die autodynamische Themendualität. Betörend leicht, in bittersüßen Kantilenen gesponnen erklang das Larghetto.
Trifonov so schien mir, oder lag es an der kammermusikalischen Fassung nahm das finale Rondo Vivace langsamer im natürlich atmenden, fast gesanglichen Musizieren, doch nicht weniger prägnant und formvollendet und sinnerfüllt im hochmotivierten, virtuosen Zugriff.
Ein Aufschrei des Publikums und Rufe der Begeisterung quittierten die exzellenten Interpretationen. Merklich blass erhob sich der Gefeierte, flüsterte mit einem Musiker und ließ sich sodann hinaus führen. Auf wackligen Beinen, mit weniger tiefen Verbeugungen nahm Trifonov nochmals zwei Huldigungen entgegen und verschwand.
Eine Übermüdung? Mit Blick auf den Terminkalender des jungen Künstlers wäre ein Schwächeanfall durchaus legitim – wünschen wir ihm von Herzen eine baldige Genesung.
Gerhard Hoffmann