Quantcast
Channel: KRITIKEN – Online Merker
Viewing all articles
Browse latest Browse all 11208

WIEN/ Volksoper: PARISER LEBEN. Premiere

$
0
0

Premiere Volksoper 21.02.2015 „Pariser Leben“


Elisabeth Schwarz und Christian Drescher. Foto: Barbara Palffy/Wiener Volksoper

 Eine durchgeknallte eher, schräge Inszenierung wurde dem Premierenpublikum an diesem Abend präsentiert. Bei der älteren Generation möge hier vielleicht auch noch Walter Felsensteins Neubearbeitung und Inszenierung in den Köpfen verankert sein. Ebenso mögen sich vielleicht auch noch einige an die Produktion 1980 (mit Helga Papouschek, Peter Minich, Siegried Martikke, Mirjana Irosch und Adolf Dallapozza) erinnern.

 Unverständlich ist, warum man sich nicht an die Vorgaben des wohl dramaturgisch besten französischen Librettos (Henri Meilhac und Ludovic Halévy) hält. Wenn man dieses Original-Libretto einmal liest, dann weiß man, mit wie viel Ideenreichtum und mit welcher unnachahmbaren Komik dies Werk bestückt und in Verbindung mit Offenbachs Musik geradezu ein Garant für einen triumphalen Erfolg ist. Ein Werk, das nicht nur in Frankreich, sondern auch auf deutschen Bühnen immer wieder gern gespielt wird. Ebenso wie „Orpheus in der Unterwelt“, „Die schöne Helena“, „Großherzogin von Gerolstein“ und „La Perichole“ zu den meist gespielten Werken zählen.

 An der Wiener Volksoper bediente man sich nun einer Neubearbeitung, die offenbar so voller Enthusiasmus zwar entstanden sein mag, wo es auch an Phantasiereichtum keineswegs fehlte, hier aber Frivolität und Humor derart überzogen waren, sodass sich diese Neuproduktion sich doch eher zu einem Klamaukstück entwickelte. Wo für Auge und Ohr zu viel des Guten und wo die Feinheiten jener Ironie und des intelligenten Humors entfernt vom Ursprung des Verfassers und Komponisten sich zwar zu einem wahren Spektakel  entpuppte, aber die Identität des Stückes und die Charakteristik der einzelnen Rollen dadurch total verloren gingen.

Vielleicht ist es heute modern etwas verändern zu wollen – aber Veränderung und Fortschritt muss nicht immer die absolute Krönung sein. Regisseur Michiel DIJKEMA versetzte das Werk in unsere heutige Zeit und ließ im wahrsten Sinne des Wortes die Puppen tanzen. Das inzwischen heruntergekommene Montmartre, ein wenig Moulin Rouge und Folies Bergére Atmosphäre, ein Gemisch von Sandler, Prostituierten, Gemischtwarenhändlern und Neuankömmlingen aus aller Welt sollen das Straßenbild beleben. Recht bunt geht es hier zu, manchmal zu bunt, was vom eigentlichen Geschehen der Hauptprotagonisten ablenkt. Die Kostüme (Claudia DAMM) sind bunt, aber ebenso auch teilweise geschmacklos für einige Chordamen, deren Proportionen nicht gerade vorteilhaft zur Geltung kommen. Im Auge des Betrachters wirken selbst die Kostüme ein wenig übertrieben – aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Originell dagegen der Lastwagen der Pariser Opernhäuser, der über die Bühne rollte, und wo dem Chauffeur durch geschickte Ablenkungsmanövern die Kostüme für die einzelnen Verkleidungsszenen aus dem Container entwendet wurden. Obwohl man sich hier einer Drehbühne bediente, die die einzelnen Straßenbilder opulent erscheinen ließ, so bot sich in den solistischen Szenen doch eher ein karges Bühnenbild. Ein großer Raum mit blauem Rundhorizont, in denen einige Möbelstücke hineingestellt wurden.

 Solistisch gesehen sind hier einige Rollen charakteristisch und vom Typ einfach fehlbesetzt.  Annely POEBO schien hier in der Rolle als Escort-Dame Metella zwar stimmlich zu überzeugen, aber es fehlte doch das Divenhafte und der nötige Sex – Appeal. Einer Frau deren Verführungskünsten man normal nicht widerstehen kann, wirkte hier eher ermüdend und nicht gerade überzeugend. Aber vielleicht hat sich auch hier der Geschmack des männlichen Geschlechts geändert, so wie sie zumindest in dieser Inszenierung zum Ausdruck kam. Kurt SCHREIBMAYER (Baron von Gondermark) versucht aber sein Bestes, kann zeitweise sogar sehr komisch sein und zieht darstellerisch und stimmlich hier alle Register. Seine Gattin Baronin von Gondermark (Caroline MELZER) spielte die Rolle souverän und ließ darstellerisch und stimmlich keine Wünsche offen. Solide waren  Daniel PROHASKA (Raoul Gardefeu) und Ramus BORKOWSKI als Bobinet Chicard. Doch vom Pariser Charme ist auch hier wenig zu spüren, was offenbar auch an der schlechten Personenregie liegen mag. Entzückend dagegen Elisabeth SCHWARZ als Gabriele so wie sie im Buche steht – der Handschuhmacherin ebenbürtig war der Schuster Jean Frick, hier gespielt und gesungen von Christian DRESCHER. Auch Johanna ARROUAS als Pauline konnte hier ein wenig Charme versprühen. Des Weiteren erfreulich im zweiten Teil erschien Helga PAPOUSCHEK als Madame de Quimper-Karades. Doch warum musste in der Neubearbeitung Madame de Folle-Verdure hier ebenso als alte Schachtel dargestellt werden, wo sie doch in der Originalfassung die Nichte von der Tante ist. Nun irgendwie war in dieser Neubearbeitung und in der Inszenierung alles verdreht und undurchsichtiger – ein Mix aus pariserischem aber doch eher wienerischen Flair – eine weitere Neubearbeitung mit dem Titel „Wiener Leben“ würde hier sicherlich wie eine Bombe einschlagen.

 Pariserisch war hier zumindest die auch optisch gelungene Revueszene kurz am Ende des Finales. Im Orchester gab es unter dem Dirigat von Sebastian ROULAND leider einige musikalische Ungenauigkeiten, wobei aber, nachdem man schon über einige Fehler auch in der Inszenierung hinweggesehen hatte, die musikalische Leistung durchaus zufriedenstellend war.

Das wirkliche Problem war hier die Phonetik einzelner Solisten und aber auch von Seiten des Chors, bei dem – wenn man nicht gerade die Operette in – und auswendig kennt –  viele Text -aber auch musikalische Passagen einfach nicht verstanden hat. Wenn das sogar einem neujährigen Mädchen aufgefallen ist, dann mag wohl wirklich etwas Wahres daran sein.

Daher wäre wirklich zu wünschen ein Voice – Coaching, das heute an internationalen Opernhäusern wie Paris, London und New York eigentlich schon eine Selbstverständlichkeit ist.

Nichtsdestotrotz vernahm man einen begeisterten Premierenjubel, der aber doch mehr oder weniger den Solisten galt, die mit großer Spielfreude ihr Bestes gaben – auch wenn vieles überspielt und überzogen war.

Manuela Miebach

Diese Seite drucken


Viewing all articles
Browse latest Browse all 11208


<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>