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STUTTGART: ONEGIN mit würdevollen Debut zum Geburtstag

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Stuttgarter Ballett: „ONEGIN“ 27.2. 2015– mit würdevollem Debut zum Geburtstag!

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   Miriam Kacerova als junge begehrende Tatjana. Copyright: Stuttgarter Ballett

 
 Georgette Tsinguirides, John Crankos Choreologin aus den Kindertagen dieser Tanzschrift-Lehre und bis heute unermüdliche und unschätzbare Hilfe bei der Einstudierung seiner Werke, feierte an diesem Abend ihren 87. Geburtstag. Eine gute Gelegenheit, sie am Ende dieser Vorstellung, vom stellvertretenden Ballettintendanten Tamas Detrich auf Händen auf die Bühne zu tragen und nebst großlettrigem Glückwunsch-Hänger und einem großen Strauß weißer Rosen auch vom Publikum feiern und wieder einmal würdigen zu lassen.

Die Vorstellung, bei der zugunsten der Stiftung „Tanz, Transition Zentrum Deutschland“ zur Förderung von Tänzern im Übergang zu einem zweiten Berufsweg 5,– Euro mehr pro Platz erhoben wurden,  dürfte denn auch das größte Geschenk für die Jubilarin gewesen sein, zumal im Mittelpunkt ein überaus erfreuliches Debut stand, an dessen Erfolg sie selbst wie schon bei unzähligen anderen davor Anteil hatte. Miriam Kacerova heißt die Glückliche, die ihre Freude, nach 10 Jahren beim Stuttgarter Ballett und als jüngst ernannte Erste Solistin endlich Tatjana sein zu dürfen, spürbar werden ließ. Die Feinsinnigkeit und ohne Effekthascherei auskommende darstellerische Ader bestimmte bereits ihre beiden bisherigen Hauptrollen Giselle und Desdemona und verschaffte nun sowohl dem jungen Landmädchen als auch der gereiften Dame der St.Petersburger Gesellschaft eine umfassende Glaubwürdigkeit und Teilhabe an ihrem Gefühlsleben. Selten hat eine Tatjana so gestrahlt, wenn ihr im Traum Onegin durch den Spiegel tritt und sie auf einen Höhenflug mitnimmt, als hätte ihn ihr der Himmel geschickt, selten ist ihr Fiebern auf dem Geburtstagfest, der Ersehnte möge sie endlich erhören, so herzerweichend zu erleben und selten hat eine an der Seite des Gatten Gremin (diesmal der wärmend zugetane und ausgeglichen hebende Damiano Pettenella) neben tiefer Dankbarkeit auch den Stolz des erreichten Standes mitschwingen lassen. Vor dem Erscheinen des brieflichen angekündigten Onegin stehen ihr Angst und Bangen zugleich im Gesicht geschrieben. Es dauert denn auch lange, bis sie sich für ein paar Takte von ihrem romantischen Jugend-Schwarm umstimmen und mitreißen lässt, ihm aber dann aber doch in letzter Konsequenz mit dem zerrissenen Brief die Tür weist und mit ihren aufgewühlten und (auch musikalisch so trefflich eingefangenen) sich überstürzenden Gefühlen total verzweifelt zurück bleibt. Wie oft haben wir  Ballettomanen dieses unübertreffliche Ballettfinale schon erlebt und müssen feststellen, dass es immer wieder aufs Neue fesselt und wie an diesem Abend gleichzeitig begeistert. Zumal bei Miriam Kacerova auch rein choreographisch gesehen alles eine runde, stimmige Sache war, leicht auf Spitze, dynamisch in den Arabesquen und Sprüngen und schön geformt in den Linien. Auf dieser sehr guten Basis kann sie jetzt noch Details und verinnerlichten Ausdruck schärfen. Am sinnvollsten weiterhin an der Seite von Alexander Jones als Onegin, der ihr als technisch versierter Partner viel Sicherheit bot und charakterlich an Dichte gewonnen hat, wenn auch noch nicht in allen Phasen und Situationen überzeugend, mehr als Lenski lustvoll Provozierender und später um so stärker um Tatjana Kämpfender, weniger als Weltmüdigkeit Ausstrahlender und Tatjana leidenschaftlich Erscheinender.

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und gleichfalls überzeugend als gereifte Frau (mit Alexander Jones als Onegin). Copyright: Stuttgarter Ballett

Auch als Schwester Olga ist ein willkommener Neuzugang zu verzeichnen: Halbsolistin Elizabeth Wisenberg schenkt ihr viel Lebenslust, den Charme einer unbeschwerten Frohnatur sowie eine weitgehend gut ausbalancierte Spitzen-Agilität. In ihren Tanz mit Onegin legte sie durch eine Mischung aus Verwirrtheit und Geschmeicheltsein große Spannung. Statt David Moore, der während der vorabendlichen Vorstellung ausgefallen war und im weiteren Verlauf durch Daniel Camargo ersetzt wurde, bekam dieser gleich in Folge eine Gelegenheit seinen bisher erhebliche Mängel aufweisenden Lenski in den Griff zu bekommen. Und siehe da – die Figur beginnt nun richtig Gestalt anzunehmen, und die besondere Verkettung technischer Herausforderungen, besonders im Pas de deux, bewältigt er so, dass mehr und mehr eine Einheit entsteht. In das von Leid und Todesahnung durchtränkte Abschiedssolo taucht er nun tiefer ein, und sein deutlich hoch kochender Zorn gekränkter Ehre kulminiert in einer beängstigend echten Duell-Herausforderung.

Allem in allem ein gefühlsbeutelnder Abend mit genügend Grund zu viel Publikumsjubel.                                                   

Udo Klebes

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