Berlin/ Deutsche Oper: Umjubelte Premiere von Puccinis „LA RONDINE“, 8.3.2015
Aurelia Florian, Magda, mit Charles Castronovo, Ruggero, Foto BettinaStoess
Wen sollen Opern erfreuen, die Kritiker, die fast immer etwas zu bemäkeln haben (und doch so gerne loben möchten), oder das Publikum? Natürlich das Publikum, und das ist hier zuletzt ganz hin und weg vor lauter Begeisterung. Bravi en masse tönen durch die ausverkaufte Deutsche Oper Berlin. „I think I hear no right,“ sag’ ich dazu mal auf “Denglisch”.
Samt und sonders werden alle gefeiert, insbesondere das Liebespaar Magda und Ruggero, verkörpert durch die Einspringerin Aurelia Florian (an Stelle von Dinara Alieva) und Charles Castronovo. Anfangs irritieren bei ihr einige schrille und leicht unsaubere Töne, doch bald singt sich Frau Florian frei, und auch ihr Partner legt im Verlauf deutlich zu. Nach dem gesanglich und darstellerisch gelungenen dritten Akt haben die zwei die Bravi durchaus verdient.
Eigentlich lässt Giacomo Puccini die beiden in dem Schlussakt eine Bohème-light-Variante singen. Auch Verdis La Traviata klingt an, was dieser Puccini-Oper den Spitznamen „Traviata für Arme“ einbrachte. Allerdings siecht Magna, die hiesige Hauptperson, nicht dahin. Vielmehr trennt sie sich wegen ihrer zwielichtigen Vergangenheit – und schon von der bürgerlich romantischen Liebe gelangweilt – von dem Mann, der sie mit Erlaubnis der fernen Frau Mama unbedingt heiraten möchte.
Kinder kriegen und eine gute Mutter werden, das reizt sie schon gar nicht. Die Schwalbe (= la Rondine) will laut dem Libretto von Giuseppe Adami – nach der deutschen Vorlage „Die Schwalbe“ von Alfred Maria Willner und Heinz Reichert – weiter frei übers Meer fliegen, wie ihr aus der Hand gelesen wurde. War es gekonntes Kalkül, diese Premiere auf den 8. März, den Internationalen Frauentag, zu legen?
Weh tut die Trennung beiden, ihm aber mehr als ihr. Die lyrische Komödie, wie sie genannt ist, bekommt also auch tragische Aspekte, für Ruggero auch lächerliche. Denn dem setzt Magda zuletzt eine Gaze-Maske vors Gesicht, wie sie drei fast unbewegliche Herren während der ganzen Aufführung tragen müssen. Aha, das sind wohl ihre früheren Liebhaber.
Solches jedoch herzzerreißend zu vertonen, ist Giacomos ureigenstes Metier. Wo Puccini draufsteht, ist auch Puccini drin, jedoch einer, der an seine großen Würfe nicht mehr heranreicht und sich nun selbst zitiert. Wenn von der Morgenröte die Rede ist, rückt Madame Butterfly näher. Da er „die grauenvolle Musik der Gegenwart“ hasste, blieb er sich treu und mischte gekonnt seine bisherigen Ingredienzien.
Eigentlich hatte Puccini zunächst den Auftrag, eine Operette zu komponieren, doch das lehnte er ab. Dennoch wirkt der Anfang von La Rondine recht operettenhaft und manches auch wie von anderen abgeguckt. Bezeichnenderweise nannte sein Verleger Ricordi „La Rondine“ einen „schlechten Lehár“ und verweigerte die Annahme.
Noch erstaunlicher ist jedoch Puccinis Realitätsverweigerung. 1916 war diese lyrische Komödie fertig, mitten im Ersten Weltkrieg, als schon viele an den Fronten verblutet waren. Erst am 27. März 1917 fand sich die kleine Oper von Monte Carlo zur Uraufführung bereit.
Trotz der lautstarken Begeisterung ist „La Rondine“ in den Ohren der Kritikerin weder Fisch noch Fleisch, und darüber hinaus unverhohlenem mit allerlei Kitsch garniert. Eine Oper, die Puccini auf dem Abstieg vom Zenith zeigt. Wen wundert’s, dass sie höchst selten auf den Spielplänen führender Häuser steht. An der Deutschen Oper Berlin zum ersten Mal.
Erstmalig in Berlin inszeniert auch Ex-Startenor Rolando Villazón. Es ist wohl seine vierte Regie und erweist sich als anständige Arbeit konservativen Zuschnitts. Das Etikett „German Trash“ würden ihr die Briten garantiert nicht anheften und sich wohl eher am großformatigen Venus-Bildnis im Hintergrund delektieren.
Die Abschweifung ins Pariser Nachtleben – mit Charlston-Kleidern und Bubikopf, mit Marlene-Dietrich-Zylinder und Hosenanzug wie im Berlin der Zwanziger Jahre (Bühne: Johannes Leiacker, Kostüme: Brigitte Reiffenstuel) – passt zwar thematisch nicht ganz, macht aber immerhin munter.
Alexandra Hutton (Lisette) und Alvaro Zambrano (Prunier). Foto: Bettina Stoess
Hier glänzt insbesondere das Buffo-Paar mit der spritzigen Alexandra Hutton als Magdas Zofe Lisette und Álvaro Zambrano als der Dichter Prunier, der schauspielerisch ein bisschen den früheren Villazón imitiert. Beim letzten Akt – das (hoch verschuldete) Liebespaar ganz in Weiß in einer eleganten Villa am Meer – hat wohl die „Gala“ Pate gestanden.
In den übrigen Rollen bewähren sich als Rambaldo: Stephen Bronk, als Perichaud / Rabonnier: Noel Bouley, als Gobin: Matthew Newlin, als Crebillon: Thomas Lehman, als Yvette / Georgette: Siobhan Stagg, als Bianca / Gabriella: Elbenita Kajtazi, als Suzy / Lollette: Stephanie Lauricella und als Haushofmeister: Carlton Ford. Das Sopransolo singt Elbenita Kajtazi, den Adolfo und das Tenorsolo: Matthew Newlin.
Den musikalischen Erfolg des Abends garantieren vor allem das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der kundigen Leitung von Roberto Rizzi Brignoli, der das Beste aus dieser Partitur herausholt. Für die Choreographie ist Silke Sense verantwortlich. Und ein Hoch auf die Chöre, einstudiert von William Spaulding!! Die werden zu Recht bejubelt.
Ursula Wiegand
Weitere Termine: 12., 14., 18. und 27.03 sowie am 29.06. und 03.07.