Stuttgart: „NABUCCO“ 10.3.2015 – Vom Sieg des Musikalischen
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Erstklassiger Verdi-Sopran mit Temperament – Anna Pirozzi als Abigaille. Copyright: A.T.Schaefer
Mit ihrem Einspringen als Abigaille in eine konzertante Aufführung von Verdis frühem Opernerfolg unter der Leitung von Riccardo Muti bei den Salzburger Festspielen 2013 hat sie erstmals international auf sich aufmerksam gemacht. Doch die Neapolitanerin Anna Pirozzi verfügte bis dahin schon über reichlich Rollen- und Bühnenerfahrung, so dass uns bei ihrem Stuttgarter Debut keine Anfängerin begegnet, sondern eine Sängerin, die so richtig voll im Saft ihrer stimmlichen Mittel steht, aus dem Vollen schöpfen kann und dabei nie den Eindruck erweckt über ihre Verhältnisse zu singen, ihrer Stimme damit auf Dauer schaden zu können. Grundlage ist zum einen üppige vokale Substanz und dazu eine gesunde Technik, mit der sie zwischen den als vermeintliche babylonische Königstochter enorm geforderten Gängen von gewichtiger Tiefe bis zu explosiver Höhe beständig hin- und her schalten muss. Einer perfekt erzeugten Attacke stehen gleichmäßig auf dem Atem gestützte lyrische Oasen wie im ersten Teil ihrer großen Arie oder beim Todes-Arioso gegenüber, die Übergänge gelingen auch dank des genau auf sie eingehenden Dirigenten (dazu später) bruchlos und alles zu einem organischen Ganzen verknüpfend. Außerdem hat die Süd-Italienerin eine ordentliche Portion (Bühnen)-Temperament zu bieten, mit dem sie der ehrgeizigen Abigaille zusätzlich noch eine darstellerische Glaubwürdigkeit beschert. Mit ihr präsentierte sich in dieser zwei Jahre alten Inszenierung von Rudolf Frey bereits die vierte Rollenvertreterin und alle wurden den exorbitanten Anforderungen der virtuosen Dramatik von Verdis Frühwerk in vollem Umfang gerecht. Von der immer wieder kursierenden Krise dramatischer Verdi-Soprane kann jedenfalls nicht die Rede sein.
Die bisherigen beiden Titelrolleninterpreten konnten den furiosen Damen durchaus Paroli bieten, dem jetzt erstmals in Erscheinung getretenen Aserbeidschaner Evez Abdulla gelang dies leider nur in eingeschränkter Weise. Es dauerte bis zum 3. Akt, mit seiner eher gedrungenen Körpergröße Präsenz ausspielen zu können. Als mehr und mehr unter Abigailles Dominanz schwächelnder, dann delirierender und zuletzt wieder neue Energie gewinnender König formte er Phrasen von geradezu berstender Expressivität. Letztlich kam dies aber nur ansatzweise zum Tragen, weil sein Bariton zu weit hinten, wie eingeengt sitzt und dadurch einen manchmal unschön verquollenen Klang annimmt und generell zu schmal und wenig durchsetzungsfähig wirkt. Eventuell könnte der Wechsel des Gesangslehrers/in korrigierende Einwirkung haben und die Stimme zu ihrer fähigen Größe öffnen.
Somit hatte es Premieren-Zaccaria Liang Li mit seinem warmen, runden, mal legato-sämigen, dann Autorität gebietend fülligen und mühelos das Ensemble überstrahlenden Bass leicht, auf der männlichen Seite zu dominieren und sich auf Augenhöhe mit Abigaille zu bewegen.
Diana Haller (Fenena) und Gergely Nemeti (Ismaele) sowie der in jeder Beziehung famose und in den Bann geballter wie auch erweichender Gesangskraft ziehende Staatsopernchor wiederholten ihre rollendeckenden Leistungen, Ashley David Prewett gab dem Oberpriester deutliches vokales Gewicht und die spielerische Lockerheit der hier als Magier fungierenden Baals-Anführers, Thomas Elwin (Abdallo) und Josefin Feiler (Anna) aus dem Opernstudio ließen brauchbare Stimmen mit Zukunfts-Potenzial hören.
Die musikalische Leitung hatte nun der Erste Kapellmeister Simon Hewett übernommen. Nach den vorgelegten überzeugenden Ergebnissen zweiter italienischer Meister gab auch er dem Werk einen mitreißenden frischen Schliff mit akkurat sitzender Rhythmik, mitatmender Begleitung sowie immer wieder aufhorchen lassenden instrumentalen Hervorhebungen. Solchermaßen animiert konnte sich auch das Staatsorchester Stuttgart von seiner Schokoladenseite zeigen.
Udo Klebes