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DORTMUND/ Konzerthaus: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER – konzertant

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Konzerthaus Dortmund: „DER FLIEGENDE HOLLÄNDER”-  konzertant am 20. September 2013

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Yannick Nézet-Séguin. Foto: Petra Coddington

 Alle Opern wurden von  Komponisten und  Textdichtern für die Aufführung im Theater geschrieben. Das zeigt  besonders Richard Wagner, der in teils sehr langen Regieanweisungen genau beschrieben hat, wie er sich das Bühnenbild und das seiner Musik entsprechenden Verhalten der Darsteller vorstellt. Wenn dies auch heute kaum noch direkt umsetzbar ist, bemüht man sich stattdessen manchmal um das Gegenteil in Form von Rahmenhandlungen, zweiter Handlungsebene mit Verdrehung der eigentlichen Handlung,  und was sonst das Feuilleton, nicht unbedingt der Zuschauer, als besonders sensationell lobt. So scheint es etwa bis auf ganz wenige Ausnahmen (z.B. jetzt Wiesbaden) ein Tabu geworden zu sein, bei einer Aufführung des „Fliegenden Holländer” ein oder die vorgeschriebenen zwei Schiffe anzudeuten, obwohl besonders im I. Akt dauernd davon gesungen wird. Es wird ja  niemand gezwungen, Wagnersche Erlösungsmystik zu inszenieren, wenn er sie nicht mag!. Da wundert es  nicht, wenn etwa der frühere Dortmunder GMD Marek Janowski u.a. im Interview des WDR seine Auffassung darlegte, Opern  nur noch konzertant aufzuführen, wobei er mit  seinem Wagner-Zyklus in Berlin grossen Erfolg hatte.

Auch im Konzerthaus Dortmund wurden seit seinem Bestehen immer wieder Opern konzertant oder halbszenisch aufgeführt. Weil Wagner sehr farbig orchestriert mit vielen Soli einzelner Instrumente  eigenen sich seine Opern gut   für konzertante Aufführungen, wie am letzten Freitag mit dem „Fliegenden Holländer” zu erleben war, dargeboten durch das Rotterdam Philharmonic Orchestra, unter Leitung seines Chefdirigenten Yannick Nézet-Séguin und dem Chor der Nederlandse Opera.

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Emma Vetter, Egils Silins. Foto Petra Coddington

Für die Titelpartie war vorgesehen Evgeny Nikitin, dessen Auftritt in Bayreuth bekanntlich  auf Betreiben von Presseorganen wegen eines angeblichen Swastika-Tattoos von der Festspielleitung kurzfristig verhindert wurde. Dieser sagte am Morgen der Aufführung wegen einer Erkältung ab, vielleicht zusätzlich verständlich dadurch, wie er in einem Interview mit  Julia Gaß von den örtlichen Ruhr-Nachrichten  am letzten Mittwoch erklärt hatte, daß bei konzertanten Opernaufführungen die musikalischen Anforderungen höher seien, weil er sich  nicht hinter Kostüm, Bühnenbild und Regie verstecken könne.

   Grosses Glück hatten das Konzerthaus und die Zuhörer, daß ganz kurzfristig in Egils Silins ein mindestens gleichwertiger Ersatz gefunden werden konnte, bewundernswert, weil dieser noch am Abend vorher den „Wanderer” in „Siegfried” beim Enescu-Festival in Bukarest gesungen hatte. Opernfans im Ruhrgebiet ist Silins in allerbester Erinnerung als „Walküren-Wotan” am Aalto Theater in Essen in der Inszenierung von Hilsdorf und der ML von Stefan Soltesz. Der damalige begeisternde Eindruck wurde durch die sängerische Gestaltung des „Holländer” bestätigt. Schon im Monolog des I. Aktes gelang es ohne Schwierigkeiten, sich mit bestens fokussiertem kernigen Bariton, wo gefordert legato, und weitgehend textverständlich gegen das auf  der Bühne platzierte grosse Orchester durchzusetzen. Das „mezza voce” zu Beginn des Duetts im II. Akt  ganz ohne Orchester – die grosse Herausforderung für Wagner-Sänger – sang er innig und liess mit der hier ähnlich anrührend singenden Senta der Emma Vetter das Duett  zum Höhepunkt des Abends werden bis hin zum Schluß des Duetts, wo sie alle Töne der gegenläufig zu singenden Oktave trafen.

Vorher hatte Emma Vetter passend blond und in jungfräulich-weissem Kleid mit hochdramatischem Ausdruck die Ballade gestaltet, ausreichend  verhalten zu Beginn die Quint-Quart-Sprünge, dann mit kräftigem sforzato auf den hohen Auftakt- g und schliessend mit  strahlenden Spitzentönen

Eine sehr überzeugende sängerische Leistung zeigte Franz-Josef Selig als Daland, jeder Ton saß bestens, er gestaltete grosse  Legatobögen und war trotz des umfangreichen Orchesters hinter ihm völlig textverständlich. Das kann man überhaupt nicht sagen vom Erik des Frank van Aken, der erst in der Cavatine des III. Aktes und da besonders in der Schlußphase „Versicherung deiner Treu” zu tenoraler Hochform gelangte. Agnes Zwierko als feierlich rotgekleidete Mary und Torsten Hofmann als Steuermann ergänzten passend das Ensemble.

Hoch hinter dem Orchester platziert klang mächtig  der großbesetzte Chor der Nederlandse Opera, der für eine Bühnenaufführung des „Holländer” in Amsterdam (ML Hartmut Hänchen) noch von Martin Wright einstudiert worden ist. Der schnelle Damenchor „Das Schiffsvolk kommt mit leerem Magen”. (Prestissimo possibile schreibt Wagner) kam durchsichtig und präzise. Die Herren sangen im III. Akt mit grosser Wucht das „Steuermannslied”, sollten sie als Chor einer Seefahrernation ja auch können! Höhepunkt war das Gegeneinander von Matrosenchor und Chor der Holländermannschaft, letztere postiert seitlich oben, auch mit Einsatz von Pfeifen und Windmaschine.

Einem grösseren Publikum bekannt geworden durch sein Dirigat von „Roméo et Juliette” bei den Salzburger Festspielen ließ Yannick Nézet-Seguin  mit dem Rotterdamer Philharmonischen Orchester neben exakter wenn auch nicht immer rücksichtsvoller Sängerbegleitung beschwingt und zügig alle  Entwicklungen und Effekte der Musik  erklingen. Gleich nach raschem Beginn der Ouvertüre legte er beim  Andante  einen starken Tempowechsel ein, da konnte  das Englisch Horn glänzen. „Mit einem furchtbaren Krach” wie Wagner schreibt, ließ das Schlagzeug das Holländerschiff an Land stossen. Stellvertretend für die vielen sauber gespielten Soli seien die  weich und rund klingenden Hörner genannt oder die ausdrucksvolle Einleitung der Cavatine des Erik durch Oboe und Klarinette. Spannungsvoll begleiteten  Bratschen und Celli den Holländer-Monolog im I. Akt  Gleich sieben Kontrabässe sorgten für das passende Bassfundament. 

Das Publikum im ausverkauften Konzerthaus – vor Beginn wurden noch Karten gesucht – zeigte nach dem von Geigen und Harfe zart gespielten Erlösungsschluß seine Begeisterung durch kräftigen Beifall, auch stehend, und viele Bravos.

Sigi Brockmann

 

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