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WIEN/ Staatsoper: TRISTAN UND ISOLDE

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WIENER STAATSOPER: TRISTAN UND ISOLDE  am 21.9. 2013

Es war die sechste Aufführung dieser Produktion, die in Tokio eingekauft worden war und naturgemäß einige Spuren des traditionellen japanischen Nō- und Kabuki Theaters enthält. Dies erklärt auch, das über weite Strecken langweiliges Stehtheater vorherrscht, wenn auch dank der exzellenten Mimik der Protagonisten an diesem Abend die Statik einigermaßen ausgeglichen wurde. Regisseur Sir David McVicar und seinem Ausstatter Robert Jones ist da nicht viel eingefallen, um einer herabsinkenden Nacht der Liebe den erforderlichen Lebensodem einzuhauchen. Im Text Wagners ist ohnehin alles vorgegeben. Man muss ihn nur richtig lesen, verstehen und umsetzen. Wagner ist nur scheinbar prüde, es geht hier ans Eingemachte in dieser Nacht der Liebe, zugegebener Maßen allerdings äußerst subtil verpackt.

Und so steht das zweitbedeutendste Liebespaar der Weltliteratur, nach Romeo und Julia, mitten auf der Bühne und liefert stimmlich meisterhaft die Verse Wagners zu des Jahresregenten höchsteigener Musik ab.

Mögen auch die Matrosen im ersten Akt in der Choreographie von Andrew George eine Referenz an die Samurai der Edo-Zeit, die vom 16. bis zum 19. Jhd. das  Nō-Spiel pflegten, sein, irgendwie wirkt das Ganze außerhalb Japans eher komisch und aufgesetzt. 

Peter Seiffert ist für meinen Geschmack derzeit der weltbeste Tristan. Da sitzt jeder Ton, jede Nuance, jede Phrase. Er vermag seine Stimme, besonders im zweiten Akt im Liebesduett mit geradezu lyrischer Italianità zu führen und ist dann im dritten Akt, eine große Herausforderung für jeden Tristandarsteller, zu gewaltigen Verzweiflungsausbrüchen fähig, ohne an Stimmvolumen zu verlieren! Bravissimo! Übrigens hat sich Tristan bereits in der letzten Inszenierung an der Wiener Staatsoper von Günter Krämer (2003) ebenfalls in das  Schwert von Melot gestürzt, um seinen untreu gewordenen Freund nicht anzuhalten, ihn, den treulos Treuen, zu töten. Warum hat man diese schöne Produktion eigentlich nicht weiter behalten, sie gefiel mir um einiges besser?

Übrigens gab es bei ihm einige Versprecher, etwa im dritten Akt, wenn er statt „hab ich des Trankes Gifte getrunken“ singt „hab ich des Giftes Trank getrunken“. Zwei Substantive vertauscht, wen kümmerts bei der stupenden Gesamtleistung, für die er zu Recht am Ende der Vorstellung Bravorufe einheimste.  

Ihm zur Seite stand in Linda Watson eine mehr als ideale Isolde, die alle Nuance dieser Figur überzeugend verkörpert. Zunächst noch zweifelnd und erbost über den untreuen Tantris (vgl. Ernst Hardt „Tantris der Narr“, Drama in fünf Akten, 1907), dann, nach Einnahme des Liebestrankes, zur stürmisch Liebenden und nach der tödlichen Verwundung Tristans zur hingebungsvollen und leidenden Ärztin mutierend, die sich schließlich in ihrem finalen Schwanengesang verklärt. Sie ist stimmlich in Bestform, wenn sich auch zwei Mal ein Spitzenton etwas gepresst anhörte. Schade nur, dass Dirigent Franz Welser-Möst sie bei den Zeilen „in des Weltatems wehendem All“ mit dem Fortissimo spielenden Orchester regelrecht zudeckte, sodass diese Zeilen im Rausch der Musik untergingen. Ein forte hätte da genügt!

Der in Kopenhagen geborene dänische Bass Stephen Milling hat eine respektable Röhre mit prägnanter Diktion. Leider betont er des Öfteren Worte mit Doppelkonsonanten, wie etwa  „erfüllen, kennen, nennen, getroffen…“ in seinem großen Monolog in der dritten Szene des zweiten Akts falsch. Ergreifend ist er in seiner Darstellung des zunächst noch gekränkten und schließlich, wissend geworden, weisen und verständnisvollen König Marke. Eine völlig andere Sicht auf diese Figur hat Georg Kaiser in seiner Tragikomödie in fünf Akten  „König Hahnrei“ (1913), der, nachdem er endlich durch seine Diener von der Untreue seiner Gattin Isoldes und seines Neffen Tristan überzeugt werden konnte, beide mit einem Speer tötet.

Janina Baechle enttäuschte als stimmlich verquollene Brangäne und ließ sich vor dem dritten Akt als indisponiert entschuldigen. Eigenartiger Weise gefiel mir ihre Stimme gerade im dritten Akt, da hatte sie ein herrlich dunkles Timbre.

Markus Eiche gab mit dem Kurwenal sein gelungenes Rollendebüt an der Wiener Staatsoper. Er hat einen besonders leuchtenden kräftigen Bariton, der besonders schön im dritten Akt mit den Verzweiflungsausbrüchen Tristans harmonierte. Bravo!

Es gab aber noch zwei weitere Rollendebüts an der Wiener Staatsoper: Zunächst der aus Madrid stammende spanische Bariton Gabriel Bermúdez als intriganter Parvenü Melot mit präziser Diktion und einnehmender  Bühnenpräsenz. Pavel Kolgatin wiederum verlieh seinen hellen Tenor  dem jungen Seemann.

Gratulieren muss man auch James Kryshal für sein Rollendebüt an der Staatsoper als Hirte. Marcus Pelz ergänzte noch stimmlich wie darstellerisch bestens als Steuermann.

Der Chor der Wiener Staatsoper sang gut geführt von Martin Schebesta aus der rechten Proszeniumsloge.

Natürlich schätze ich Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst sehr. Er ist Gott sei Dank kein Stardirigent mit dem Hang zu manch übertriebener Geste oder spleenigen Attitüde, sondern ein einfühlsamer Koordinator des musikalischen Geschehens im Graben und auf der Bühne in bester Kapellmeistertradition. Und die Wiener Philharmoniker folgten ihm dabei bereitwillig, ließen sich aber auch – wie bereits erwähnt – bei Isoldes finalem Gesang dazu verleiten, diese fast völlig zuzudecken. Dies mag mit ein Grund gewesen sein, dass einige vereinzelte zaghafte Buhrufe zu hören waren, als er von Linda Watson zur Verbeugung auf die Bühne geholt wurde. Dennoch war es in musikalischer Hinsicht ein gelungener Abend. Sternstunden sind nicht inflationär und so muss man festhalten, dass der Abend, von ganz wenigen Abstrichen abgesehen, in sehr guter Erinnerung bleiben wird.                                                    

Harald Lacina

 

 

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