Berlin/ Philharmonie: “DUO-RECITAL” Gidon Kremer / Denis Kozhukhin, 01.04.2015
Duo-Recital, Gidon Kremer, Denis Kozhukhin, Foto Thomas Bartilla.
Die Grippewelle grassiert und macht auch vor den FESTTAGEN der Staatsoper nicht Halt. Erst hat sie Anja Kampe, die Kundry im neuen „Parsifal“, erwischt, nun Martha Argerich. Für sie springt kurzfristig der 27jähirge Russe Denis Kozhukhin ein. Nachdem er im Jahr 2010 den ersten Preis des renommierten Königin Elisabeth Wettbewerbs in Brüssel gewonnen hatte, standen und stehen ihm die Türen führender Häuser offen. Nun auch in Berlin.
Und er nutzt seine Chance und zeigt, dass er zu Recht zu den vielversprechendsten Talenten gezählt wird. Auch wird schnell deutlich, dass es ihm nur um die Musik geht. Kein Gramm Selbstgefälligkeit, kein Krümel Show! Seine Verbeugungen fallen knapp aus. Denis Kozhukhin macht hier Musik und sonst gar nichts, macht es mit stupender Technik und einem angenehm sinnlichen, doch nie süßlichen Gefühl für Romantik.
Sein Einspringen führte zu einer Programmänderung. Kozhukhin hat die „7 Fantasien Op.116 für Klavier“ von Johannes Brahms für sich ausgewählt und donnert zunächst kraftvoll los. Statt der „Königin“ der Löwen (Martha Argerichs Spitzname) hier also ein junger Löwe mit Power, bald aber auch mit Samtpfoten.
Drei der sieben Teile hat Brahms „Capriccio“ genannt. Hier lässt es Kozhukhin tänzerisch schillern, um dann die letzte Fantasie in Brahms Sinne auszuhauchen. Der junge Künstler hat also die Noten und Phrasierungen nicht nur in den Fingern, sondern auch in Herz und Hirn. Wenn er diesen Weg weitergeht, wird er ein Star.
Der weltweit hochgeschätzte Violinvirtuose Gidon Kremer (67) ist an diesem Abend der führende Partner. Auch er ein ganz in sich gekehrter Musiker. Einer, der den Stücken bis in die feinsten Verästelungen folgt. Die „Sonate Nr. 2 op. 95 für Violine solo“ von Mieczysław Weinberg (1919-1996) bildet den Auftakt. Weinberg, ein enger Freund von Dmitri Schostakowitsch, aus der Vergessenheit zu holen, ist Kremers Anliegen.
Doch dieses Werk von 1967 mit seinen 7 kurzen Sätzen wirkt einerseits wie das Herzeigen moderner Kompositionsdetails und erinnert mich andererseits an Czernys „Schule der Geläufigkeit“, hier als Geigenvariante. Ein recht trockenes, schwieriges Stück gespickt mit Doppelgriffen, Übungsmaterial für angehende Violinisten.
Keine Frage, dass Kremer es meisterhaft beherrscht und das Beste daraus macht, wirkt aber kühl bis and Herz hinan. In den hohen Passagen bohrt seine Amati Violine von 1641 die Pianissimi wie Nadelspitzen in die Luft. Insgesamt bleibt diese Sonate selbst im Presto agitato anämisch. Doch das (nach der Argerich-Absage geschrumpfte) Publikum lässt sich darauf ein, lauscht konzentriert und spendet lebhaften Beifall.
Deutlich mehr an Temperament und Freiheiten hat sich Weinberg 1979 in der „Sonate Nr. 3 op.126 für Violine solo“ gestattet, die Kremer mit Elan und Einfühlvermögen nach der Pause spielt. Auch das ein äußerst anspruchsvolles Stück, wiederum Doppelgriffe en masse, trickreiche Triller, aber auch volksliedhafte Melodiebögen. Ganz leise verebbt die Musik, so als wäre sie Weinbergs Abgesang.
Zu einem tatsächlichen „Duo-Recital“ kommt es nur im letzten Werk, der „Sonate A-Dur für Violine und Klavier“ FWV 8 von César Franck (1822-1890). Nun setzt sich Kozhukhin die Brille auf und guckt, anders als bei den Brahms-Fantasien, in die Noten. Erst vor 48 Stunden ist er eingesprungen. Doch seine perfekte Technik und sein musikalischer Spürsinn ermöglichen es ihm, diese Sonate so darzubieten, als gehöre sie zu seinem Repertoire.
Bei dieser romantischen und melodienreichen Musik blüht Kremers Violine wunderbar auf, doch er selbst scheint nach wie vor unterkühlt. Er spielt seinen Part mit Finesse und Delikatesse, widmet jedoch seinem jungen Partner fast keinen Blick. Beide machen ihr Ding, und letztlich passt alles erstaunlich gut zusammen.
Jubel und einige Bravos belohnen die beiden, und schließlich – nach einigen getrennten Verbeugungen – ergreift „der Vater“ doch noch die Hand „des Sohnes“.
Ursula Wiegand