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FRANKFURT: „JAMES EHNES + HR S.O. – ANDRÈS OROZCO-ESTRADA

Frankfurt: „JAMES EHNES + HR S.O. – ANDRÈS OROZCO-ESTRADA“ Konzert 16.04.2014

 Finnisch-deutsch geprägt war das Programm im Abo-Konzert des Hessischen Rundfunk Sinfonieorchesters. Zu Beginn erklang das mystisch-oszillatorische Orchesterwerk „Orion“ der finnischen Komponistin Kaija Saariaho. In diesem Werk zeichnet die Tonsetzerin in einem großangelegten symphonischen Werk nicht nur ein Sternenbild, sondern auch das Portrait des übereifrigen Jägers und Göttersohns Orion. Als Metapher eilt der junge Gott über den Himmel, in Form von abstraktem Musikmaterial, angereichert mit vielen Schlaginstrumenten erklingt diese programmatische Komposition in gewaltigen, klangtechnischen Dimensionen.

 Verhalten, fast verklärt der Beginn durch das Weben der Streicher,  sich allmählich atmosphärisch steigernd in Harmonien, Rhythmen des gesamten Klangspektrums des Instrumentariums. Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada musiziert mit dem hervorragend aufspielenden Orchester diese mikrotonalen Intervalle zum spektakulären Klangrausch.

 Im „Violin-Konzert“ von Jan Sibelius gab der kanadische Geiger James Ehnes sein Frankfurt-Debüt und präsentierte sich als überlegen gestaltender Solist. Mit großem Atem der Bogenführung zeichnet er melodische Linien, selbst in hohen Lagen noch anziehend klangvoll. Glasklar intoniert Ehnes die herrliche Melodie des Allegro moderato, gestaltet weitsichtig und feinsinnig die Kadenz zum geheimnisvollen Schleier der begleitenden Streicher.

Stimmungsvoll durchdringt der famose Solist das tiefromantische Hauptthema des Adagio di molto und setzt individuelle Akzente. In überschäumender Ekstase, ausgefeilter Technik und unglaublicher Virtuosität spielt James Ehnes den „danse macabre“ (vom Komponisten selbst so bezeichnet) des finalen Allegro. Orozco-Estrada setzte mit dem ausgezeichnet begleitenden Orchester die gewichtigen Parts unter Spannung und schuf plausible Verdichtungen zwischen den rhythmischen Formteilen. Das Publikum war begeistert und wurde mit zwei Auszügen der „Sonaten Nr. 2 + 3“ (Bach) belohnt.

Nach dieser nordischen Kombination wählte man zum Ausklang des Konzertabends die „Zweite Symphonie“ von Johannes Brahms. Mir schien, der Chef des HR SO. wählte in Kenntnis der Materie, eine minutiöse Ausleuchtung der Partitur, vorrangig dem sonst gewohnten Brahms-Pathos.

Ohne große Einleitung erhebt sich das Allegro non troppo im Serenadenton die heiter-beschauliche Grundstimmung des Werkes, geprägt von außergewöhnlichem Melodienreichtum. Pastoral lässt Orozco-Estrada die Bläserstimmen intonieren im unüberhörbar tragisch gefärbten Unterton, als Klangsymbol des Bedrohlichen. Lieblich versonnene Streicherelemente leiten das Adagio ein, malen bezaubernde Stimmungen und der Dirigent motiviert mit dem bestens disponierten Klangkörper die thematische Entwicklung. Hebt die tiefen Streicher mit den hinzu tretenden Hörnern hervor und lässt den melodischen Reichtum, in der Ökonomie der Mittel anschwellen.

 Dem Allegretto grazioso mit seinem tänzerischen Mittelteil schenkt Orozco-Estrada rhythmische, himmelwärts strebende Gewichtigkeit. Lebhaft wiederholt sich das Hauptthema des ersten Satzes zum Allegro con spirito, der umsichtige Chefdirigent variiert das Seitenthema im lebhaft, energischen Verlauf und führt im temperamentvollen Einsatz der Holzbläser und Trompeten das Orchester in den strahlend-jubelnden Finalchoral.

Sehr herzlich wurde diese Interpretation gefeiert.

 Wurde mir in dieser Konzertsaison das Glück zu teil, die namhaften, europäischen Philharmoniker zu erleben, stellte ich heute wiederum ohne Einschränkungen fest: das HR SO. nimmt salopp formuliert, in dieser Liga nach wie vor einen hohen Stellenwert ein.

 Gerhard Hoffmann

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