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WIEN/ Staatsoper: DON PASQUALE. Premiere

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DON PASQUALE -  Wr. Staatsoper / PREMIERE am 26.4.2015

(Heinrich Schramm-Schiessl)


Juan Diego Florez. Copyright: Barbara Zeininger

 Die Grundstruktur des Werkes – alter Mann liebt junges Mädchen und ist am Schluss der Düpierte – gibt es in zahlreichen „lustigen“ Opern des 18. u. 19. Jahrhunderts. Die beiden populärsten Werke dieses Genres sind ohne Zweifel Rossinis „Barbiere“ und Donizettis „Don Pasquale“. Während jedoch der „Barbiere“ nach der Wiedereröffnung des Hauses erstmals bereits 1957 (im Redoutensaal der Wr. Hofburg) auf den Spielplan gesetzt wurde und dann seit der Neuinszenierung 1966 ein Dauerbrenner im Repertoire ist, führte Donizettis Meisterwerk eher ein Schattendasein. Es gab zwar 1962 eine Neuinszenierung im damals von der Staatsoper mitbespielten Theater an der Wien mit der unvergessenen Graziella Sciutti als Norina und Giorgio Tadeo (in späteren Aufführungen auch Fernando Corena)  in der Titelpartie, allerdings brachte es diese Produktion nur auf 10 Aufführungen. Danach dauerte es bis 1977, als man für eine Tournee der Arbeiterkammer (für Nichtösterreicher: die Interessensvertretung aller Arbeiter und Angestellten) durch ganz Österreich eine Produktion in deutscher Sprache mit Edita Gruberova als Norina, Oskar Czerwenka in der Titelrolle und Luigi Alva (!) als Ernesto herausbrachte. Diese wurde nach Ende der Tournee auch im Haus am Ring gezeigt und 1980 sogar in italienischer Sprache, nochmals mit dem unvergesslichen Fernando Corena, neueinstudiert. 1984 fand von dieser Produktion dann die letzte Vorstellung statt.

 31 Jahre später entschloss man sich also, das Werk wieder in den Spielplan aufzunehmen und engagierte dafür die Tochter eines berühmten Vaters als Regisseurin, nämlich Irina Brook. Sie verlegte das Werk nicht nur, fast könnte man sagen, no na, in unsere Zeit, sondern auch in eine Art Kaffeehaus oder Bar – zu letzterem werde ich später noch kommen. Fairerweise muss man jedoch sagen, dass die zeitliche Verlegung bei diesem Werk nicht wirklich stört, denn diese Handlung ist tatsächlich zeitlos. Ihre Absicht, die Titelrolle nicht als polternde Lustspielfigur zu gestalten, war sicher auch dem Titelrollensänger geschuldet, der kein Buffo, sondern ein seriöser hoher Bass ist, der gelegentlich Ausflüge ins Buffofach macht. Man muss bei der Gelegenheit aber anmerken, dass auch die meisten Buffos diese Rolle nie als Knallchargen anlegten, sondern ihr ebenfalls menschliche Aspekte abgewannen. Leider ist die Umsetzung dieses Konzeptes nicht wirklich gelungen, denn irgendwie kam die Handlung nicht vom Fleck, „es rannte der Schmäh nicht“, wie wir in Wien zu sagen pflegen. Die Ursache ist sicher darin zu suchen, dass die Selbstverständlichkeit der Aktion fehlte, d.h. alles wirkte einstudiert. Damit meine ich, man hat genau gemerkt, wo die Regisseurin den Sängern gesagt hat, was sie machen müssen. Manche Gags wurden sogar überstrapaziert, so waren die gezählten 8x(!), die dem Pasquale die Perücke vom Kopf fällt, 7x zuviel. Ärgerlich auch, dass die Ouvertüre – eine der genialsten ihrer Art – szenisch unterlegt wurde. Aber das ist typisch für Regisseure, die vom Schauspiel kommen – sie vertrauen der Macht der Musik nicht. Wie oben schon angedeutet war auch das Bühnenbild von Noelle Gibefri-Corbel ein Problem. Die Verlegung in ein Kaffehaus oder eine Bar – als Nachtclub habe ich das eigentlich nicht empfunden – hat kaum eine Rolle gespielt, denn der rückwärtige Teil der Dekoration blieb fast den ganzen Abend unbenützt und die Handlung spielte sich an den drei Tischen im Vordergrund ab. Für die 2. Szene des 1.Aktes wurde Norinas Theatergarderobe hereingeschoben. Rein optisch ist gegen das Bühnenbild nichts einzuwenden, auch wenn mir zumindest die Pink-Töne im 3. Akt etwas zu intensiv waren. Die Kostüme (Sylvie Martin-Hyszka) waren durchaus kleidsam.

 Erfreulicher die musikalische Seite, auch wenn es – mit einer Ausnahme – durchaus auch hier Einwände gibt. Diese Ausnahme ist Juan Diego Florez als Ernesto. Es war sensationell, wie er die Rolle gestaltete. Egal ob emotionaler Ausbruch oder sehnsuchtsvolles Piano, hier stimmte jeder Ton. Dank seiner phänomenalen Technik vermochte er auch jedes Crescendo und jedes Diminuendo genau dort zu platzieren, wo es hingehört.  War schon die Arie mit Cabaletta im 2. Akt ein Gustostückerl, so wurde die Serenata im 3. Akt zum absoluten Lehrstück in Belcantogesang. Völlig zu Recht ist er in diesem Fach heute konkurrenzlos.


Michele Pertusi, Alessio Arduini. Copyright: DI. Dr. Andreas Haunold

Michele Pertusi in der Titelrolle war sehr gut, aber irgendwie wirkte er zu brav. Er sang alles korrekt, aber es fehlte für meine Begriffe eine gewisse stimmliche Charakterisierung der Rolle. Auch Alessio Arduini als Malatesta sang alles korrekt, nur machte sich bei ihm ein gewisses Vibrato bemerkbar. Ich hoffe, dass das nur Abendverfassung war, denn angesichts seiner Jugend wäre das sonst bedenklich. Speziell bei diesen Beiden fiel die von mir oben bereits erwähnte mangelnde Selbstverständlichkeit in der Aktion auf. Wenn nach dem Duett im 3. Akt dem Publikum nicht der Applaus förmlich aus den Händen gerissen wird, stimmt etwas nicht. Daran, wie sich einst – ich weiß schon die „Früher war alles besser-Fraktion“ – z.B. Fernando Corena und Rolando Panerai die Bälle zugespielt haben, durfte man natürlich nicht denken. Valentina Nafornità sieht als Norina wunderbar aus und spielt auch sehr quirlig – köstlich ihr Auftritt als schüchterner Blaustrumpf – agiert allerdings stimmlich nicht ohne Probleme. Die Stimme wäre zwar für die Rolle durchaus geeignet, aber ab der höheren Mittellage ist sie gezwungen zu forcieren, sodass die Spitzentöne, die sie gerade noch erreicht, fast wie geschrien wirken. Wolfram Igor Derntl war ein komischer Notar, dem man bei seinem Auftritt eine Bauchlandung abverlangte.

 Dass die ganze Produktion etwas „Ladehemmung“ hatte, lag leider auch am Dirigenten. Jesus Lopez Cobos wählte zwar durchaus das richtige Zeitmaß, ließ es aber an jeglichem Brio vermissen. Es ließ das Orchester nicht mitatmen, sodass ein relativ trockener Klang herauskam. Ausgezeichnet hingegen der Chor (Einstudierung Martin Schebesta). Der Dienerchor im 3. Akt – eines der Referenzstücke jedes Chores – war neben den beiden Tenorarien sicher ein Höhepunkt des Abends.

 Am Ende war die Aufführung beim Publikum zweifelsohne der Erfolg, den sich der Direktor erhofft hat. Es gab viel Jubel, vor allen Dingen natürlich für Florez und nur wenige – in meinen Augen letztlich unnötige – Buhrufe für das Regieteam.

 Heinrich Schramm-Schiessl    

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