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WIEN / Staatsoper: DAS RHEINGOLD

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WIEN / Staatsoper: 
DAS RHEINGOLD von Richard Wagner
13. Aufführung in dieser Inszenierung
16. Mai 2015 

Wenn ein Opernabend gerade am Anfang und am Ende einigermaßen „stimmt“, aber dazwischen die meiste Zeit so gut wie gar nicht – was ist das? In diesem Fall ein nicht eben viel versprechender Auftakt für den jüngsten „Ring des Nibelungen“-Zyklus an der Wiener Staatsoper, erstmals unter der Leitung von Simon Rattle, der noch nie ein häufiger Gast am Haus war – dreimal „Parsifal“ 2005, dreimal „Tristan“ 2009 verrät das immer nützliche Internet-Spielplanarchiv der Staatsoper. Klingt nach Wagner-Spezialisten, was er wohl nicht ist, er dirigiert sich bunt durchs Opernrepertoire.

Rattle, der 60jährige Brite, um dessen Nachfolge die Berliner Philhamoniker (er ist seit 2002 ihr Chef) dieses ulkige Theater aufführen, ist durchaus von der Aura des Besonderen umweht, vielleicht hat man sich deshalb auch einen besonderen „Ring“ von ihm erwartet. Na ja, mit dem Auftakt ist ja noch nicht alles verloren. Ganz zu Beginn, wenn aus dem Nichts eines dunklen Urtons (gibt es einen großartigeren Beginn einer Oper?) langsam, ganz langsam erst Wasser verfließt, zerfließt, bis dann der Strom zu rauschen beginnt – und das alles in Musik, ja, da schien das „Rheingold“ vielversprechend anzuheben, denn das ausreichend zu differenzieren, gelingt wirklich nicht jedem.

Klangfarben blieben auch die vielleicht einzige unbestrittene Qualität von Rattles „Ring“-Beginn, den er zum Finale  ausreichend dissonant enden ließ – und so soll es sein. Der Einzug der Götter in Walhall ist kein Triumph (auch so hat man es schon gesehen und gehört), sondern eine höchst fragwürdige Sache, blutig erzwungen, jetzt geht es eigentlich erst an, drei Opern lang müssen die unschuldigen Wotans-Kinder dann für den skrupellosen Papa (der trotzdem eine der faszinierendsten Gestalten der Opernliteratur ist) büßen, bis sich der Rhein wieder über alles legen, Unrecht begraben und Feuer löschen wird…Ungefähr 18 Stunden Musik später.

Rattle setzte auf einen kammermusikalischen Wagner, was man tun kann, wenn man nicht vergisst, ihn spannend zu machen. Aber nicht nur, dass er der Dirigent die offensichtlichen, in der Partitur angelegten Möglichkeiten der legitimen Effekte (der Auftritt der Riesen, der Abstieg nach Nibelheim u.a.) nicht nützte, es gab immer gewissermaßen besänftigende Schönheit, wo dramatische Ecken und Kanten angelegt sind, die man ehrlich vermisste. So hing der Abend auch immer wieder durch.

Allerdings auch, und da ist dann eher das Besetzungsbüro gefragt, weil hier so gut wie keine packenden Persönlichkeiten auf der Bühne standen, die ihrerseits einen Abend im Alleingang tragen. Tomasz Konieczny mag die Inszenierung inzwischen sehr gut kennen und im Detail wissen, was er als Wotan tut (abgesehen davon, dass die Ideen von Herrn Bechtolf nur von Guy Cassiers an der Scala unterboten werden) – aber Wagner zu singen, ist nicht nur eine Frage der Stimme, sondern auch des Stimmcharakters. Man hört immer wieder, wie sehr Konieczny sich bemüht, zumal in der Tiefe zu den breiten, sonoren Tönen zu finden, die einen Wotan ausmachen, kaum kommt er höher, kann er sein  quetschiges Timbre nicht aushebeln, mit dem man wohl einen Alberich singen kann, aber keinen legitimen Wotan – auch wenn dieser als moderner  Bösewicht und nicht als altdeutscher Gott angelegt ist…

Apropos Alberich, da hatte dieser Abend ja besonderes Pech: Weil Konieczny für den absagenden Michael Volle eingesprungen war, musste man sich einen Ersatz holen, und Richard Paul Fink mag den Alberich auch an der Met singen, an diesem Abend in Wien fiel er im ersten Bild fast aus, so viele Töne kamen einfach nicht, und als er dann im dritten und vierten Bild forcierend auftrumpfen wollte, hörte man die rudimentären Reste einer Stimme, die kaum für Sprechgesang reichten.

Und leider auch nicht auf Anhieb gelungen ist das Loge-Debut von Herbert Lippert, der in dieser Inszenierung schon unter Thielemann der Froh war und nun auf die große Charakterrolle aufspringen wollte. Was ihm schon darstellerisch sehr schwer fiel, ist das Konzept doch auf den schlanken, wendigen Adrian Eröd zugeschnitten (Norbert Ernst konnte da halbwegs mithalten), was für Lippert schon durch die überbewegliche Körpersprache zur schweren Mühe wurde. Er versuchte, hier durch übergrimassierende Überaktion ersatzweise ein eigenes Loge-Bild zu erstellen, was nicht zuletzt daran scheiterte, dass er entweder mit dem Studium der Rolle noch nicht zur letzten Bühnensicherheit vorgedrungen ist oder sie für ihn einen stimmlichen Grenzwert darstellt, den man immer wieder peinvoll hörte.

Bleiben wir bei den Schwächen, die bei den Herren dieses Abends gebündelt auftraten: Peter Rose hört man, bitte, viel lieber als (ausgezeichneten) Ochs, und Mikhail Petrenko, an diesem Abend Hausdebutant, muss seinen internationalen Ruf noch verteidigen – an diesem Abend waren die beiden Riesen einfach Stimmschwächlinge, die stellten wirklich keine Bedrohung dar.

Ja, und um die Wahrheit zu sagen, Heha, Heho, einen Donner glaubt man Boaz Daniel nie und nimmer (er lässt ihn auch nicht hören), der Froh des Jason Bridges war kaum vorhanden, und nur Herwig Pecoraro ließ hören, dass er den Mime „kann“. Aber das bessert das Resümee der Herren nicht wirklich auf.

Was die Damen betrifft, so hätte man sich gefreut, wenn sich Elisabeth Kulman mit diesen Frickas von ihrem Publikum verabschiedet hätte, aber Michaela Schuster lag die intrigante Ehefrau recht gut (besser jedenfalls als die Venus), sowohl im durchaus präsenten Agieren wie in der relativ hohen Tessitura der Rolle. Janina Baechle, früher selbst die Fricka, sang nun eine (auf Wunsch des Dirigenten?) extrem zurückgenommene, aber großteils schön klingende Erda.

Olga Bezsmertna als Freia-Blondichen und Ileana Tonca als  Woglinde, Ulrike Helzel als Wellgunde und Juliette Mars als Flosshilde entfalteten zwar nicht den vollen Zauber ihrer Partien, aber im Vergleich zu den Herren waren sie noch ansprechende Besetzungen.

Der Abend krachte im Gebälk. Sagen wir, dass es „nur“ das Vorspiel war. Die großen Brocken folgen noch. Fast alle bekommen noch ihre Chance zu zeigen, dass sie es besser können. Möge die Übung gelingen.

Renate Wagner

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