Große Oper im Theater Ulm: „Peter Grimes“ von Benjamin Britten (Vorstellung: 19. 5. 2015)
Hans-Günther Dotzauer als Peter Grimes, im Hintergrund Tomasz Kałuzny als Captain Balstrode (Foto: Ilja Mess)
Immer wieder bietet das Theater Ulm erstklassige Opernproduktionen, so auch diesmal als letzte Musiktheaterpremiere dieser Spielzeit im Großen Haus mit „Peter Grimes“ von Benjamin Britten. Dieses Werk, das auf die Verserzählung The Borough von George Crabbe fußt, hatte 1945 mit Peter Pears in der Titelrolle in London seine Uraufführung.
Die von Benjamin Britten in den Jahren 1944 und 1945 komponierte Oper handelt von dem in den nassen Tod getriebenen Außenseiter Peter Grimes, dessen manische Jagd nach dem Fischfang seines Lebens zum Tod von zwei Schiffsjungen führte. Das Libretto verfasste der britische Journalist und Literat Montagu Slater, der den Fischer Peter Grimes nicht als Bösewicht und Verbrecher darstellt, sondern als unverstandenen Außenseiter der Gesellschaft, wodurch sich auch die Situation von Benjamin Britten und seinem Lebensgefährten Pears in der englischen Gesellschaft widerspiegelt.
Die Inszenierung von Operndirektor Matthias Kaiser ist eher symbolistisch als realistisch, zeichnet sich aber durch eine atmosphärische Dichte aus, die das Publikum zu packen versteht. Exzellent seine Personenführung, die auch dem Chor zugutekam. Das Bühnenbild der Schweizer Künstlerin Marianne Hollenstein, die zu den musikalischen Zwischenspielen der Oper sieben großformatige Gemälde schuf (ausgestellt im Theaterfoyer), zeigt einen Schiffsrumpf in einer Werft. Originell die Videoprojektionen auf dem Bühnenvorhang während der Zwischenspiele, die einen Schwarm von Meeresfischen zeigten.
In den Mienen des Ensembles spiegelt sich die spannungsgeladene Atmosphäre (Foto: Ilja Mess)
Die Kostüme (Entwürfe: Angela C. Schuett) waren – passend zum Meer – vor allem in Blau gehalten. Die Lichtgestaltung durch Klaus Welz passte sich an das Düstere der Handlung an. Die Oper wurde in Ulm englisch mit deutschen Übertiteln gesungen.
Eine subtile Charakterstudie bot in der Titelrolle der Tenor Hans Günther Dotzauer, der die schwere Rolle auch stimmlich gut meisterte. Überzeugend auch der polnische Bariton Tomasz Kaluzny als Captain Balstrode, der Grimes rät, die Gegend zu verlassen, und die ukrainische Sopranistin Oxana Arkaeva als verwitwete Lehrerin Ellen Orford, die Peter Grimes seelisch beisteht.
Humorvoll gestaltet war der Tanzabend in der Gemeindehalle, den der Rechtsanwalt Swallow – vom koreanischen Bass Don Lee brillant gesungen – dazu nützt, mit den beiden Nichten der Wirtin der Schenke „Zum Eber“ zu schäkern. Die Wirtin Auntie wurde von der Mezzosopranistin Rita-Lucia Schneider gesungen, die beiden Nichten von den Sopranistinnen Edith Lorans und Katarzyna Jagiełło als „Opfer der Begierden“ köstlich gespielt.
Zu der guten Ensembleleistung trugen noch in kleineren Rollen der Tenor Alexander Schröder als Reverend Horace Adams, die Mezzosopranistin I Chiao Shih als Mrs. Sedley und der Tenor Thorsten Sigurdsson als Fischer und Methodist Bob Boles sowie der Bassist Joachim Pieczyk als Fuhrmann Hobson bei. Eine besondere Leistung bot der verstärkte Opernchor des Theaters Ulm (Einstudierung: Hendrik Haas), der die Fischer und Bewohner des Städtchens Aldeburgh zu spielen hatte und äußerst stimmgewaltig agierte.
Das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm gab unter der Leitung von Daniel Montané die vielschichtige Partitur des Komponisten, die viele expressive, aber auch lyrische Sequenzen aufweist, prächtig wieder. Tonmalerisch sehr ausdrucksstark waren die Zwischenspiele („Sea Interludes“), die zu den musikalischen Höhepunkten der Aufführung zählten.
Das Publikum im leider nicht ausverkauften Theater belohnte alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall, für Hans-Günther Dotzauer, den Darsteller der Titelrolle, gab es verdientermaßen Bravorufe.
Udo Pacolt