WIEN/ Staatsoper: GÖTTERDÄMMERUNG 25.5.2015
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Stephen Gould als “Siegfried”. Copyright: Wiener Staatsoper
Zum Finale des ersten Ring-Zyklus gestaltete Sir Simon Rattle das Vorspiel der drei Nornen besonders feierlich. Die älteste, erste Norn, mit prächtigem Alt von Monika Bohinec dargeboten, erinnert an Zeiten, die vor der Tetralogie lagen, als ein kühner Gott zum Trank an die unter der Weltesche entspringende Quelle trat und ein Auge als ewigen Zoll für den Trank zahlte. Offenbar hat sich das Schicksalsseil bereits zu diesem Zeitpunkt derart verflochten, dass die Norn nicht mehr weiß, dass Wotan ja, um Fricka zur Gattin zu gewinnen, sein eines Auge einst werbend daran gesetzt hat. Die zweite Norn, Stephanie Houtzeel, erzählte hierauf mit warmen Mezzosopran von Wotans Schicksal, wie es im Verlauf der drei vorangegangenen Teile fortgeschritten war. Die dritte, jüngste Norn, mit hell strahlendem Sopran von Ildikó Raimondi, interpretiert, erschaut schließlich das Ende der Götter im alles verzehrenden Feuer in Walhall. Die Visionen verschwinden, das Seil reißt und damit kehren die drei Nornen zu Erda, der Urweltenwala zurück.
Ein stimmlich bestens disponierter Stephen Gould als Siegfried ließ sich dann von Brünnhilde aus mehreren Schlafdeckenherausschälen und dann gemeinsam enthusiastisch ihre Liebe besingen, um schließlich zu neuen Taten aufzubrechen. Siegfrieds Ring und Brünnhildes Hengst Grane werden als wechselseitiges Liebespfand getauscht. Sein strahlender Heldentenor ist etwas baritonal gefärbt, weshalb er wohl auch das hohe „C“ beim „Hoi he“ im dritten Akt etwas verpatzte. Danach aber wieder seine Siegfried Erzählungen tadellos ausbreitete, die schließlich in seiner prächtigen Huldigung an Brünnhilde kulminierten.
Evelyn Herlitzius, die als Brünnhilde in der Götterdämmerung ebenso wie an den vorangegangenen Abenden ihr Rollendebüt an der Wiener Staatsoper feierte, hatte im Vorspiel noch leichte Intonationsprobleme, wuchs dann aber über sich hinaus. Sie dominierte den gesamten zweiten Akt mit ihrem in der Höhe lupenrein gesungenen dramatischen Sopran beim Speerschwur und im dritten Akt im Schlussmonolog.
Eine besonders eindringliche Waltraute mit durchdringendem Mezzosopran bot Anne-Sophie von Otter, die in dieser Rolle ebenso an der Wiener Staatsoper debütierte.
Im ersten Akt gab es in Falk Struckmann als stimmgewaltiger, nur vereinzelnd „schwächelnden“ Hagen, einen weiteren Rollendebütanten im Haus am Ring. Ich muss mein voreiliges Urteil “schwächelnd“ aber relativieren. Beim „Mannenchor“ im zweiten Akt deckte Simon Rattle gemeinsam mit dem Orchester der Wiener Staatsoper den Sänger, der über einen gewaltigen tragenden Bass verfügt, bei dem Gruß „Heil! Siegfried, teurer Held“ einfach zu. Schade!
Boaz Daniel bot einen stimmlich etwas verhaltenen Gunther, der aber in der Rollengestaltung eines schwächelnden Helden zu punkten wusste. Obwohl er weder in der Mittellage noch bei den exponierten Höhen hörbare Schwierigkeiten hatte, fehlte es seinem Bariton doch etwas an Leuchtkraft.
Caroline Wenbornehat die Gutrune in der laufenden Produktion schon öfters gesungen. Schauspielerisch bot sie das Abbild einer naiven Frau, die von ihren Familienangehörigen manipuliert und missbraucht wird. Kein Wunder, dass Bünnhilde mit ihr als einzige der Gibichungen Mitleid empfindet und ihr gewährt, den toten Siegfried gemeinsam mit ihr zuzudecken und sie schließlich tröstend in die Arme schließt. Gerade in dieser Szene bewährt sich die gut durchdachte Personenführung des Schauspielers und Regisseurs Sven-Eric Bechtolf. Und noch ein interessantes Regiedetail: Als Gutrune Siegfried den Trank des Vergessens reichen möchte, ergreift sie zunächst den falschen Becher von zweien auf ihrem Tablett befindlichen Gefäßen. Aber ein kurzer Blick zu Hagen weist sie sogleich an, den richtig „gewürzten“ dem leicht zu manipulierenden Helden Siegfried zu reichen.
Richard Paul Finkgestaltete als Rollendebütant denAlberich in der Götterdämmerung ebenso souverän wie im Siegfried. Mit eindringlichem, besonders wortdeutlichem Bariton versuchte er seinen zum Hass erzogenen, sich im Halbschlaf befindlichen Sohn Hagen für seine eigenen Zwecke zu gewinnen. Doch dieser denkt gar nicht daran, sich Papis Willen zu beugen. Vielmehr will er selber den Reif für sich gewinnen…
Ileana Tonca als Woglinde, Ulrike Helzel als Wellgunde und Juliette Mars als Flosshilde gaben ein anfänglich nicht unbedingt synchron singendes Trio von Wassernixen ab, steigerten sich aber gegen Ende ihrer an den dummen Tölpel Siegfried gerichteten Todesprophezeiung zu harmonischem Gesang.
Simon Rattle wurde am Ende vom Publikum lautstark gefeiert, dennoch gab es einige wenige Schwachstellen. Siegfrieds Abschiedsruf wurde vom Horn leider unsauber geblasen und bei der daran anschließenden Rheinfahrt klang das Orchester teilweise sehr holprig und spielte auch nicht synchron, vor allem gab es immer wieder unsaubere Einsätze der Blechbläser. Aber bei einer reinen Spielzeit von 4,5 Stunden sollten solche kleinen Irritationen sich nicht wirklich als störend dem Gedächtnis einprägen. Prächtig gelangen Rattle aber Siegfrieds Trauermarsch und Brünnhildes Schlussgesang. Da schöpfte Maestro Rattle bei seinem Orchester aus dem Vollen und gelangte so zu einer wirklich berührenden Schlussapotheose! Bravo!
Der von Thomas Lang einstudierte Chor und Extrachor der Wiener Staatsoper bestach wieder einmal mehr durch seine Präzision und Leuchtkraft.
Einige Sekunden herrschte nach dem letzten Ton Stille, die Zeit zu eigener Reflexion des eben Erlebten bot. Der lang anhaltende Applaus, reichlich mit Bravo-Rufen durchsetzt, galt in erster Linie Herlitzius, Gould, Struckmann sowie dem adeligen Briten Simon Rattle.
Harald Lacina