Biel, 23.11.2013. Das Rheingold (halbszenisch), Kongresshaus Biel
Seit Dieter Kägi Intendant und Musikdirektor das „Theater Orchester Biel Solothurn“ (auch TOBS genannt) leitet, fanden immer wieder ereignisreiche Aufführungen statt, die weit über die Kantonsgrenzen hinaus für aufsehen sorgten. Das konnte auch für diese halbszenische Version des Rheingolds behauptet werden, welches im Kongresshaus zur Aufführung kam und mit einer Videoproduktion umrahmt wurde.
Für dieses aufwendige Projekt gelang es der Spielleitung International gefragte Sänger und Sängerinnen nach Biel zu holen, einige von Ihnen, deren Karriere einst hier am Opernstudio begonnen hatte; Jordanka Milkowa, Vitalij Kowaljow und Marion Ammann. Und auch folgendes ist für die doch eher provinzielle Industriestadt ebenso erstaunlich und gleichzeitig bewundernswert; das TOBS wird sich dem insgesamt 16-stündigen Weltendrama um Macht, Verrat und Gier nun jährlich mit einer Produktion widmen.
Es lohnte sich das Musikdrama ohne Bühnenbild und Orchestergraben aufzuführen. Denn, was sonst im Graben sich versteckt konnte frei und offen voll zur Geltung kommen. Das Orchester und die Darsteller standen im Mittelpunkt fern vom allzu oft verstörendem Regietheater, es wurde Hörgenuss der besonderen Art und auf allerhöchstem Niveau geboten.
Die musikalische Leitung übernahm der Wiener und renommierte Wagner-Spezialist Hans Urbanek. Auch er kam wieder zurück. Dem Bieler Publikum war er bestens bekannt, da er von 2002 bis 2005 als künstlerischer Leiter und Chefdirigent für die Konzerte der Orchestergesellschaft Biel verantwortlich war. Und jetzt arbeitete er intensiv und erfolgreich mit dem Sinfonie Orchester Biel zusammen. Das Resultat lies sich hören, denn der volltönende Orchesterklang und die satte Farbigkeit sprachen für sich und das Klangbild war pointiert, transparent und flüssig. Sehr bewundernswert und gekonnt für ein Orchester welches nicht oft mit den epischen monumentalen Werken von Wagner betraut wurde.
Sehr überzeugend und hochkarätig war die gesamte Besetzung. Gross und mächtig die Stimme von Jo Pohlheim, der als Alberich mit seinem Fluch viel in Bewegung setzte. Er imponiert vor allem wegen der fabelhafte Diktion, dem intensiven ausgelassenes Spiel und einer sonoren Stimme.
In den Mittelpunkt selbst setzte sich Wotan Vitalij Kowaljow als Hüter der Macht mit kräftigem Bariton aber mit schwer verständlichem Deutsch, mit einer unglaublich schön timbrierten Stimme, gut fokussiert, nur schade dass er die Partie noch nicht fertig auswendig konnte. Die Gattin an seiner Seite, die launische und berechnende Fricka, war hervorragend besetzt durch Tanja Ariane Baumgartner, sie bestach durch blitzenden Ausdruck und starkem Gesang. Marion Ammann als Freia wartete mit jugendfrischem Sopran auf und überzeugte in ihrer Erscheinung, indogermanisch blond und gross gewachsen.
Ausgezeichnet präsentierten sich Fasolt Martin Snell und Fafner Martin Blasius mit gleichmässigem wie harmonischem Schöngesang. Grandios in Stimme, Ausdruck und Erscheinung die Erda von Jordanka Milkova. Mehrere Kritiker renommierter Fachzeitschriften portieren sie als eine der besten Nachwuchskünstlerinnen und prophezeien ihr eine grosse Karriere.
Der Loge des Niederländers Arnold Bezuyen kam als imposanter Charaktertenor daher, mit viel ironischem Witz, gekonntem Spiel, schönem Timbre, empfindsamen lyrischen Tönen und perfekter Diktion.
Das Götterquartett komplettierten John Uhlenhopp Froh mit einem etwas zu grossen Vibrato und der Bariton Robin Adams als cholerischer Donner, der mit stimmlicher Rauheit immer wieder dazwischenfuhr. Andreas Jäggi bot als Mime mit stahlkräftigem Tenor eine verspielte aber genaue Charakterisierung, darstellerisch wie stimmlich. Die Rheintöchter waren ebenfalls gut besetzt, die neckische Woglinde Ljupka Rac, die verführerische Wellgunde Christine Buffle und die schöne Flosshilde Susannah Haberfeld boten eine solide Leistung.
Stolz darf man verkünden, dieses Rheingold war orchestral und stimmlich fulminant. Eine mehr als nur überzeugende Leistung. Freuen wir uns auf die kommende Tetralogie des Rings und treffen uns wieder in einem Jahr in Biel, dann, wenn die Walküre zum Besten gegeben wird. Bis dahin lassen wir viel Raum für Spekulationen; wer wohl für die Brünnhilde vorgesehen ist?
Marcel Paolino