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DIE FRAU IN GOLD

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FilmPlakat Frau in Gold~1

Ab 5. Juni 2015 in den österreichischen Kinos
DIE FRAU IN GOLD
Woman in Gold  /  USA  /  2015 
Regie: Simon Curtis
Mit: Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl u.a.

Man muss es vorausschicken, damit kein Missverständnis aufkommt: Selbstverständlich war es moralisch und juridisch berechtigt, dass die Republik Österreich fünf Klimt-Gemälde, die sich im Belvedere befanden, an die Erbin der Familie Bloch-Bauer zurückstellte. Als Adele Bloch-Bauer ihr Porträt – wohl das berühmteste Frauenbild, das Gustav Klimt je schuf, in verführerisches Gold gehüllt – und die übrigen vier Werke vor ihrem Tod 1925 dem Belvedere vermachte – genauer, ihren Gatten testamentarisch ersuchte, er möge die Bilder nach seinem Tod der Österreichischen Galerie im Belvedere schenken, war das keine Verfügung, die sie an ein Nazi-Österreich und ein Post-Nazi-Österreich aufrecht erhalten hätte. Sich darauf zu berufen, wie die Republik Österreich es tat, war auch juridisch nicht allzu schwer auszuhebeln, widersprach aber ohnedies einem funktionierenden Rechtsgefühl.

Als die Nationalsozialisten den gesamten jüdischen Besitz enteigneten, kamen die Klimt-Bilder ins Belvedere, wo sie verblieben und zumal die „goldene Adele“ den Status einer „Mona Lisa Österreichs“ einnahm, wie es nun in dem Film „Die Frau in Gold“ heißt (an sich hat man diese Formulierung davor noch nie gehört). Der Streifen wurde über die erfolgreichen, wenn auch langwierigen Bemühungen Maria Altmanns gedreht, die Klimt-Gemälde aus dem Besitz ihrer Tante Adele und ihres Onkels Ferdinand Bloch-Bauer von der Republik Österreich zurück zu bekommen, was 2006 gelang.

Maria Altmann ist 2011 gestorben, aber der Fall ist in lebendiger Erinnerung – und es lässt sich, wie dieser Film von Simon Curtis zeigt, handfester Hollywood-Kitsch daraus machen. In krasser Schwarzweiß-Zeichung – dort sind die Guten, die amerikanischen Juden mit ihren berechtigten Forderungen; dort die Bösen, die Österreicher, die unrechtes Gut behalten wollen, Steireranzüge tragen, stur und überheblich und zynisch sind und sogar reden wie die bösen Nazis in den Hollywood-Propaganda-Filmen der vierziger Jahre…

Wenn man auch glauben möchte, dass es Maria  Altmann nur um Gerechtigkeit ging (einmal, nur einmal, wird angedeutet, dass Anwalt Randy Schoenberg, übrigens der Enkel des Komponisten, auch an die Hunderte von Millionen dachte, die an den Klimt-Bildern hingen) – die ganze Sentimentalität, die in der Aufbereitung der Geschichte klebt, ist schier unerträglich. Erst Maria Altmann am Grab der Schwester, dann in ihrem Nachlaß auf ein Foto des Gemäldes der „Goldenen Adele“ stoßend, als ob sie sich nun erst daran erinnerte, während man später in Rückblenden erfährt, wie präsent ihr dieser Teil ihrer Vergangenheit immer gewesen sein muss…

Der Schrei nach Gerechtigkeit, aufgenommen von Randy Schoenberg, die Geschichte eines jungen Anwalts mit Familie (die wackere Gattin schickt ihn sogar nach Wien, während sie ihr zweites Kind bekommt, so edelmütig steht sie zu ihm), der sich in einen Fall verbeißt, der gerade in seiner scheinbaren Aussichtslosigkeit die große Herausforderung darstellt – abgesehen davon, dass er nicht zuletzt angesichts des Wiener Holocaust-Denkmals erst richtig zu seiner jüdischen Identität zu finden scheint…

Mirren Woman in Gold 2 x

Wirklich schlimm sind die Szenen, wo Maria Altmann und Schoenberg (Ryan Reynolds) nach  Wien kommen – und da bündeln sich die ekelhaften Gestalten, von Ministerin Gehrer (Olivia Silhavy ist allerdings attraktiver, als diese je war) bis zu einem supermiesen Verhandler Dreimann (Justus von Dohnányi könnte unsympathischer nicht sein) oder zu jenen Menschen (Miniauftritt Paul Matic), die sich schwer tun, ihren Antisemitismus zu verbergen und den Juden raten, endlich Ruhe zu geben…

Aber da sind auf der anderen Seite die wunderbaren alten Juden, die im Rahmen von Restaurations-Symposien von ihren einstigen Erfahrungen erzählen (der leider mittlerweile verstorbene Gideon Singer oder Dagmar Schwarz), und da ist als „Lichtgestalt“ Daniel Brühl, allerdings sehr verdruckst als jener Hubertus Czernin, der zwar als edler Helfer dargestellt ist, dessen Rolle aber im Vergleich zur Realität verdammt unterspielt wird: Man erinnert sich noch genau, wie dieser einfach nicht genug tun konnte, im „Standard“ den Fall Altmann in einer Unzahl von Artikeln zu betreiben, und der sicherlich unendlich viel an Bewusstmachung erreicht hat.

Wien heute wird in den typischen Touristenaufnahmen geboten, das Wien der Vergangenheit, das die kleine Maria (geboren 1916 in Wien als Maria Bloch-Bauer) in der Idylle ihrer großbürgerlichen jüdischen Verwandtschaft zeigt, ist so schön gemalt, dass die Propaganda direkt stinkt – auch wenn man selbstverständlich nicht bezweifeln will, dass ihr Vater ein großartiger Cellospieler war und die schöne Tante Adele (Antje Traue)  eine ebenso liebenswerte wie reizvolle Person. Nichts trübt das Bild dieser wundervollen, in keinem Detail in Frage gestellten Welt – bis die Nazis kommen.

Dann ist die junge Maria Altmann (Tatiana Maslany) mit ihrem Gatten Fritz (Max Irons) auf der Flucht – die beiden in Nazi-Menschenmengen sind eben noch vor dem Rathaus, Schnitt, jetzt ist man direkt im Semper-Depot, Realität ist nicht angesagt, sondern nur wirkungsvolle Schauplätze und böse Nazis (wie Tom Schilling).

Maria musste ihre Familie zurücklassen, ihr Onkel (Adeles Gatte) starb 1945 in Zürich, ihre Mutter 1961, ihr Vater Gustav kam 1938 in Wien um. Andere Familienmitglieder (außer die Schwester, mit deren Begräbnis der Film anhebt) werden nicht erwähnt, man begegnet Maria Altmann nur in Los Angeles als Besitzerin einer Boutique, die irgendwie in einen Konflikt gerät, den sie eigentlich nicht will, wie es scheint… Aber als die bösen Österreicher sich als so stur erweisen – ja, da konnte sie dann ihr einstiges Angebot (so sagt der Film), die „goldene Adele“ in Wien zu belassen, nicht aufrecht halten. Ronald Lauder zahlte bekanntlich 135 Millionen Dollar dafür, von denen Schoenberg 40 Prozent erhielt, den Rest des Geldes hat Maria Altmann (obwohl sie doch Kinder hat), wie man erfährt, gespendet, etwa der Oper von Los Angeles, war ihr Gatte doch Opernsänger, ein Wotan – wofür das Internet keine Belege liefert, aber es wird schon stimmen.

Es ist natürlich die Persönlichkeit von Helen Mirren, die diesem Film Gewicht gibt. Ihre Aufgabe ist es allerdings vordringlich (und das liegt wohl unter ihrem darstellerischen Niveau), den durchwegs geistig minderbemittelten und unsympathischen Österreichern, die ihr begegnen, von oben herab mitleidig-hochmütig ins Gesicht zu sehen.

Und bevor wir jetzt richtig vermerken, dass sich die österreichische Regierung zumindest unkorrekt verhalten hat – keine Regierung der Welt hätte in einem analogen Fall mit ausgebreiteten Armen ihre Schätze zurückgegeben. Und wenn man Englands Elgin Marbles erwähnt oder die Schliemann-Schätze, die in Russland sind, mag der Besitz dieser Stücke auch auf anderen Voraussetzungen basieren – aber ans Zurückgeben, auch wenn es gerechtfertigt wäre, denkt doch keiner. Österreich hat sich der Verfügung eines Schiedsgerichts gebeugt. Maria Altmann bekam ihre Adele und die vier weiteren Klimt-Gemälde aus dem Besitz von Onkel und Tante. Damit könnte man es gut sein lassen und weder so viel Kitsch noch so viel Schmutz über das Geschehen kübeln.  

Aber dieser Film ist ja nicht für Österreicher gedacht, obwohl diese sich ganz, ganz schlecht fühlen sollen (und es auch tun angesichts von Szenen, wie Juden den Boden waschen mussten und die Menschen höhnisch zusahen) – es ist ein glorifizierender Rückblick für eine heutige Generation von Juden, die die glanzvolle Vergangenheit ihrer Vorfahren präsentiert bekommen – und ein „Gerichtssaal-Drama“, in dem das Recht gesiegt hat. Wie es Hollywood gern hat – und es in diesem Fall sogar Realität geworden ist.

Renate Wagner

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