WIENER STAATSOPER: SIEGFRIED am 4.6.2015 (Helmut Christian Mayer)
Evelyne Herlitzius. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Riesig, beinahe die gesamte Hinterbühne ausfüllend, zum Fürchten bedrohlich grün ist das Auge des Drachen, das sich bei dessen Tode blutrot färbt. Direkt in diesem Auge lässt Sven-Eric Bechtolf den Kampf des Titelhelden als Videoprojektion ablaufen. Tödlich verletzt erscheint dann noch der blutige Fafner als Riese von der Unterbühne in die Höhe fahrend, in eine Reptilhaut eingewickelt: So spektakulär lässt der deutsche Regisseur diese Schlüsselszene ablaufen. Poesievoll lässt er andererseits die schlafende Brünnhilde vom Titelhelden aus durchscheinenden Seidentüchern auswickeln. Ansonsten erzählt Bechtolf beim Siegfried von Richard Wagner, bei dem nie mehr als zwei Personen auf der Bühne stehen, schlicht und einfach die Geschichte, ohne auf irgendwelche Deutungen einzugehen.
Er ist beinahe ständig auf der Bühne. Er muss in dieser gefürchteten, mörderisch schweren, Kräfte raubenden Partie immer wieder die höchsten Töne stemmen. Und doch hat er auch für das lange Finale, außer mit kleinen Ermüdungserscheinungen, immer noch die notwendigen Kraftreserven, dass sein Tenor in den dramatischen Ausbrüchen wie auch in den lyrischen Passagen hörbar strahlt und glänzt: Stephen Gould ist als Siegfried erste Sahne.
Aber auch sonst ist das überwiegend sehr wortdeutliche Sängerensemble im zweiten Teil von Richard Wagners Tetralogie an der Wiener Staatsoper von großer Klasse: Evelyn Herlitzius als intensive Brünnhilde singt alle Spitzentöne mühelos. Allerdings neigt ihr Sopran diesmal zu einer gewissen Schärfe und zu viel Tremolo. Darstellerisch wirkt ihre Verwandlung von Wotans Lieblingswalküre in eine liebende Frau ideal. Den Wotan, der sich jetzt Wanderer nennt, singt Tomasz Konieczny, abgesehen von seiner verdunkelten Diktion, im Vollbesitz seiner stimmlich mächtigen und auch darstellerischen intensiven Fähigkeiten mit dominanter, „göttlicher“ Bühnenpräsenz. Er liefert sich auch ein eindringliches Duell mit Alberich, der von Richard Paul Fink mit kernigem, drastischen Bariton gesungen wird. Erstklassig und gleich verschlagen, wenn auch weniger erfolgreich, hört man auch seinen Bruder Mime, der von Herwig Pecoraro mit idealem Charaktertenor ausdruckstark gesungen wird. Mikhail Petrenko ist ein machtvoller, schwarzer Fafner, Janine Baechle eine dunkel gefärbte Erda, Annika Gerhards ein leicht verhetzt wirkender Waldvogel.
Simon Rattle weiß aus dem Orchester der Wiener Staatsoper, das sich in absoluter Hochform befindet, große Klangpracht zu entfalten, ohne dabei die Sänger zuzudecken. Wie man sofort merkt, können Musiker und Dirigent bestens miteinander. Der britische Maestro modelliert dabei detail-, farbenreich die vielschichtige Partitur, besonders das „Waldweben“ und das Finale werden zum klanglichen und emotionalen Ereignis.
Großer und langer Jubel im Publikum, wobei ein einzelner Buhrufer wieder empfindlich störte!
Helmut Christian Mayer