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MANNHEIM / Kulturhaus Käfertal SCHWANENGESANG von Franz Schubert – szenisch:

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Szenische Aufführung eines Liederzyklus in Mannheim:

„Schwanengesang“ von Franz Schubert (Vorstellung: 10. 6. 2015)

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Thomas Berau als Fotograf und Eva Desoi als sein Modell (Foto: Hans Jörg Michel)

 Mit einem interessanten Projekt wartete das Nationaltheater Mannheim auf, indem es den Liederzyklus „Schwanengesang“ von Franz Schubert im Kulturhaus Käfertal szenisch zur Aufführung brachte.  Der Wiener Komponist vertonte von August bis Oktober 1828, seinem Todesjahr, 14 Texte der romantischen Dichter Heinrich Heine, Ludwig Rellstab und Johann Seidl, die sein Verleger Tobias Haslinger nach dem Tod Schuberts unter dem Titel Schwanengesang herausgab, wobei er die Liedfolge in zwei Blöcken und einem einzelnen Lied (Die Taubenpost) verband.

 Regisseur Dorian Dreher veränderte die Reihenfolge der Lieder nur unwesentlich und fügte dem Rellstab-Teil das Lied Herbst hinzu, das Franz Schubert ebenfalls im Jahr 1828 vertont hatte. In seiner Inszenierung, die eine Anlehnung an den Film „Blow -Up“ aus dem Jahr 1968 ist, in dem ein Fotograf zufällig auf einem seiner Bilder eine Mordszene zu entdecken glaubt und sich auf die Suche nach der Realität begibt, nimmt ein an der Wirklichkeit Verzweifelnder die Gestalt eines Fotografen an, wobei seine Geliebte gleichzeitig zum Modell und zur Muse wird.

 Bühnenbildner Martin Kukulies, der auch die Kostüme entwarf, schuf um diese beiden Figuren ein Oktogon als Fotostudio, das zu einem Ort der Arbeit, aber auch zum Schauplatz einer Liebesbeziehung wird. Wie ein Reigen ziehen die einzelnen Lieder immer neue Situationen dieser Beziehung, die nicht nur von Glücksmomenten beseelt ist, vorüber.

 Zur Inszenierung und zu Schuberts Musik findet sich im Programmheft unter dem Titel Wahrnehmungszweifel in Schuberts Schwanengesang ein lesenswerter Beitrag der Dramaturgin Dorothea Krimm. Daraus seien ein paar Sätze zitiert: „Wie geht Schubert musikalisch mit den Bildern und Befindlichkeiten des erlebenden Ichs um? Im Klavierpart lässt er viele Bilder der Texte, allen voran das so häufig ‚rauschende Bächlein‘, erklingen – Bilder, die die Inszenierung nicht direkt übertragen möchte, sondern metaphorisch versteht. Mit unglaublicher Exaktheit erfasst Schubert in den musikalischen Parametern jeweils den ‚Ton‘ jedes Textes. Seine Tempi, Rhythmen und Harmonien schaffen unterschiedliche Welten, Situationen und Psychogramme. Oft scheint die Musik das im Text Behauptete noch zu stärken – und doch drücken subtile Veränderungen von Strophe zu Strophe, Wechsel von Dur nach Moll, jähe Harmonieverschiebungen leise Zweifel am Behaupteten aus. Diesem Grundmotiv geht auch die Szene nach.“

 Der Bariton Thomas Berau schaffte es mit seiner lyrischen, aber oftmals auch kräftig modulierenden Stimme alle Gefühlsschwankungen des Fotografen, die von Melancholie genauso geprägt sind wie von Fröhlichkeit und Verliebtheit, aber auch von Obsessionen, wunderbar wiederzugeben. Eine eindrucksvolle Leistung!

 Die Rolle des Mädchens wurde von Eva Desoi gespielt. Als Geliebte des Fotografen, die für ihn Modell und Muse zugleich ist, konnte sie ihre jugendliche Anmut und ihre reizvolle Figur gleichermaßen darbieten. Auch gelang es ihr, auf die jeweilige Arbeits- oder Liebessituation mit ausdrucksstarker Mimik zu reagieren. Eine ebenso respektable Leistung.

 Die musikalische Leitung am Klavier hatte der Pianist Philipp Vandré inne. Mit vornehmer Zurückhaltung war er mit seinem differenzierten Spiel ein idealer Begleiter der szenischen Aufführung, die das Publikum recht schnell in ihren Bann zog. Am Schluss der etwa 75-minütigen Vorstellung belohnte es die drei Protagonisten mit lang anhaltendem Beifall und Bravorufen für den „Sänger-Fotografen“ Thomas Berau. Es war ein gelungener Schubert-Abend der anderen Art!

 Udo Pacolt

 PS: Weitere Vorstellungen von Schuberts Schwanengesang im Kulturhaus Käfertal in Mannheim finden am 18., 20. und 23. Juni 2015 statt.

 

 

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