Alle Fotos: Renate Wagner
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ABSTRAKTION IN ÖSTERREICH
1960 BIS HEUTE
Vom 10. Juni 2015 bis zum 6. September 2015
Spielwiese der Talente
Klaus Albrecht Schröder, der Direktor der Albertina, weiß es am besten: „Wenn wir für unser Museum Werke geschenkt erhalten, kommen sie meist von den Künstlern selbst.“ Ganz, ganz selten, dass Sammler sich von ihren Sammlungen trennen – wobei er durch die Dauerleihgabe der Sammlung Batliner seine Bestände und sein Haus enorm aufwerten konnte. Aber tatsächlich eine erkleckliche Anzahl hochrangiger Werke auf einmal geschenkt zu erhalten, das ist eine Seltenheit. Umso höher war die Anerkennung, die man Regina Ploner, der Witwe des Sammlers Heinz Ploner, zollte: Albertina, Belvedere und das Grazer Joanneum konnten aus den gut 350 Werken der Sammlung Ploner wählen. Die Albertina präsentiert sie nun integriert in eine Ausstellung über „Abstraktion in Österreich“.
Von Renate Wagner
Heinz und Regina Ploner Der oberösterreichische Unternehmer Heinz Ploner, Jahrgang 1952, hat Anfang der neunziger Jahre „Blut geleckt“: Damals kaufte er ein Gemälde von Josef Mikl für das Wohnzimmer der Familie in der neuen Villa in Hietzing. Als Ploner seinen Betrieb verkaufte, stand seiner Sammlertätigkeit nichts mehr entgegen, unterstützt von Gattin Regina, die einst Kunstgeschichte studiert, dies aber nie ausgeübt hat. Mit hohem Sachverstand haben die Ploners vor allem Werke österreichischer Zeitgenossen erworben, von denen sie viele persönlich kannten, mit einigen sogar befreundet waren. So kam eine Sammlung zusammen, die heute alle wichtigen Namen der heimischen Gegenwartskunst ab Mitte des 20. Jahrhunderts vereinigt. Nach Heinz Ploners frühem Tod 2011 hatte die Witwe drei Möglichkeiten: Die Sammlung zu zerstückeln und zu verkaufen, was für sie nicht in Frage kam. Die Bilder zu behalten und sie damit quasi „wegzusperren“, was auch nicht im Sinne ihres Gatten gewesen wäre. Ein eigenes Museum zu gründen, war aus finanziellen Erwägungen nicht möglich, ebenso wenig hätte eine einzige Institution den Gesamtbestand sinnvoll übernehmen können. So kam es zur Drittelung, die eigentlich eine Viertelung ist, denn natürlich hat sich Regina Ploner Lieblingswerke behalten.
Albertina zuerst Die Albertina, die 75 Werke erhielt, machte den Anfang, ihren neuen Ploner-Bestand (teilweise) im Rahmen einer „Abstraktion“-Ausstellung zu zeigen. Das Belvedere wird im Juli folgen und in der Orangerie die Ploner-Bestände ausschließlich präsentieren. Nächstes Jahr folgt die Neue Galerie Graz im Frühjahr mit einer Schau. Alle Direktoren – Klaus Albrecht Schröder, Agnes Husslein-Arco und Joanneums-Leiter Peter Pakesch – kamen bei der Albertina-Pressekonferenz zusammen, um der großzügigen Mäzenin zu danken. Und hatten auch ein Geschenk – einen Katalog, der die gesamte Sammlung präsentiert, wie sie nun in den einzelnen Häusern und auch noch bei Regina Ploner zuhause aufzufinden ist, die Gesamtheit, die nun zerstreut wurde – aber im Interesse eines breiten Publikums. Einziger Wermutstropfen des Katalogs: Dass nicht genug Platz war, jedes einzelne Werk ganzseitig abzubilden, dass manches Hochwertige nur in der Größe einer Briefmarke zu sehen ist. Dennoch, 42 Künstler, die österreichische Kunstgeschichte mitgeschrieben haben, sind mit den von Ploner gesammelten Werken zwischen Buchdeckeln vereint.
Abstraktion in Österreich ab 1960 Der Titel verspricht mehr, als er halten kann, das wissen Klaus Albrecht Schröder und seine Kuratorin Eva Michel genau. Dennoch ist das Gebotene mit 125 Werken, davon viele aus dem Bestand der Albertina, so reichhaltig, dass es den Anspruch rechtfertigt. Wenn man hier in die fünfziger Jahre zurückgeht, so weiß man, warum manche österreichische Künstler nach dem Krieg in die Abstraktion ausbrachen. Nicht, weil sie eigentlich nicht malen können, wie das damalige Vorurteil gegen die „Abstrakten“ (die alle brav die Akademie besucht haben) lautete, sondern weil sie im Realen keine Lösung mehr sahen – da war der kitschige Idealismus der Nazis ebenso zu überwinden wie der nicht minder kitschige sozialistische Realismus auf der anderen Seite. Teils noch von realen Andeutungen ausgehend und in die Abstraktion „flüchtend“, teils nur noch Form und Farbe als Vorgabe akzeptierend, steht man heute vor einer Malerei, die „sich selbst feiert“, wie Kuratorin Eva Michel es ausdrückte. Der Zuschauer ist aufgefordert, die künstlerische Selbstreflexion der „bemalten Fläche“ in ihrer Bewegung und Farbigkeit nachzuvollziehen. Die Vielfalt ist stupend.
Wer zählt die Namen Mit Mikl begann es für Ploner, mit Mikl hebt die Ausstellung an, die nach Künstlern geordnet ist und am Ende bei Jürgen Messensee und „Altmeister“ Hans Staudacher landet. Man hat „bunt gemischt“, nach dem alten, immer guten Albertina-Konzept, Malerei und Graphik gleichwertig nebeneinander zu stellen. Wenn man sie abwandert, Wolfgang Hollegha, Hubert Scheibl, Markus Huemer, Gunter Damisch, Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, Markus Prachensky oder Gerwald Rockenschaub, erweist sich die Abstraktion nicht nur als Spielwiese der Talente, sondern auch als Überfülle individueller Handschriften. Darüber hinaus ist die ästhetische Komponente besonders stark – das „Abenteuer Sammeln“, dem sich Heinz Ploner hingegeben hat, wird für den dankbaren Besucher seiner Werke zum „Abenteuer Schauen“.
Bis 6. September 2015, täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr